- • Startseite
- • Gender
-
•
LGBTQ in der Polizei: Interview mit Marco Klingberg vom Verband lesbischer und schwuler Polizeibediensteter
Am vergangenen Wochenende hat die Berliner Polizei anlässlich des CSD ihr Twitter-Profilbild mit einer Regenbogenflagge hinterlegt. Der Verein „Unabhängige in der Polizei“, eine Personalvertretung für Berliner Polizist*innen, twitterte daraufhin, die „Regenbogenflagge hinter amtlichen Wappen“ sei ein „klarer Verstoß gegen das Neutralitätsgebot“. Die Polizei Berlin konterte: „Ein Bekenntnis zu Werten wie Respekt, Mitmenschlichkeit, Gleichberechtigung und Toleranz schließt Neutralität nicht aus. “ Unterstützt wurde sie unter anderem vom Berliner SPD-Abgeordneten Tom Schreiber.
Es wird also wieder mal darüber diskutiert, wie offen die Polizei gegenüber Homo-, Bi- und Transsexuellen ist oder sein will. Einerseits taucht die Regenbogenflagge hinter dem Polizei-Wappen auf und die Bundespolizeidirektion München war dieses Jahr zum ersten Mal offiziell beim CSD vertreten. Andererseits machen schwule, lesbische oder transsexuelle Polizist*innen auch heute noch Diskriminierungserfahrungen im Job.
Hilfe finden sie unter anderem beim „Verband lesbischer und schwuler Polizeibediensteter in Deutschland“ (VelsPol). Marco Klingberg, 48, ist Polizeikommissar in Brandenburg, Vorsitzender des VelsPol Brandenburg und offizieller „Ansprechpartner für gleichgeschlechtliche Lebensweisen“ seines Präsidiums. Wie bewertet er die Diskussion um die Regenbogenflagge? Und wie hat sich der Umgang mit LGBTQ bei der Polizei in den vergangenen 30 Jahren entwickelt?
jetzt: Verletzt eine Regenbogenflagge hinter dem amtlichen Wappen aus Ihrer Sicht die Neutralitätspflicht?
Marco Klingberg: Ich kann den Vorwurf nicht nachvollziehen. Eine Parteifahne oder das Logo einer Gewerkschaft würde gegen das Neutralitätsgebot verstoßen. Aber mit der Regenbogenflagge zeigt man ja nicht, dass man sich für irgendeine Lobby einsetzt, sondern für Menschenrechte. Die Berliner Polizei wollte signalisieren, dass sie offen und vielfältig ist, dass jeder, egal ob lesbisch, schwul, bi oder trans Polizist*in sein kann. Die Regenbogenfahne wird außerdem schon seit Jahren vor Polizeidienststellen gehisst, zum Beispiel zum CSD oder zum 17. Mai (dem internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie, Anm. d. Red.).
„Lesbische, schwule oder bisexuelle Kolleg*innen haben oft weniger gute Karrierechancen“
Konnten Sie im Job immer offen mit Ihrer Homosexualität umgehen?
Ich habe 1989 bei der Polizei angefangen und mich 1992 im Job geoutet. Es kann sein, dass hinter meinem Rücken mal geredet wurde, aber Diskriminierungserfahrungen habe ich seitdem nie gemacht.
Das ging und geht manchen sicher anders.
Natürlich gibt es Fälle, in denen Kolleg*innen diskriminiert worden sind. Das war in den Neunzigern noch stärker so als heute. Damals wurde die Arbeit der entsprechenden Kolleg*innen schlecht gemacht, niemand wollte mit ihnen Streife fahren, es wurden oft blöde Sprüche geklopft und lesbische Polizistinnen sind sexuell belästigt worden.
Marco Klingberg ist seit 30 Jahren im Polizeidienst.
Und heute?
Lesbische, schwule oder bisexuelle Kolleg*innen haben oft weniger gute Karrierechancen, sie warten länger auf eine Beförderung oder werden gar nicht berücksichtigt. Aber das ist natürlich sehr schwer nachzuweisen. Auch blöde Sprüche werden noch gemacht: Da heißt es dann vom Einsatzleiter einer geschlossenen Einheit, man bräuchte extra Unterkünfte für die homosexuellen Kollegen oder dass Transmänner nicht mit in die Männer-Umkleideräume gehen sollen. Das zeugt von großer Unwissenheit. Diese Vorgesetzten wissen nicht, wie sie mit dem Thema umgehen sollen.
Wird dagegen etwas unternommen?
An den Polizeischulen gibt es Aus- und Fortbildungen zu LSBTI*-Belangen, um für das Thema zu sensibilisieren. Ich gebe zum Beispiel entsprechende Kurse an der Hochschule der Polizei in Oranienburg. Bisher sind die freiwillig, aber wir arbeiten daran, dass sie in die verpflichtenden Lehrpläne aufgenommen werden.
„Früher hieß es von der Polizeiführung: Wir haben keine Lesben und Schwulen in der Polizei“
Sie sind „Ansprechpartner für gleichgeschlechtliche Lebensweisen“ für die Polizei Brandenburg. Gibt es dieses Amt in allen Polizeidienststellen?
Nein, in Sachsen und Bayern zum Beispiel bisher nicht. Wir haben mit unserem Verein lange dafür gekämpft, dass diese Ansprechpersonen überhaupt eingeführt werden. Früher hieß es von der Polizeiführung dazu immer: „Das brauchen wir nicht, wir haben ja keine Lesben und Schwulen in der Polizei.“ Nach und nach wurden sie aber immer offener. Vor allem die rechtliche Gleichstellung für Homosexuelle seit 2001 hat in dieser Richtung noch mal viel bewirkt (2001 wurde die Eingetragene Lebenspartnerschaft für homosexuelle Paare möglich, die gleichgeschlechtliche Ehe im Oktober 2017, Anm. d. Red.).
Der VelsPol unterstützt auch Opfer homo- und transphober Gewalt. Inwiefern?
20 Prozent aller LSBTI*-Menschen sind schon einmal Opfer einer solchen Straftat geworden. Von denen trauen sich aber nur zehn Prozent, Anzeige zu erstatten. Das wollen wir ändern. Opfer können sich bei uns melden und wir klären auf, wie man eine Anzeige macht und wie ein Strafverfahren abläuft. Gemeinsam mit dem Projekt „100 % Mensch” haben wir die Kampagne „Zeig sie an!“ gestartet und einen Flyer mit wichtigen Infos zusammengestellt: Was genau ist Hasskriminalität? Was kann alles angezeigt werden? Wo finde ich Hilfe?
Warum werden so wenige Taten angezeigt?
Solange es den Paragrafen 175 gab (ein Paragraf im deutschen Strafgesetzbuch, der sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte; Anm. d. Red.), war die Polizei ein Verfolgungsorgan. Als er 1994 gestrichen wurde, war das Vertrauen der Community in die Polizei natürlich längst noch nicht da. Darum ist das Hissen der Regenbogenfahne vor einer Dienststelle oder im Twitter-Profil auch so ein wichtiges Signal in die Community hinein: Wenn du Opfer einer homo- oder transphoben Straftat geworden bist, kannst du dich an die Polizei wenden!