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Die Wahrnehmung der Pille ist eine Generationsfrage
Ein schöneres Hautbild, kontrollierte Regelblutungen und natürlich sichere Verhütung – das sind drei der Vorteile der Antibabypille. Auf der anderen Seite gibt es auch etliche Nachteile. Seit einiger Zeit gehen Frauen deutlich bewusster mit der Pille um. So auch die Dortmunder Fotografin Kathrin Ahäuser. 2015 liest sie einen Artikel über eine Frau, die wegen der Einnahme der Pille eine Thrombose erlitten hatte – und fängt an zu recherchieren.
Jetzt hat die 32-jährige Fotografin unter pillepalle.info ein Multimedia-Projekt mit elf Kurzfilmen veröffentlicht. Frauen, Frauenärzte, eine Beraterin von Pro Familia, ein Arzneimittelexperte und ein Apotheker berichten darin von ihren Erfahrungen mit der Pille. Es geht nicht nur um positive und negative Wirkungen, sondern auch um Aufklärung. Kathrin Ahäuser hat mit uns über ihr Projekt und ihre persönliche Auseinandersetzung mit der Pille gesprochen.
jetzt: In den Beiträgen auf pillepalle.info wird deutlich, dass beim Thema „Pille“ verschiedene Interessen aufeinander treffen. Welches Statement hat dich selbst am meisten erstaunt?
Kathrin Ahäuser: Mehrere. Da ist zum einen Corinna, die während der Abiturprüfungen mit 19 eine Thrombose hatte. Obwohl sie immer aktiv war und gesund gelebt hat. Das hat mich echt schockiert. Auch Ricardas Geschichte finde ich sehr spannend. Sie erzählt vom Verlust ihrer Libido wegen der Pilleneinnahme. Darauf kommt man als Frau ja auch nicht gleich. Oftmals wird das einfach auf Schwierigkeiten in der Beziehung geschoben.
Was hast du denn persönlich für Erfahrungen mit der Pille gemacht?
Eigentlich ganz gute. Ich hatte zum Beispiel weniger Regelschmerzen. Bei der letzten Einnahme habe ich meine Regel auch komplett unterdrückt. Insgesamt kommt man einfach leichter mit seiner Periode zurecht. Die Frage ist nur, ob man die Risiken, die die Pille auf der anderen Seite birgt, in Kauf nehmen sollte?
Wie haben sich die Nebenwirkungen bei dir geäußert?
Ich habe Probleme mit den Augen bekommen. Sie waren ständig rot und haben geschmerzt, weil ich meine Kontaktlinsen überhaupt nicht mehr vertragen habe. Das kann eine Nebenwirkung der Pille sein, das hat mir auch mein Optiker bestätigt. Die Zusammensetzung meiner Tränenflüssigkeit hatte sich durch die Hormone verändert. Auch etwas, woran man erstmal gar nicht denkt. Aber: Hormone wirken natürlich im ganzen Körper.
Nimmst du zur Zeit die Pille?
Nein.
Hat sich deine Meinung wegen deiner Erkenntnisse durch das Pille Palle-Projekt geändert?
Ich habe persönlich nichts gegen die Pille. Außer gegen die neueren mit Gestagenen, die ein höheres Thromboserisiko aufweisen. Mich stört die Art und Weise, wie wir über die Pille sprechen. Jede Frau sollte selbst entscheiden können, ob sie sie nimmt oder nicht. Was ich kritisiere, ist die Informationspolitik.
Wie sähe die denn im Idealfall aus?
Wir müssen uns davon lösen, die Pille als Alltagsprodukt zu sehen. Sie sollte nicht nur aus Bequemlichkeit und Lifestyle-Gründen genommen werden. Die Nebenwirkungen können nämlich sehr vielfältig sein. Stimmungsschwankungen, Depressionen, Thrombosen bis hin zur Lungenembolie, menstruelle Migräne durch starke Hormonschwankungen, Augenprobleme und Brustschmerzen. All das kann, muss aber nicht, auftreten. Es kommt natürlich auch auf die persönliche Vorbelastung und das jeweilige Präparat an.
Wie sollten Frauen in dieser Hinsicht besser aufgeklärt werden?
Sie sollten auf jeden Fall immer hinterfragen, wo die Informationen herkommen, die sie erhalten. Einige Frauenärzte verteilen zum Beispiel Broschüren, die von der Pharmaindustrie finanziert werden. Man sollte immer ins Impressum schauen und sich nicht mit den ersten drei Google-Suchergebnissen zu einem Thema zufrieden geben. Auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Pro Familia und andere öffentliche Einrichtungen bieten Beratung an. Egal, wie alt man ist und welche Fragen man hat, solche Angebote sollte man wahrnehmen.
Hast du das Gefühl, der Umgang mit der Pille hat sich in den letzten Jahren geändert?
Ich glaube, die Wahrnehmung der Pille ist eine Generationsfrage. Frauen mit Anfang 30, also meine Generation, die schon seit 15 Jahren die Pille nehmen, hinterfragen jetzt auf einmal, warum sie das eigentlich machen. Auf der anderen Seite gibt es dann die jüngeren, die zum Beispiel auf YouTube aufgeklärt werden. In vielen Videos stellen dort Mädchen ihre ganz eigene Sicht dar.
Die Jugendlichen bekommen also schon viel früher differenzierte Informationen?
Ja, aber das reicht nicht. Das Produkt „Pille“ zielt ja eigentlich primär auf die Jugendlichen ab. Man muss sich nur mal das Verpackungsdesign im Vergleich zu den 60er-Jahren anschauen. Schlanke Frauenkörper, Herzen und Blümchen in pink und rot. Kein anderes Medikament ist so irreführend gestaltet. Schon im Schulunterricht sollte mehr auf die Pille eingegangen werden.
Du hast vor einigen Jahren auch schon ein Multimediaprojekt zu Objektophilie umgesetzt. Liegt es dir am Herzen, Menschen für Körperlichkeiten und Sexualität zu sensibilisieren?
Das ist Zufall. Ich habe nicht bewusst wiederholt ein Thema gewählt, das am Rande mit Sexualität zu tun hat. Wenn mir ein Thema begegnet und ich es spannend finde, dann möchte ich es einfach umsetzen. Ohne zu sagen: Ich bewege mich jetzt beruflich in dieser und jener Blase.
Ist dir schon ein neues Thema über den Weg gelaufen?
Leider noch nicht. Es könnte aber sein, dass es wieder ein Frauenthema wird. Es hat schon großen Spaß gemacht, sich damit auseinanderzusetzen. Und so kann ich selbst auch noch etwas lernen.