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„Es gibt nicht nur den alten weißen Mann, sondern auch die alte weiße Frau“

Fotos: privat Bearbeitung: jetzt

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„Ich möchte, dass der Mann ein Mann bleibt. Und deswegen: Bitte nicht schminken. Auch nicht die Augenschatten abdecken. Das ist auch schon schminken.“ Moderatorin Barbara Schöneberger hat sich mit dieser Aussage, die sie vor einer Woche in einem Instagram-Video auf dem offiziellen Kanal vom „Barbara Magazin“ veröffentlichte, nicht nur Freunde gemacht. Gerade in den sozialen Medien wurde sie dafür kritisiert, überkommene, heteronormative Rollenbilder zu propagieren. Tatsächlich war der Shitstorm so groß, dass Schöneberger am Montag eine Art Entschuldigungs-Video postete, nach dem Motto: War doch alles nicht so gedacht. „Ich habe natürlich nicht die Jungs gemeint, die sich regelmäßig schminken, die bunt sind, die ihre Individualität ausdrücken wollen“, hieß es da. Und: „Ich habe eher über die gesprochen, die ich früher gedatet habe und die waren – haltet mich nicht für spießig – nicht geschminkt.“

Aber was war so schlimm an dem ersten Video? jetzt hat sich schminkende junge Männer gefragt, wie sie sich gefühlt haben, als sie Schönebergers Video gesehen haben, warum sie sich eigentlich schminken und wie das sonst von den Menschen um sie herum aufgenommen wird.

„Oft sind es ältere Menschen, die komisch gucken oder tuscheln“

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Marek hatte sich auf Twitter zu dem Video geäußert.

Foto: Privat

Marek ist 19 Jahre alt und macht gerade eine Ausbildung zum Erzieher:

„Ich bin auf dem Dorf aufgewachsen. Daher weiß ich, wie es ist, mit Menschen konfrontiert zu sein, die Geschlechterrollen-Vorstellungen von vor 50 Jahren haben. Als ich das Video von Barbara Schöneberger geschaut habe, hat mich das schon sehr verletzt. Ich konnte nicht verstehen, dass jemand wie Barbara Schöneberger, die ich immer als nette, sympathische und freche Person wahrgenommen habe, so etwas sagt. Ich hatte das Gefühl, ich müsste mich vor ihr rechtfertigen für das, was ich tue – und das möchte ich nicht.

Dabei schminke ich mich nicht jeden Tag, aber für Partys eben manchmal. Ansonsten beschränkt sich mein nicht-heteronormatives Verhalten auf Nagellack tragen oder Blusen und Frauenhosen anziehen. Ich finde Sachen für Frauen meistens einfach schöner. Und ja, oft sind es ältere Menschen, die komisch gucken oder tuscheln. Oder Männergruppen, die ihre Männlichkeit beweisen wollen. Die kommunizieren das gerne auch laut – so, dass ich es höre. Einmal wurde ich sogar geschubst, weil ich für eine Halloweenparty weiblich geschminkt war.

Bei Barbara Schöneberger habe ich es zwar als private Meinung verbucht. Aber wenn sie öffentlich ein klar sexistisches und queer-feindliches Bild kommuniziert, finde ich das einfach asozial. Sie hätte vorher überlegen müssen, ob Menschen, die nicht diesem binären Geschlechterbild entsprechen, sich verletzt fühlen. Ich finde es gut, dass das Statement von Barbara Schöneberger nicht unwidersprochen geblieben ist. Sie hat eine ziemlich große Fan-Community, die sich vorher vielleicht nicht tagelang Gedanken über das Männerbild gemacht haben. Einige dieser Menschen wären vielleicht in dem Glauben verblieben, dass das eine Meinung ist, die Usus in unserer Gesellschaft ist.“

„Das kann sie einfach nicht bringen“

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Fabian – hier mit einer Pflegemaske im Gesicht – hat einen offenen Brief an Barbara Schöneberger und ihre Redaktion geschrieben.

Foto: Privat

Fabian ist 35 Jahre alt und arbeitet als Autor:

„Instagram ist ein Ort für alle, die sich nicht unbedingt von den klassischen Medien repräsentiert fühlen. Die Community der Make-up-Artists dort ist riesig. Da sind auch viele Jungs dabei, die sich austoben und eine Alternative zum traditionellen Männerbild zeigen. Dass Barbara Schöneberger ausgerechnet da so ein Video hochladen lässt, ist natürlich dämlich. Das kann sie einfach nicht bringen. Und zu sagen, sie sei nicht politisch und es sei alles nur Showgeschäft – naja. Alles, was wir heute tun, ist politisch.

Ich habe gelernt, dass ich mich von solchen Botschaften nicht mehr persönlich angreifen lasse. Das war vor ein paar Jahren aber noch anders. Mittlerweile denke ich an Kids in der Schule, die neun oder zehn Jahre alt sind, und durch so etwas gesagt bekommen: ‚Nee, du bist nicht richtig. Du bist kein Junge.‘ In den Medien ist das aber oft noch normal. Ich selbst habe schon für viele deutsche Magazine geschrieben – und musste mir doch irgendwann meine eigene Plattform schaffen, weil ich die Themen, die ich in Redaktionen vorgeschlagen habe, oft nicht durchbekommen habe. Manchmal waren sie den Redaktionen zu schwul, manchmal zu spitz, manchmal zu nischig. 

Hätte Barbara Schöneberger gesagt: ‚Ihr fragt mich nach meiner persönlichen Meinung. Und ich persönlich stehe nicht auf Männer, die sich schminken. Ich mag es, wenn die roh, machohaft oder natürlich aussehen. Aber jeder soll machen, was er will. Ich finde es toll, dass es neue Männerrollen gibt.‘ Dann wäre das etwas völlig Anderes. Aber sie wollte eine allgemeine Regel für Männlichkeit aufstellen. Ich habe einen offenen Brief an sie und die Redaktion formuliert und wollte ihnen damit eine Gelegenheit geben, sich zu äußern. Was ich schön fand: Es kamen fast ausschließlich positive Reaktionen von der Community. Von der Redaktion und von Barbara selbst wurde der Brief natürlich komplett ignoriert.

Barbara hat sich nicht bei denen entschuldigt, die sich vielleicht durch ihr Video verletzt gefühlt haben. Was diese Geschichte zeigt, ist, es gibt nicht nur den ‚alten weißen Mann‘, sondern auch die ‚alte weiße Frau‘. Und damit möchte ich nicht auf ihr Alter anspielen, sondern auf ihr Gefühl von Überlegenheit.“

„Warum sollte man irgendjemandem verbieten, sich zu schminken?“

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Maximilian wird nicht nur in seinem Gesicht kreativ, sondern arbeitet auch in der Kreativ-Branche.

Foto: Privat

Maxilimian ist 27 Jahre alt und arbeitet als Illustrator:

„Das Video hat mich ziemlich verwirrt und enttäuscht. Ich habe Barbara Schöneberger nicht unbedingt intensiv verfolgt, ihr aber nicht ein so offen antifeministisches Statement zugetraut. Warum sollte man irgendjemandem verbieten, sich zu schminken? Das macht einfach keinen Sinn. Ihr Reaktionsvideo war da auch nicht hilfreich. Darin lässt sie durchblicken, dass sie sich hauptsächlich von dem Vorwurf der Homophobie distanzieren möchte und die ‚bunten Jungs‘ nicht angreifen wollte und dass das nicht politisch gemeint gewesen sei.

Dabei haben Aussehen und Mode nichts mit Geschlecht und erst recht nichts mit Sexualität zu tun. Trotzdem werden bei geschminkten Männern zu fast 100 Prozent erstmal Rückschlüsse auf die Sexualität gezogen – die aber nicht unbedingt richtig sein müssen. Ich habe vor ein paar Jahren damit angefangen, meine Nägel zu lackieren, Ohrringe und Schmuck zu tragen und mir Klamotten danach auszusuchen, ob sie mir gefallen, und nicht danach, in welcher Abteilung sie hängen. Das konnte ich aber nur, weil ich zu der Zeit ein Umfeld hatte, das mich dabei unterstützte. Bei vielen meiner Freunde ist es nichts Besonderes mehr, aber ich weiß auch, dass viele Menschen ohne diese Unterstützung bei ihrer Selbstentwicklung zurecht kommen müssen.

Eigentlich schminke ich mich einfach, weil es mir gefällt, meinen Körper und mein Aussehen zu gestalten. Ich sehe es aber auch als politischen Akt. So helfe ich auch, aktiv mitzuhelfen, die Abwertung und Sexualisierung vermeintlicher ‚Weiblichkeit‘ zu bekämpfen und neu zu prägen. 

Man merkt auf jeden Fall, dass es noch ‚ein Ding‘ ist. Vor allem auf der Straße oder in der Bahn werden meine Outfits kommentiert. Das zeigt, wie wichtig den meisten Menschen eine klare, optische Unterscheidung der Geschlechter ist. Die Reaktionen hindern mich aber auch ein bisschen daran, geschminkt aus dem Haus zu gehen. Wenn ich das mache, dann eher wenn ich zu Partys und Orten gehe, von denen ich schon vorher weiß, dass sie ein aufgeschlossenes Umfeld bieten.“

Mir wurden schon weit schlimmere Sachen an den Kopf geworfen“

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Theo Vanity verdient mit seinen Make-up-Tipps sogar Geld.

Foto: privat

Theo Vanity ist 20 Jahre alt und arbeitet als Influencer und Friseur-Auszubildender:

„Das Video von Barbara Schöneberger habe ich ziemlich neutral aufgenommen. Sie hat Männern nicht verboten, sich zu schminken. Es ist nur ihre Ansicht, deshalb habe ich es nicht als Diskriminierung verstanden. Mir wurden schon weitaus schlimmere Sachen an den Kopf geworfen, deshalb hat mich das Video nicht persönlich verletzt. Ich bin da gefestigt. Ich muss mich nicht verändern, weil Barbara Schöneberger so etwas denkt. Allerdings könnte ich mir vorstellen, dass rein heterosexuelle Männer, die vielleicht nur ein wenig Abdeckstift benutzen, sich stärker angegriffen fühlen. Trotzdem: Vielleicht war das Video gar nicht so schlecht, weil es den Zusammenhalt der Community gezeigt hat.

Was mich viel mehr stört: Unter dem Video von Barbara Schöneberger habe ich mich bereits zwei Mal geäußert, beide Male wurde mein Kommentar gelöscht. Kollegen von mir ist es auch so gegangen. Dabei habe ich nur geschrieben, dass das eine nicht so intelligente Aussage von Schöneberger war – also nichts Beleidigendes.

Ich schminke mich, seit ich 17 Jahre alt bin. In meinem Umfeld bin ich der einzige Junge, der das macht. Ich falle auf, aber meine Familie und meine Freunde finden das gut. Das hätte ich am Anfang auch nicht gedacht, weil ich immer mit dem Schlimmsten gerechnet habe. Aber jetzt, da mir auch durch Social Media viele Türen offenstehen, kommt es gut an. Viele sehen, dass man damit etwas erreichen kann. In meiner Ausbildung als Friseur ecke ich mit meinem Aussehen nicht an. Dort kannte mich nie jemand anders, deswegen ist das für meine Kollegen normal. Ich benutze Make-up, weil es Spaß macht, sich zu verändern. Einen richtigen Grund habe ich dafür nicht.“

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