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Zyklus-Kolumne: Männer sollten sich mit Menstruation beschäftigen
Die Menstruation ist das vielleicht alltäglichste Tabu der Welt. Dabei übersieht man schnell, dass der weibliche Zyklus viel mehr ist als ein bisschen Blut. Er beeinflusst unser Wohlbefinden, unser Liebesleben, unseren Alltag und sogar unsere Gesellschaft. Genau darum geht es in dieser Kolumne.
Was fällt Männern zum Thema Menstruation ein? Das fragte die Sendung „Quarks” im Jahr 2016 einmal. Ein Mann antwortete: „Das ist mir eigentlich ziemlich egal. Ich hab’ die Schmerzen nicht, ich blute nicht, mir geht’s nicht schlecht!” Ein anderer fragte zurück: „Naja, ich frag’ mich, was hab’ ich damit zu tun?” Er wirkte ehrlich erstaunt. Ich finde, es ist Zeit, seine Frage zu klären. Denn nicht menstruierende Menschen und ein Menstruationszyklus haben mehr miteinander zu tun, als man im ersten Moment denkt.
Der offensichtlichste Grund, warum wirklich alle Menschen etwas mit dem Zyklus zu tun haben, ist: Wir verdanken ihm unsere Existenz. Ohne den komplexen Ablauf des weiblichen Zyklus käme kein einziger Mensch zustande, auch nicht diejenigen Männer, die sich Jahrzehnte später in einer Fernsehsendung wundern, was dieses komische Thema soll.
Gut, an den eigenen Entstehungsprozess kann man sich schlecht erinnern. Spätestens aber, wenn man (hetero-)sexuell aktiv ist, betrifft einen der Zyklus direkt. Schließlich geht es neben Spaß auch darum, eine Schwangerschaft zu verhüten oder eine zu planen – und dabei spielen sowohl weibliche als auch männliche Fruchtbarkeit eine Rolle.
Verhütung, Kinderwunsch und Wohlbefinden geht beide an
Bis heute heißt es, für den Mann gäbe es keine gute Auswahl an Verhütungsmethoden. Na ja: Kondome sind nebenwirkungsfrei, schützen vor Krankheiten und sind in vielen verschiedenen Größen und Materialien erhältlich. Als dauerhafte Variante gibt es die risikoarme Vasektomie. Aber auch abseits dieser beiden Optionen können Männer aktiv an der Verhütung mitwirken – begonnen damit, dass man sich für den Körper der Partnerin interessiert und alle verfügbaren Methoden kennt. In meiner Tätigkeit als Zyklusberaterin berate ich menstruierende Personen und Paare zur Zyklusbeobachtung. Die Begeisterung der Menstruierenden, wenn ihr Partner Interesse daran zeigt, ist unübersehbar. Auch der Hinweis, dass Männer jeden Tag fruchtbar sind und Frauen nur sechs Tage pro Zyklus, hilft, die Verteilung der Verantwortung zu hinterfragen.
Doch die Relevanz des Zyklus geht weit über die Verhütungsfrage hinaus. Während meiner Studienzeit in England diskutierten wir in einem multikulturellen Freundeskreis unsere gesammelten Twenty-Something-Struggles – oft ging es um Dating und Sex. Ich war überrascht, als mein Mitbewohner, ein introvertierter Chemiedoktorand, erzählte, dass er die Zyklusdaten seiner jeweiligen Partnerinnen notierte. „Das hilft mir, ihre Stimmung zu verstehen, und es beeinflusst unser Sexleben. In der Mitte des Zyklus hatten meine Ex-Freundinnen öfter Lust und wurden auch schneller feucht.” Tatsächlich: Das Östrogenhoch rund um den Eisprung kann genau diese Wirkungen haben und natürlich können die verschiedenen Zyklusphasen die Stimmung beeinflussen.
Allerdings muss ich eines klarstellen: Wir werden wegen des Zyklus nicht zu unzurechnungsfähigen Furien, vor denen Männermagazine mit Artikeln wie „Wenn Hormone Frauen in Zicken verwandeln” warnen. Vielmehr geht es um schwankende Energielevel, die für viele menstruierende Menschen im Alltag spürbar sind. Die verschiedenen Zyklusphasen empfinden alle unterschiedlich, genau, wie manche starke Periodenbeschwerden haben und manche gar keine. Sich darüber auszutauschen und ein Verständnis dafür zu entwickeln, kann die Beziehung nur besser machen.
Bei der Enttabuisierung des Zyklus sind alle Geschlechter in der Pflicht
Zugegeben, die letzten Punkte gelten vor allem für Hetero-Männer, homosexuelle Männer kommen mit den bisher genannten Punkten eher nicht in Berührung. Aber wir alle haben Familien, Freund*innen, Arbeitskontakte. Die meisten menstruierenden Personen spüren ihren Zyklus und viele sprechen auch darüber – unter sich. In gemischtgeschlechtlichen Gruppen fällt es hingegen immer noch sehr schwer. Für diese Kolumne habe ich einige Männer aus Freundeskreis und Familie gefragt, wie sie heute zu Zyklusthemen stehen. Einige meinten, dass sie es normal fänden, in ihrer Beziehung darüber zu sprechen, aber im Freundeskreis oder am Arbeitsplatz noch nie etwas davon gehört hätten – und auch nicht wüssten, wie sie damit umgehen sollten.
Ich finde, bei der Enttabuisierung des Zyklus sind alle Geschlechter in der Pflicht. Menstruierende könnten beginnen, Menstruationsbeschwerden auch als solche zu benennen, und Binden und Tampons nicht mehr wie Schmuggelware, sondern eher wie ein Pflaster oder Taschentuch weitergeben. Alle anderen könnten sich über das Thema informieren und bei Betroffenen, die ihnen nahestehen, respektvoll nachfragen, statt bei Konflikten mit „Haste wohl deine Tage?“ zu ätzen oder hinter dem Rücken einer Kollegin zu behaupten, dass sie „wegen ihrer komischen Hormone“ lauter wurde und nicht womöglich, weil es eine Ungerechtigkeit gab. Wenn man selbst über dieses Niveau schon hinaus ist, ist man perfekt in der Lage, zu intervenieren, wenn andere solche Sprüche bringen.
Dann kommen wir vielleicht sogar an den Punkt, an dem folgende Idee im Alltag umgesetzt wird: „Jeder Mann sollte einen Tampon bei sich tragen, den er bei Bedarf anbieten kann.“ Dieser Satz erreichte mich über Instagram, gesendet von einem Mann. Bis er seinen ersten Reservetampon übergibt, könnte es noch etwas dauern – schließlich käme aktuell wohl niemand auf die Idee, dass ein nicht menstruierender Mensch auf diese Art mitdenkt und würde ihn gar nicht erst darum bitten. Aber wenn es dann eines Tages so weit ist, sind wir einer gleichberechtigten Gesellschaft wieder ein ganzes Stück näher.