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Spätfolgen von Covid-19: Junge ehemals Infizierte berichten
Die Zahl der Corona-Infektionen in Deutschland steigt derzeit wieder deutlich an, die Todesfälle sind im Verhältnis dazu aber geringer als im Frühjahr. Dafür gibt es mutmaßlich mehrere Gründe. Zum Beispiel wurde der Schutz von Risikogruppen verbessert. Expert*innen gehen außerdem davon aus, dass die Viruslast für die Schwere der Erkrankung eine Rolle spielt und sie durch die Hygienemaßnahmen – Abstand halten, Hände waschen und Maske tragen – verringert wird. Es könnte auch sein, dass Sars-CoV-2 mutiert ist und bereits eine „mildere“ Version existiert. Ein Grund, der besonders häufig genannt wird: Aktuell infizieren sich vor allem jüngere Menschen zwischen 15 und 34 Jahren, die oft mildere Verläufe haben als ältere. Bei vielen verläuft die Krankheit auch ganz ohne Symptome, der genaue Anteil ist jedoch unklar. Tatsächlich waren dem RKI zufolge bisher 86 Prozent der in Deutschland an COVID-19 Verstorbenen 70 Jahre alt oder älter. Manche junge Menschen sagen deshalb: „Egal, wenn ich mich anstecke – mir kann das Virus ja nichts anhaben!“
Doch das stimmt nicht. Mal davon abgesehen, dass man die eigene Ansteckung auch verhindern sollte, um andere – zum Beispiel Menschen mit Vorerkrankungen oder die eigenen Großeltern – nicht zu gefährden, kann eine Covid-Erkrankung bei jungen Menschen ebenfalls schwer verlaufen, insbesondere wenn Vorerkrankungen existieren. Hinzu kommt, dass die Langzeitfolgen einer Infektion noch nicht geklärt sind.
Wir haben mit drei jungen Menschen, die mit Symptomen an Covid-19 erkrankt waren und genesen sind, über den Verlauf der Krankheit gesprochen: Wie hat sich das Virus bei ihnen geäußert? Wie lange waren sie krank und welche Folgen hat die Infektion heute noch für sie?
„Ich hatte noch länger Erschöpfungssymptome“
Elisabeth, 33, arbeitet als Lektorin. Hier möchte sie lieber kein Bild von sich sehen.
„Ich war Anfang März mit meiner Schwester im Skiurlaub in Tirol und dachte danach, ich hätte mir eine starke Erkältung eingefangen: Ich hatte trockenen Husten, starken Schnupfen, mein Kopf war zu und ich war ziemlich erschöpft. Fieber hatte ich keins. Zu Anfang der Pandemie gab es in den Medien immer wieder diese Symptom-Tabellen – und weil damals noch drin stand, dass Schnupfen kein Corona-Symptom ist und Fieber eines der häufigsten, bin ich davon ausgegangen, dass ich es nicht habe.
Dann rief meine Schwester an, weil sie positiv auf Sars-CoV-2 getestet worden war. Mein Test beim Hausarzt fiel ebenfalls positiv aus und der meiner Mutter auch. Wir kamen alle drei zusammen in Quarantäne. Unsere Symptome waren unterschiedlich. Ich hatte wie gesagt diese ,starke Erkältung‘. Meine Schwester hatte vor allem Geschmacks- und Geruchsverlust und Gliederschmerzen, ihr ging es generell schlechter als mir. Meine Mutter hatte nur Husten.
Im Verlauf der Krankheit haben sich unsere Symptome nicht groß verschlimmert, aber ich wusste nach dem Test und durch die Medienberichterstattung natürlich: Das ist ein Lungenvirus und sowas will man eigentlich lieber nicht haben – keiner weiß, was das für Folgeschäden haben könnte. Ich hatte immer wieder Sorge, irgendwann könnte doch noch eine Atemnot einsetzen. Es gab zwei Situationen, in denen ich das Gefühl hatte, dass ich weniger Luft bekomme, aber da habe ich mich vielleicht ein bisschen reingesteigert. Ich konnte mich jedenfalls selbst beruhigen und dazu bringen, wieder gleichmäßig zu atmen. Und je länger die Quarantäne fortschritt, desto sicherer war ich mir, dass es sich nicht nochmal verschlechtert.
Die akute Erkrankung hat sich allerdings viel länger hingezogen als eine Erkältung, so etwa drei bis vier Wochen. Als ich Anfang April endlich mein negatives Corona-Testergebnis bekam und die Ärztin wörtlich sagte: „Sie sind frei!“, wollte ich mich unbedingt bewegen. Ich bin eigentlich recht sportlich, aber an dem Tag bin ich nur ein kurzes Stück die Straße runter gelaufen und hatte sofort ein Stechen in der Brust, als hätte ich mich gerade völlig überanstrengt oder wäre eine Stunde über den Fußballplatz gerannt. Das hat eine ganze Weile angehalten: Wenn ich mich auch nur ansatzweise körperlich betätigt habe, geriet ich sehr schnell an meine Grenzen. Wir hatten alle drei noch länger Erschöpfungssymptome und Kopfschmerzen, die gar nicht richtig weggingen.
Mit der Zeit gab es in den Medien immer mehr Berichte von genesenen Corona-Patient*innen, die auch von diesen Schmerzen berichtet haben, die ich beim Laufen hatte. Und von denen sie, ähnlich wie ich, nicht so genau sagen konnten, ob sie aus den Bronchien, der Lunge oder vom Herzen kamen. Da habe ich mir doch wieder Sorgen gemacht, ob es vielleicht Langzeitschäden gibt, die mich jetzt mein Leben lang begleiten.
Ich habe mich bisher noch nicht wieder untersuchen lassen, der Arzt wird sowieso sagen, dass ich Geduld haben muss. Es geht mir ja auch im Grunde wieder gut. Ich habe zwar immer noch eine schlechtere Kondition als vor der Erkrankung, aber diese stechenden Schmerzen sind jetzt, ein halbes Jahr danach, weitgehend weg. Von Zeit zu Zeit merke ich, dass meine Atmung verändert ist: Ich muss manchmal tief Luft holen, so, als würde mein normaler Atem nicht ausreichen, um mich mit genug Sauerstoff zu versorgen. Das ist ein bisschen beunruhigend. Meine Schwester spürt eine ähnliche ,Kurzatmigkeit‘, sie schmeckt und riecht aber wieder. Es sind alles nur leichte Überbleibsel, aber die Infektion ist auf jeden Fall nicht spurlos an uns vorbeigegangen.“
„Anders als bei einer Grippe, hat es sich sehr in die Länge gezogen“
Flo, 27, studiert Luftfahrttechnik und Logistik.
„Ich habe mich im März zusammen mit einigen meiner Freunde beim Skifahren in Tirol angesteckt. Bei den meisten waren die Symptome nicht ganz so schlimm, aber mich hat es am schlimmsten erwischt. Ich glaube, weil ich schon von einer leichten Erkältung angeschlagen in den Urlaub gefahren war.
Corona hat sich bei mir eindeutig von einer gewöhnlichen Erkältung unterschieden. Es ging relativ ,normal‘ los, mit Kopfschmerzen und Fieber über mehrere Tage. Dann schien es mehr oder weniger überstanden, ich fühlte mich besser. Aber dann kam der zweite Schub, mit Verlust des Geruchs- und Geschmacksinns und Schlappheitsgefühl. Anders als bei einer Grippe hat es sich sehr in die Länge gezogen. Es ging immer auf und ab. Es gab Tage, an denen ich wirklich am verzweifeln war, weil nicht abzusehen war, wie lange sich die Krankheit noch hält. Ich war letztlich bis Anfang Mai noch ziemlich schwach. Auch heute habe ich noch manchmal Halsschmerzen bei Stress oder beim Sport.
Als die Kritiker der Corona-Maßnahmen angefangen haben, zu demonstrieren, konnte ich einfach nur den Kopf schütteln. Meiner Meinung nach sind die in Deutschland so laut, weil man es hier halbwegs hinbekommen hat, das Virus unter Kontrolle zu halten. Wenn du nach Italien oder Spanien schaust, wo es wirklich schlimm war – da wird dir keiner sagen, dass das alles nur fake ist oder ihn nicht betrifft. In Deutschland sind glaube ich viele einfach nicht in Berührung gekommen mit dem Virus, haben keine Verwandte oder Bekannte dadurch verloren.
Ich habe das Gefühl, man kann da als Staat gar nicht gewinnen – wenn es wirklich viele Fälle und Todesfälle gibt, heißt es: ,Die Maßnahmen hätten viel umfassender sein müssen!‘ Und wenn es wenige Fälle gibt, dann heißt es: ,Ist doch gar nicht so schlimm, wieso reagiert ihr so über?‘“
„Solche Kopfschmerzen hatte ich noch nie“
Marius, 35, ist Geschäftsführer einer Werbeagentur. Hier möchte er lieber kein Bild von sich zeigen.
„Anfang September war ich auf zwei privaten Feiern – einer Trauerfeier, wo man nicht immer so den Abstand halten konnte, und auf einer Feier einer Bekannten. Beides fand draußen statt, trotzdem habe ich mich dort wahrscheinlich irgendwo mit Corona infiziert. Als die ersten Symptome wie Müdigkeit, Halsschmerzen, Schnupfen und Kopfschmerzen kamen, habe ich mich zwei Tage später testen lassen. Das positive Ergebnis hat mir mein Arzt noch am gleichen Abend mitgeteilt. Er konnte dieses bereits einsehen, für mich als Patient stand es offiziell erst ab dem nächsten Tag zur Verfügung.
Ich habe mich nach der E-Mail meines Arztes natürlich sofort in Quarantäne begeben. Glücklicherweise hat er mich so schnell informiert, denn das Gesundheitsamt hat sich erst drei Tage später bei mir gemeldet und eine Quarantäne angeordnet. Ich habe den Eindruck, dass viele Gesundheitsämter überfordert sind. Sie brauchen sehr lange, bis sie sich melden und schicken die Menschen somit viel zu spät in Quarantäne. Das ist gefährlich, denn so wird es noch schwieriger, alle Kontaktpersonen ausfindig zu machen. Ich selber habe zum Glück niemanden angesteckt. Mein Umfeld hat sich direkt testen lassen, alle waren negativ.
Während der Erkrankung habe ich vier Tage richtig durchgehangen. Es hat sich anders angefühlt als eine Erkältung, denn solche Kopfschmerzen hatte ich noch nie. Der Geruchs- und Geschmacksverlust ist zum Glück ausgeblieben, dafür habe ich mir die ganze Zeit Sorgen gemacht, was womöglich noch auf mich zukommt – gerade in Bezug auf die Atmung. Im Nachhinein würde ich aber sagen, dass ich das Ganze gut überstanden habe. Die Müdigkeit merke ich allerdings bis heute, ich bin also noch nicht wieder bei 100 Prozent.“