Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Sollte ich als Frau Rosen am Weltfrauentag ablehnen?

Foto: Evanolupo / Photocase / Bearbeitung: jetzt

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Frauen bekommen Rosen und Schokolade, Mode- und Schmucklabels locken „Damen“ mit Rabatten beim Online-Shopping. Anstatt die Gleichstellung im Alltag umzusetzen, werden Frauen am 8. März teils scheinheilig umsorgt und angeblich in den Mittelpunkt gestellt. Putzmittel, Windeln, Sekt und Rasierer sind im Angebot.

Ursprünglich von den Sozialdemokratinnen Clara Zetkin und Käte Duncker 1911 ins Leben gerufen, wird der Tag in Deutschland heute oft kommerziell verunglimpft. Neben dem Frauenwahlrecht forderten die Aktivistinnen Anfang des 20. Jahrhunderts kürzere Arbeitszeiten sowie höhere Löhne. Auch wenn vieles in der Zwischenzeit besser geworden ist, gibt es gerade bei der Bezahlung immer noch gravierende Unterschiede zwischen Männern und Frauen.

Anstatt am Weltfrauentag die Diskriminierung von Frauen zu thematisieren, werden vielerorts Blumen und Pralinen verteilt.

Doch wie umgehen mit diesen Geschenken, die – das unterstellen wir jetzt einfach mal -  häufig sicherlich nett gemeint sind?

Die Sozialpsychologin Stefanie Hechler forscht an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena zu den Themen Moral, Gerechtigkeit, Stereotype und Vorurteile.

interview stephanie hechler annegret gu nther universita t jena

Foto: Annegret Günther, Universität Jena

jetzt: Sind Geschenke wie Blumen und Schokolade am Weltfrauentag generell schlecht?

Stefanie Hechler: Also als generell schlecht würde ich solche Gesten nicht bezeichnen. Sie können durchaus ein Zeichen von Anerkennung sein. Die Frage ist viel mehr als welches Zeichen sie verstanden werden. Blumen sind natürlich ein sehr ambivalentes Beispiel. Zum einen werden sie etwa bei Wahlen übergeben, um die Person zu beglückwünschen. Zum anderen werden sie am Weltfrauentag jedoch schnell Ausdruck von weiblicher Vulnerabilität.

„Wenn die Frau die Blumen in diesem Moment als sexistisches Symbol versteht, sollten sie auf jeden Fall abgelehnt werden“

Blumen werden zum Ausdruck weiblicher Vulnerabilität, was meinst du damit genau?

Dieser Ausdruck wird vom gesellschaftlichem Kontext gesprägt, in dem Blumen „typische“ Geschenke für Frauen darstellen. Das ist vor allem der Fall, wenn sie im Kontrast zu „typischen“ Männertagsgeschenken betrachtet werden, also zum Beispiel Krawatten. Blumen für Frauen könnten mit Eigenschaften wie Schutzbedürftigkeit, Schönheit, Reinheit und Weichheit in Beziehung gebracht werden. Das sind Merkmale des benevolenten Sexismus, der Statusunterschiede zwischen Männern und Frauen legitimiert und aufrechterhält. Zudem können ständige subtile Erinnerungen an den Stereotyp von Frauen auch Selbststereotypisierung (Frauen verhalten sich so, wie es von ihnen erwartet wird) und Bedrohung durch Stereotype (Leistungsminderung aufgrund von Stereotypen) nach sich ziehen.

Sollten wir die Blumen also ablehnen?

Das liegt ganz an der jeweiligen Frau. Wenn sie die Blumen in diesem Moment als sexistisches Symbol versteht, sollten sie auf jeden Fall abgelehnt werden. Ist es jedoch eine starke, selbstbewusste Frau, die eine Strauß als Auszeichnung für ihre Tätigkeiten auffasst, dann sollte dieser angenommen werden. Würde meine Chefin mir beispielsweise Blumen als Zeichen ihrer Anerkennung geben, würde ich diese annehmen. Jedoch werden Geschenke am Weltfrauentag von den Sender*innen noch allzu oft mit den weiblichen Stereotype wie weich, zart und schutzbedürftig verbunden. Ganz klar gilt, wenn ich die Geste als negativ empfinde, sollte sie abgelehnt werden!

„Warum bekommen Männer immer Bier geschenkt und Frauen Rosen? Hier zeigt sich eine enorme geschlechtsspezifische Prägung“

Kann es überhaupt feministische Geschenke anlässlich des Weltfrauentags geben?

Ja, kann es. Nämlich dann, wenn sowohl Sender*in als auch Empfängerin das Präsent als eine Aufmerksamkeit, eine Anerkennung, sehen. Ich frage mich eher, ob Blumen die richtige Wahl sind? Warum bekommen Männer immer Bier geschenkt und Frauen Rosen? Hier zeigt sich eine enorme geschlechtsspezifische Prägung.

Wie stehst du zu anderen Aktionen am Weltfrauentag?

Es kommt sehr auf die Message der jeweiligen Aktion an. Der Grundgedanke des Weltfrauentags ist gut – unsere Gesellschaft beschäftigt sich mit der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern. Es werden Normen diskutiert, die in der heutigen Zeit gelten sollten. Auf diese Ungleichheit sollte allerdings nicht mit Präsenten aufmerksam gemacht werden, die eine sexistische Einstellung unterstützen – also etwa Rabattcodes für Putzmittel, Küchengeräte, Windeln und Co.

Was wäre für dich ein gutes Geschen?

Ich persönlich würde mich ganz einfach über Anerkennung meiner Leistungen und Zugeständnisse zur Gleichberechtigung freuen. Das muss nicht in einem Geschenk ausgedrückt werden, sondern kann ganz einfach direkt gesagt werden.

  • teilen
  • schließen