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Covid-19: Betroffene berichten von Vorurteilen und verbalen Angriffen nach Erkrankung
Man könnte meinen, dass Corona-Infizierte nach Abklingen der Erkrankung nichts mehr zu befürchten hätten – schließlich sollen sie laut aktuellem Stand der Forschung immun sein. Für viele Covid-19-Patient*innen und ihre Familien ist mit der Genesung jedoch noch nicht alles vorbei, denn das Stigma „Corona“ scheint weiterhin an ihnen zu haften. Wir stellen drei Betroffene vor, die erlebt haben, dass andere Menschen fast schlimmer sein können als die Erkrankung selbst.
„Niemand hat eingegriffen und mich verteidigt“
Katharina, 23, Winzerin aus dem Rheingau:
„Wo ich mich infiziert habe, kann ich nicht genau sagen, womöglich auf unserem Weingut. Zwar haben wir die Kunden stets mit Abstand bedient, erwischt hat es meine Familie trotzdem. Nach den ersten Symptomen und einem positiven Test haben wir uns alle in Quarantäne begeben. Die Mitarbeiter unseres Weinguts haben wir daraufhin alle vorsorglich nach Hause geschickt.
Dass wir erkrankt sind, hat in unserem Ort scheinbar schnell die Runde gemacht, denn kurz darauf kamen die ersten Nachrichten per Facebook und E-Mail. Darin stand ohne jegliche Form von Höflichkeit nur: ‚Habt ihr Corona?‘ Anfangs habe ich noch geantwortet, weil ich dachte, dass die Leute wohl einfach eine Sicherheit haben wollen, doch sie wollten die Infos wohl nur weitertratschen.
Durch meine Funktion als ehemalige Rheingauer Weinkönigin bin ich in unserer Region kein unbekanntes Gesicht. Sobald ich nach der Quarantäne wieder raus durfte, wurde es dadurch erst richtig schlimm. Beim Bäcker hat mich eine Mitarbeiterin erkannt. Sie wusste wohl auch, dass ich Covid-19 gehabt habe, denn sie hat mir dann mitgeteilt, dass ich doch bitte den Laden verlassen soll. Das hat mich sehr getroffen und ich habe beteuert, dass ich niemals dort stehen würde, wenn ich nicht die Bestätigung hätte, dass ich offiziell raus darf. Doch damit war es noch nicht vorbei.
Im Supermarkt hat mich kurz darauf eine fremde Frau, die mich aber scheinbar kannte, über die Regale hinweg angeschrien, was ich denn dort suchen würde. Da dabei das Wort ‚Corona‘ fiel, versammelte sich plötzlich eine kleine Menschenmenge um mich. Die Dame redete weiter wie wild auf mich ein, ich hatte keine Chance, überhaupt etwas zu sagen. Das Einzige, was ich herausgebracht habe, war: ‚Ich bin vermutlich die sicherste Person im ganzen Supermarkt, du musst keine Angst vor mir haben.‘ Daraufhin wollte ich das Gespräch beenden und bin zur Kasse gegangen. Doch die Frau hat mich bis dahin verfolgt und einfach weitergeredet. Das hat mich echt schockiert, doch was noch schlimmer war: In der Menschenmenge um uns herum standen Leute, die ich kannte. Doch niemand hat eingegriffen und mich verteidigt. Ich bin nicht auf den Mund gefallen, doch als ich danach wieder in meinem Auto saß, war ich emotional richtig fertig und musste mich erst mal wieder beruhigen. An diesem Tag hat es mir dann echt gereicht und ich habe beschlossen, in einem Facebook-Post meinem Ärger Luft zu machen.
Meine Eltern hatten zunächst Angst, dass das noch mehr Hass schürt und unserem Weingut einen Shitstorm einbringt, aber ich musste es einfach loswerden. Das Feedback war aber tatsächlich nur positiv und verständnisvoll. Wir haben unser Weingut mittlerweile wieder geöffnet und freuen uns darüber, dass wieder jede Menge Kunden vorbeikommen. Ich habe festgestellt, dass vieles einfach mit Aufklärung zu tun hat. Wenn jeder mehr mit Verstand handeln würde, würde das schon einiges ändern.“
„Mir wurde unterstellt, das sei alles nur PR“
Morena Diaz, 27, Grundschullehrerin und Influencerin aus der Schweiz:
„Ich habe mich Mitte April mit dem Coronavirus infiziert, vermutlich hat meine Mutter sich auf der Arbeit bei jemandem angesteckt und so habe ich es bekommen. Durch die Krankheit lag ich ein paar Tage richtig flach und habe mich daher länger nicht auf Instagram gemeldet. Dazu war ich zu kaputt. Als ich dann wieder dort aktiv geworden bin, habe ich meinen Followern erklärt, dass ich Covid-19 habe. Ich bin ein ehrlicher und offener Mensch und dachte, ich lasse sie auch an dieser Situation aus meinem Leben teilhaben. Dennoch hatte ich ein bisschen Bammel davor, wie die Reaktionen sein würden.
Im Januar hatte ich bereits etwas sehr Persönliches preisgegeben, worauf ich negative Reaktionen bekommen habe. Seitdem haben sich viele Hater auf meinem Profil gesammelt. Und so habe ich auch dieses Mal viele Nachrichten bekommen, in denen mir Menschen vorgeworfen haben, dass ich mir das Ganze nur ausgedacht hätte, um Aufmerksamkeit zu bekommen.
Mir wurde unterstellt, das sei alles nur PR. Diese Vorwürfe waren sehr belastend für mich, schließlich ging es mir kurz vorher wirklich noch sehr schlecht und ich würde nie auf die Idee kommen, mir so etwas auszudenken. Ich habe dann einen Beispiel-Kommentar in meiner Story gepostet und bin darauf eingegangen. Es wurde jedoch weiter auf mir herumgehackt, daher habe ich alle mir bekannten Hater blockiert. Das hätte ich schon viel früher tun sollen. Seitdem geht es mir besser und ich bekomme vom Großteil meiner Community auch absolut liebes Feedback. Die Hass-Nachrichten haben mir wiederum gezeigt, dass viele Menschen aktuell sehr gefrustet sind und große Unsicherheiten und Ängste haben. Letztlich war ich nun dafür die Zielscheibe, doch man sollte immer versuchen, das Ganze nicht zu persönlich zu nehmen, denn dann wird es psychisch belastend.“
„Diese Zeit hat mir gezeigt, wer Freund und wer Feind ist“
Lisa, 30, Wissenschaftliche Mitarbeiterin aus Niederbayern:
„Mein Freund hat sich Anfang März im Fußball-Trainingslager mit dem Coronavirus angesteckt. Da ich zu dieser Zeit auf Dienstreise war, bin ich danach sofort zu meinem Onkel gezogen, der eine Ferienwohnung in seinem Haus hat. Dort habe ich über drei Wochen gewohnt, bis mein Freund endlich negativ war. Ich selbst habe mich nicht infiziert. Dennoch wurde ich schon kurz nach meinem Einzug von der dortigen Nachbarin genauso behandelt.
Die besagte Nachbarin ist Mieterin bei meinem Onkel und wohnt mit auf dessen Grundstück. Daher wurde sie informiert, dass ich einziehe und auch aus welchen Gründen. Dass ich für die Zeit dort wohne, hat der Dame jedoch überhaupt nicht gepasst. Sie ist regelrecht ausgeflippt und meinte, dass das nicht gehe, da sie Pflegerin ist und Enkelkinder habe. Am liebsten wäre es ihr gewesen, wenn ich sofort wieder ausgezogen wäre. Dass sie selbst beruflich in verschiedenen Haushalten unterwegs ist und dadurch ein viel höheres Ansteckungsrisiko hat, hat sie einfach mal unter den Tisch fallen lassen. Ich hingegen hatte extra beim Gesundheitsamt angerufen und mir nochmal bestätigen lassen, dass ich nicht als Kontaktperson gelte. Zu meinen Eltern wollte ich dennoch nicht ziehen. Mein Vater gehört zur Risikogruppe, zudem wollte ich nicht wochenlang seine Couch blockieren.
Mittags saßen wir einmal beim Grillen auf der Terrasse meines Onkels, als die Nachbarin plötzlich die Treppe heraufkam. Ich habe dann versucht, mich ein bisschen zu verstecken, geholfen hat das nichts. Sie regte sich auf: ‚Was macht ihr hier? Corona-Versammlung? Das ist verboten!‘ Dann fragte sie, was ich mit meinen Eltern gemacht hätte, dass die mich nicht aufnehmen wollten. Das war zu viel, denn ich hatte an diesem Tag erst meinen Freund ins Krankenhaus gebracht, weil es ihm so schlecht ging. Das war schon Belastung genug – und dann kam noch dieser Angriff dazu. Mir sind direkt die Tränen in die Augen geschossen, ich habe alles stehen und liegen gelassen und bin hochgerannt. Ich weiß nicht, wer da noch kontern kann. Ich konnte es nicht mehr.
Ich habe schließlich nicht dort gewohnt, um jemanden zu ärgern, mein Freund war ernsthaft krank. Ich war so froh, als ich endlich wieder zu Hause einziehen konnte. Diese Zeit hat mir gezeigt, wer Freund und wer Feind ist. Im Nachhinein habe ich jetzt erfahren, dass die Nachbarin sogar noch beim Gesundheitsamt angerufen hat und gefragt hat, ob ich dort als Infizierte gelistet bin. Einfach unglaublich. Da sieht man mal, dass Angst einen völlig irrational handeln lässt.“