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„Beim Flirten ist man als Mann meist gezwungen, offensiv zu sein“

Foto: privat; Bearbeitung: jetzt

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„Groß, stark und mächtig“ — in dieses Bild muss heute kein Mann mehr passen. Aber was kommt stattdessen? Das haben wir uns von alten und jungen, bekannten und ganz normalen Männer erzählen lassen. Jede Woche Donnerstag stellen wir hier einen vor. Folge 2: Philipp, 23, lebt in der Nähe von Köln und studiert Asienwissenschaften.

Was bedeutet für dich Männlichkeit?

Männlichsein ist vor allem eine Frage der Konventionen. Für mich als Mann ist es echt schwer, mich von ihnen frei zu machen. Ich hätte zum Beispiel gerne mehr Muskeln, vor allem am Oberkörper. Damit jeder weiß, dass ich stark bin und diszipliniert. So Muckis kommen ja nicht von allein. Sie sind einfach ein Statussymbol für Männer, ungefähr so wie für Frauen die langen Haare. Und dann ist da noch die Sache mit der Entschlusskraft. Man sagt ja: „Ein echter Mann weiß, was er will“. Und ich weiß es eben oft nicht. Ich sollte entschlossener sein, öfter die Initiative ergreifen, Entscheidungen treffen. Darin bin ich echt schlecht. Ich habe zum Beispiel öfter mein Studienfach gewechselt, weil ich einfach nicht wusste, wo ich hinwill im Leben. Das hat mich echt genervt.

Auch beim Flirten ist man als Mann meist gezwungen, offensiv zu sein. Ich fände es echt toll, wenn Frauen da aktiver wären und auf mich zukommen würden. Aber ich habe das Gefühl, die warten immer ab, was der Typ macht, statt selber den ersten Schritt zu gehen.

Wie stehst du zu #metoo?

Dieses Passive bei Frauen macht das Flirten vor allem seit #metoo nicht einfacher. Ich weiß zum Beispiel nie, ob ich in so einer Situation, wenn ich auf eine Frau zugehe, als eine Art krass übergriffiger Pick-up-Artist wahrgenommen werde. Es kamen wirklich viele schlimme Sachen bei #metoo raus, und ich finde die Debatte wahnsinnig wichtig. Aber irgendwie hat sie dazu geführt, dass ich es mir jetzt drei Mal überlege, ob ich zu einer Frau was Nettes sage. Dabei finde ich tief in mir drin eigentlich nicht, dass sich irgendwer wegen eines Kompliments angegriffen fühlen müsste. Dazu kommt, dass Frauen oft erwarten, dass man ihre Gedanken liest. Es wäre wirklich hilfreich, wenn eine Frau in einer Flirtsituation direkt sagen würde, wenn sie keinen Bock auf einen hat, statt dass sie plötzlich aufs Klo muss. So würde viele Missverständnisse gar nicht erst entstehen.

In der letzten Zeit wird auch oft gefordert, dass Männer jetzt die Klappe halten sollen, weil sie eh schon viel zu lange den Diskurs bestimmt haben. Aber obwohl ich all den Unmut wirklich nachvollziehen kann, kann die Lösung doch nicht sein, Repressionen, die Frauen erlitten haben, jetzt an Männer weiterzugeben.

Ist heute alles besser?

Vermutlich habe ich ziemliches Glück gehabt, dass ich in einer Zeit wie dieser aufwachse: Es gibt so wenige soziale Zwänge wie nie, wir haben individuelle Freiheiten ohne Ende, unsere Gesellschaft ist toleranter geworden. Das hat für alle Geschlechter nur Vorteile, denn man muss nichts mehr tun, nur, weil man zufällig als Frau oder Mann geboren ist. Natürlich hatten Männer im Vergleich zu Frauen früher mehr Macht und andere Privilegien als heute, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendwer, der wirklich bei Trost ist, dem nachtrauert.

Zum Beispiel ist es für mich völlig selbstverständlich, mich auch an der Erziehung meiner Kinder zu beteiligen, wenn ich irgendwann mal welche habe. Das war in der Zeit der Jäger und Sammler zum Beispiel überhaupt nicht vorgesehen. Ich glaube, aus dieser Zeit kommt es auch noch, dass Frauen mehr im Haushalt machen als Männer. Das soll nicht bedeuten, dass ich das super finde und meiner Freundin die ganze Hausarbeit aufbrummen würden. Aber wenn ich mir die Wohnungen meiner Single-Freunde mit denen meiner Single-Freundinnen vergleiche, dann ist der Unterschied schon enorm. Wir leben aber nicht mehr in der Steinzeit und sind in der Lage, an uns zu arbeiten, wenn wir etwas verändern wollen.

Meiner Meinung nach sollte das Geschlecht überhaupt keine große Rolle spielen, sondern der Mensch im Vordergrund stehen. Ich glaube zwar nicht, dass alle Unterschiede zwischen Männern und Frauen reine Sozialisierungssache sind, aber in ihren Rechten und in ihrer Wertigkeit dürfen sie sich nicht unterscheiden.

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