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Interview mit Dr. Hubertus Friederich über K.O.-Tropfen
Nächte, in denen sich alles um Spaß, Feiern und Liebesdinge dreht, beginnen und enden für die meisten harmlos. Aber eben nicht für alle. Ein Grund dafür ist die Droge Gamma-Hydroxy-Buttersäure (GHB) beziehungsweise Gamma-Butryolacton (GBL) – besser bekannt als K.-o.-Tropfen. Die hat sich in den vergangenen 20 Jahren verbreitet und wird meistens dazu benutzt, um andere für kurze Zeit auszuschalten.
Früher wurden diese Substanzen als Betäubungs- oder Beruhigungsmittel in der Medizin eingesetzt, heute nutzt man sie als Lösemittel in der Industrie oder in chemischen Labors.
Während GHB illegal ist, fällt die chemische Vorstufe GBL nicht unter das Betäubungsmittelgesetz. Nach der Einnahme von GBL wandelt der Körper GBL innerhalb von wenigen Sekunden in GHB um. Im Endeffekt sind K.-o.-Tropfen also noch immer legal erhältlich. Einen Liter davon gibt es im Internet für 50 Euro zu kaufen, damit könnte man etwa 200 Menschen betäuben.
Das Opfer bekommt weder mit, was in der Zeit der Betäubung mit ihm geschieht, noch kann es sich in irgendeiner Weise wehren. Viele Täter nutzen diesen Effekt für Vergewaltigungen oder Raubüberfälle.
Der Einsatz von K.-o.-Tropfen ist kaum nachweisbar, da die Stoffe nach drei bis zwölf Stunden vollständig aus dem Körper verschwunden sind. Die Behörden gehen deshalb von einer hohen Dunkelziffer aus, was die Verfolgung der Täter sehr schwierig macht.
Wir haben mit Dr. Hubertus Friederich gesprochen, dem Ärztlichen Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie und Leiter der Abteilung Suchterkrankungen des ZfP in Zwiefalten. Er erklärt uns, wie man sich am besten schützen kann und worauf man beim Weggehen achten sollte.
jetzt: Herr Friederich, K.-o.-Tropfen lösen ähnliche Symptome wie Alkohol aus. Übelkeit, Schwindel oder etwa Enthemmung. Gibt es trotzdem ein Symptom, an dem man erkennt, dass man K.-o.-Tropfen zu sich genommen hat?
Hubertus Friederich: Am Geschmack ist es grundsätzlich nicht einfach zu erkennen, weil der sehr leicht durch Verdünnen verändert werden kann. Die Tropfen selbst können lakritzartig oder salzig schmecken. Wenn man nur Wasser trinkt, sollte man eigentlich merken, dass etwas reingemischt wurde. Aus der Notaufnahme hat mir bisher aber noch keiner berichtet, dass er vorher einen besonderen Geschmack bemerkt hat. Das liegt wahrscheinlich daran, dass an den Orten, an denen GBL oder GHB im kriminellen Sinn eingesetzt wird, kaum Wasser getrunken wird.
Wie hoch muss denn die Dosierung der K.-o.-Tropfen sein, damit ich eine Veränderung spüre?
Wenn man nur ein kleines Bier trinkt, dem fünf bis zehn Milliliter GHB oder GBL zugesetzt sind, bemerkt man durch den Eigengeschmack des Getränks zunächst nichts. Wenn man sich aber beim Konsum von einem halben Bier nach zehn bis 20 Minuten fühlt, als hätte man eine halbe Flasche Schnaps intus, kann man relativ sicher sagen, dass etwas reingemischt wurde. Betroffene berichten, dass ihnen schummrig oder schlecht wurde, manche sagen aber auch, dass sie überhaupt nichts bemerkt haben, bevor sie k. o. gegangen sind. Wenn die Dosierung zu gering ist, können völlig gegenteilige Effekte wie Euphorie oder Hyperaktivität entstehen, wenn sie zu hoch ist, können Atemstillstand und Tod die Folge sein.
Es gibt mittlerweile Präventionsmittel wie Strohhalme, Gläser oder Nagellacke, die sich bei Kontakt verfärben, wenn sich K.-o.-Tropfen oder verwandte Substanzen in einer Flüssigkeit befinden. Für wie sinnvoll halten Sie das?
Da würde ich mich überhaupt nicht drauf verlassen, das ist viel zu unsicher. Ich bin mir sicher, dass die allermeisten dieser Methoden keine verlässlichen Ergebnisse liefern.
Was wäre denn ihrer Meinung nach sinnvoller?
Das beste Mittel ist die Aufklärungsarbeit. Wenn die gut an die Zielgruppe angepasst ist, ist sie erwiesenermaßen sehr effektiv. Wenn man zum Beispiel vor Augen geführt bekommt, was einem Opfer von K.-o.-Tropfen passieren kann, rückt das Thema viel konkreter ins Bewusstsein. Es macht betroffen, wenn ich beispielsweise einen Film von einem Mädchen sehe, das erst fröhlich tanzt, aber nur wenige Stunden später in seinem Erbrochenen aufwacht und bemerkt, dass es vergewaltigt wurde. Grundsätzlich geht es darum, die Menschen für das Thema zu sensibilisieren. Dazu gehört auch, dass es das in der kleinen Dorfdisko genauso gibt wie in der Großstadt.
Wie kann man sich sonst schützen?
Es hilft, in Gesellschaft zu sein. Einfach, damit man gegenseitig auf sich aufpassen kann. Außerdem sollte man sein Getränk nie herumstehen lassen und später weiter trinken. Dann lieber mitnehmen oder gleich austrinken. Man sollte nach Möglichkeit nicht alleine nach Hause gehen. Die Täter suchen sich meist jemanden aus, der schon länger dort ist und sich möglichst bald und allein auf den Heimweg macht.
Wer sind in der Regel die Opfer?
Erfahrungsgemäß trifft es häufig Frauen oder jugendliche Mädchen. Natürlich können aber auch Männer zu Opfern werden, meist zielen die Täter dabei auf Geld oder Wertsachen ab.
Wann haben sich K.-o.-Tropfen verbreitet?
Die kriminelle Verwendung hat in den Nullerjahren angefangen. In den 1990er Jahren tauchten GHB und GBL bereits in der jugendlichen Partyszene auf.
Warum?
In den Neunzigern begannen synthetisch hergestellte Drogen den Markt zu erobern. Durch das Internet ist dieser Markt zusätzlich leicht zugänglich geworden. Man muss mittlerweile nicht mal mehr ins Darknet, um an viele Stoffe zu kommen, was früher für viele noch eine Hemmschwelle war. Vieles kann man sich mittlerweile ganz regulär bestellen. Diese Möglichkeiten gab es vor 20 Jahren noch nicht. Auf dem Land ist man damals an nicht mehr als Alkohol, Cannabis oder höchstens Heroin gekommen. Für den Kauf von Drogen musste man die richtigen Leute kennen und den Mut aufbringen, in gewisse Milieus vorzudringen. Jetzt ist das noch dazu vergleichsweise preiswert und in großen Mengen verfügbar.
Die kurzfristige Folge der Einnahme von K.-o.-Tropfen ist ein Blackout, von psychischen Schäden mal abgesehen. Kann es schon bei einmaliger Einnahme auch zu langfristigen körperlichen Schäden kommen?
Das ist eher unwahrscheinlich, kommt aber vor. Grundsätzlich treten solche Schäden bei GHB- oder GBL-Abhängigen auf. Möglich ist es aber, wenn jemand eine besonders hohe Dosis abbekommt und dabei viele Nervenzellen zugrunde gehen. Das kann auch langfristig die psychische Stabilität und geistige Leistungsfähigkeit einschränken.
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Anmerkung der Redaktion: Am 21.08.2020 haben wir aus dem Interview einen Satz entfernt, der als Victim-Blaming verstanden werden konnte.