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Männerkolumne: Was bedeutet Männlichkeit für den „Prince Charming“ in der ersten schwulen Datingshow Nicolas Puschmann?
„Groß, stark und mächtig“ – in dieses Bild muss heute kein Mann mehr passen. Aber was kommt stattdessen? Das haben wir uns für diese Männerkolumne von alten und jungen, bekannten und ganz normalen Männern erzählen lassen. Folge 10: Nicolas Puschmann, 29, wurde vor allem bekannt durch seine Rolle als „Prince Charming“ in der ersten schwulen Datingshow Deutschlands. Der Weg dorthin war für ihn nicht immer leicht. Mit 15 Jahren outete er sich. Heute lebt er sein Leben ganz nach den eigenen Vorstellungen und versucht, Vorurteile gegen Homosexuelle aus dem Weg zu räumen.
Was bedeutet für dich Mannsein im Jahr 2020?
Ich glaube, dass die Grenzen zwischen Mann und Frau immer mehr verschwimmen. Auch Männer dürfen heutzutage Elternzeit nehmen, während die Frau arbeiten geht und sie dürfen genauso viel Zeit und Aufwand in die Körperpflege investieren wie Frauen. Dennoch gibt es auch Dinge, in denen sich Mann und Frau nach wie vor unterscheiden. Am auffälligsten ist das, wenn es um die Art der Kommunikation geht. Ich denke, Frauen tauschen sich viel emotionaler und intensiver in ihren Mädelsrunden über ihre Probleme aus als Männer es wiederum mit ihren Kumpels tun. Männer sind oft wesentlich rationaler und wollen auch nicht unbedingt Schwäche zeigen.
Ich selbst habe beim Dreh von „Prince Charming“ im vergangenen Herbst nicht darauf geachtet, welches Bild von Männlichkeit ich darstelle. Ich habe mich einfach so gegeben, wie ich bin. Aber ich würde schon sagen, dass ich ein Mann bin (lacht). Bei der Wahl meines Partners ist mir vor allem wichtig, dass wir auf Augenhöhe sind und den gleichen Humor haben. Sicherlich möchte man sich in den Armen seines Partners auch geborgen fühlen oder sucht vielleicht nach einem Beschützer. Da ticken Homosexuelle und Hetero-Frauen wohl häufig sehr ähnlich.
Durch meine Rolle als „Prince Charming“ habe ich sicherlich für einige Männer eine Vorbildfunktion bekommen und konnte den Leuten so Mut machen, zu sich und ihrer Homosexualität zu stehen. Mir war es immer wichtig, zu zeigen: Du hast nur dieses Leben, nutze es, denn es ist kostbar. Du kannst es so gestalten, wie du möchtest – egal, was deine Eltern sagen. Natürlich haben sie dir das Leben geschenkt und wollen dir gewisse Werte mitgeben, doch was du letztlich daraus machst, ist allein deine Sache. Und ich glaube, sein Leben nach den eigenen Vorstellungen zu leben, ist 2020 auch gut möglich. Durch die TV-Sendung habe ich auch viele Danksagungen von Menschen bekommen, die sich endlich getraut haben, sich zu outen oder die sich nun für das Thema Homosexualität sensibilisiert fühlen. Vielen war nicht klar, was es eigentlich bedeutet, ein Coming-Out zu haben, wie schwer das ist und was für Schicksale das leider immer noch mit sich bringt.
Auch für mich war das damals nicht leicht. Ich habe bereits in der Schule gemerkt, dass ich anders bin als meine Mitschüler. Es hat einige Jahre gedauert, bis ich mir eingestanden habe, dass ich homosexuell bin. Dann habe ich mich immer gefragt: „Warum kann ich nicht einfach ‚normal‘ sein? Warum muss ich diesen besonderen, vielleicht auch etwas steinigeren und weniger akzeptierten Weg gehen?“ Mit 15 Jahren hatte ich dann keine Lust mehr, mich selbst zu verleugnen und habe es meinem Umfeld erzählt. Meine Familie hat es zum Glück gut aufgenommen und mich unterstützt.
Ist heute alles besser?
In Bezug auf Homosexualität fehlt es nach wie vor an Aufklärungsarbeit, um Vorurteile aus dem Weg zu räumen. Ich bemerke immer wieder, wie viel man mit lockeren Gesprächen bereits erreichen kann. Wenn ich beispielsweise mit Leuten spreche, die noch nie in Kontakt mit Homosexuellen gekommen sind, reagieren diese meist mit Aussagen wie: „Mensch, wir wussten gar nicht, dass ein Homosexueller auch so cool drauf sein kann!“ Da fasst man sich natürlich an den Kopf und denkt sich: Haben die das gerade wirklich gesagt?! Aber man muss sich auch immer eingestehen, dass man selbst jahrelang Zeit hatte, sich damit auseinander zu setzen. Etwas Zeit müssen also auch die anderen bekommen.
Auch in der Sprache zeigt sich oft noch die mangelnde Aufklärung. Die Worte „Schwuchtel“ oder „schwul“ werden leider immer noch mit etwas Schlechtem gleichgesetzt und gelten als Beleidigung. Das muss aufhören. Gut fand ich daher die Kampagne #dudenistschwul. Dabei ging es darum, dass das Wort „schwul“ im Duden aktuell unter anderem wie folgt erklärt wird: „Die Klassenfahrt ist voll schwul“. So ein Beispiel hilft uns Homosexuellen natürlich überhaupt nicht. Der Podcast „schwanz&ehrlich“ hat daher angeregt, dass ein Hinweis im Duden integriert wird, der kennzeichnet, dass es sich hierbei um ein diskriminierendes Adjektiv handelt, das vermieden werden sollte.
Was meiner Meinung den Horizont vieler Menschen erweitern würde, wäre eine entsprechende sexuelle Aufklärung in der Schule. Mir wurde damals nicht beigebracht, dass es auch Liebe zwischen gleichgeschlechtlichen Menschen gibt. Das sollte sich unbedingt ändern, denn ich musste damals alles eigenständig in Erfahrung bringen.
Und auch das Schubladendenken muss aufhören. In einer gleichgeschlechtlichen Beziehung bekommt man oft zu hören, wer denn nun der Mann und wer die Frau sei. Dazu kann ich nur sagen, dass ich ein Mann bin und einen Penis habe, genauso wie mein Partner ein Mann ist und einen Penis hat. Das heißt, wir sind zwei Männer – von uns kann keiner eine Frau sein. Die Leute denken aber dennoch, dass es immer die eine und die andere Rolle geben muss.
Wie stehst du zu #metoo?
Ich finde es eine spannende Entwicklung, dass dieser Hashtag entstanden ist und er mittlerweile auch so bekannt ist. Besonders für Frauen ist es gut, dass sie somit ein „Schutzwort“ haben. Wer Diskriminierung oder Sexismus erlebt, dem fällt es oft schwer, sich jemandem anzuvertrauen. Unter dem Hashtag findet man jetzt aber schnell Verbündete und das ist sehr wichtig. Die Männer müssen wiederum Grenzen einhalten und dafür sorgen, dass dieser Hashtag erst gar nicht zum Einsatz kommen muss. Das gilt sowohl für Heterosexuelle oder auch für Homosexuelle.
In der Schwulen-Community ist es allerdings so, dass wir eh alle sehr touchy sind und uns generell schnell mal an die Schulter fassen oder auf den Po klatschen – alles oft auch mit einem Augenzwinkern. Man könnte also sagen, dass #metoo bei uns theoretisch 24/7 anwendbar wäre, das Ganze wird jedoch in dem Fall oft nicht als sexuelle Belästigung angesehen. Mir fällt auch immer wieder auf, dass ich mir als Homosexueller bei Frauen mehr „erlauben“ kann. Heißt: Wenn ich der Arbeitskollegin aus Spaß mal auf den Po haue, dann lachen wir alle darüber. Das können sich Hetero-Männer oft nicht erlauben. Aber es gibt sicherlich auch Homosexuelle, die es damit dann übertreiben, weil sie denken, es wäre ja okay, da sie eh eine andere sexuelle Orientierung haben. Das ist aber absolut nicht in Ordnung.