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Männerkolumne Folge 1: Der Influencer Justus Frederic Hansen
„Groß, stark und mächtig“ — in dieses Bild muss heute kein Mann mehr passen. Aber was kommt stattdessen? Das haben wir uns von alten und jungen, bekannten und ganz normalen Männer erzählen lassen. Jede Woche Donnerstag stellen wir hier einen vor. Folge 1: Der Influencer Justus Frederic Hansen, 28, dem auf Instagram knapp 400 000 Menschen folgen und der dort zeigt, wie Männer von Welt sich heute aus seiner Sicht kleiden sollten. Für die Mode hat er sogar sein Jura-Studium abgebrochen.
„Influencer“ nennt er sich trotzdem nicht gern — schließlich will er die Menschen inspirieren und nicht beeinflussen.
Was bedeutet für dich Männlichkeit?
Was für ein Mensch will ich sein? Diese Frage beschäftigt mich sehr. Die Generation meines Vaters ist so anders als meine, dass ich innerlich oft abgleiche: Was ist das Alte, was ist das Neue, und wo will ich mich da selbst positionieren? Ich glaube, es ist wichtig, dass wir jungen Männer uns neue Prinzipien und Werte zulegen und auch nach ihnen handeln. Für mich spielt zum Beispiel Respekt eine große Rolle. Ich beobachte so oft, dass Menschen aufgrund ihres Aussehens, Geschlechts oder ihrer gesellschaftlichen Stellung nicht so behandelt werden, wie sie es verdienen. Ein ganz einfacher Gradmesser für mich ist immer, wie jemand mit Dienstleistern umgeht. Neulich habe ich einen tollen Mann kennengelernt, und ich dachte: Mit dem will ich unbedingt befreundet sein! Aber dann hat er eine Kellnerin im Restaurant auf so eine unmögliche Art und Weise angeblafft, dass ich dachte: Nee, geht nicht. Das ist zwar nichts, das speziell ans Mannsein gebunden ist, aber vor allem Männer scheinen gern mal den Respekt vor ihren Mitmenschen zu vergessen.
Wie stehst du zu #metoo?
Grade ältere Typen oder solche in Machtpositionen denken, ihnen gehört die Welt. Klar, dass die dann nicht mehr darüber nachdenken, ob sie Frauen, die ihnen auf irgendeine Weise unterstellt sind, noch angemessen behandeln. Aber auch sonst gibt es viele Männer, die es total normal finden, Frauen im Club anzugrapschen oder ihnen einen Spruch zu drücken. Darum war ich regelrecht froh über die Debatte, die #metoo losgetreten hat. So hatte irgendwann auch der letzte Trottel davon gehört, dass man sich so nicht zu benehmen hat. In diesen Dingen kann es einfach keine Zweideutigkeit geben, und wenn ein Mann weiter macht, obwohl die Frau das nicht will, dann handelt er falsch. So etwas muss dann auch juristisch geahndet werden.
Überhaupt bin ich überzeugt davon, dass die allermeisten Fälle, in denen jemand eines Übergriffs beschuldigt wird, der Wahrheit entsprechen. Sexuelle Gewalt ist so etwas schreckliches — warum sollten sich Frauen solche Storys aus purer Boshaftigkeit ausdenken? Diesen Gedanken, der auffallend oft von älteren Männer kommt, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Wer mal beobachtet hat, wie aggressiv Männer zum Teil flirten und sogar über mehrmalige „Neins“ hinweggehen, der weiß, dass da etwas dran sein muss.
Für mich ist es total selbstverständlich, immer auf die Reaktionen meines Gegenübers zu achten. Und genau so sollte das jeder Mann handhaben, dann braucht auch niemand Angst vor Falschbeschuldigung zu haben.
Ist heute alles besser?
Von uns Männern braucht sich niemand zu beschweren: Es läuft immer besser für uns. Früher war man gefangen in seinem eigenen Lebenslauf. Da lernte man einen Beruf, und den übte man bis zum Ende aus, selbst wenn man ihn gehasst hat. Heute haben wir die Chance, uns jeden Tag neu zu erfinden. Und das Beste ist: Die Frauen können das auch! Damit werden sie zwar zu unseren Konkurrentinnen auf dem Arbeitsmarkt, aber erstens müssen wir über die Richtigkeit von Chancengleichheit nicht diskutieren, und zweitens bringt das auch für uns Männer einen großen Vorteil: Wir müssen die Brötchen nicht mehr alleine verdienen. Wenn wir wollen, können wir sogar ganz zu Hause bleiben und uns um Haushalt und Kinder kümmern. Das wäre noch eine Generation zuvor kaum möglich gewesen.
Aktuell gucke ich eine zwanzigstündige Vietnam-Doku; damals mussten alle harte Kerle sein. Einer der Protagonisten wollte gar nicht in den Krieg ziehen, aber er wusste, dass alle ihn für einen Feigling halten würden. Also hat er es gemacht — und fiel am Ende natürlich. Der gesellschaftliche Druck, eine bestimmte Art von Männlichkeit zu leben, war damals riesig. Und obwohl wir heute in so vielen Bereichen so viel freier sind, gibt es immer noch eine Menge Geschlechterklischees. Dass sich zum Beispiel ein Hetero-Mann wie ich ernsthaft für Mode interessiert, können sich nur wenige vorstellen. Darum werde ich auch meistens für schwul gehalten, und den Freund, mit dem ich zusammen wohne, erklärt man zu meinem Partner. Mir macht das nichts aus, aber es zeigt, wie viele Menschen in Schubladen denken.
Wäre ich tatsächlich schwul, hätte ich wahnsinniges Glück, in der heutigen Zeit zu leben. Wir sind schließlich so frei wie nie, in jeder Hinsicht. Aber diese Freiheit ist auch eine Bürde. Denn wenn theoretisch jeder alles erreichen kann, erzeugt das auch einen wahnsinnigen Druck, etwas aus sich zu machen. All die vielen Optionen, die wir heute haben, verleiten dazu, sich nicht wirklich festzulegen. Mein Vater hat mit 19 bei der Bank angefangen, geheiratet, drei Kinder bekommen und ein Haus gekauft. Und er ist immer noch glücklich mit meiner Mutter. Es ging ihm nie viel um Selbstverwirklichung, sondern darum, dass es der Familie gut geht. Meine Generation dreht sich hauptsächlich um sich selbst. Das ist etwas, das ich perspektivisch gern hinter mir lassen würde. Und mein Vater ist mir da ein großes Vorbild.