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Fotoprojekt „MILK“ von Sophie Harris-Taylor will stillende Mütter realistisch zeigen
Der Säugling liegt ruhig in den Armen seiner Mutter. Beide lächeln sanft und zufrieden. Es ist eine ebenso schöne wie verbreitete Vorstellung des Stillens. Dass der Alltag oft anders aussieht, können die meisten Mütter bestätigen. Auch die Londoner Fotografin Sophie Harris-Taylor. Für ihr neues Foto-Projekt „MILK“ rückt sie deshalb stillende Frauen in den Fokus.
Den Anstoß zum Projekt gaben Erlebnisse mit ihrem eigenen Sohn, wie die 31-Jährige erzählt: „Bevor ich Mutter wurde, hatte ich nicht wirklich über das Stillen nachgedacht. Der einzige Vergleich, den ich hatte, waren madonna-ähnliche Abbildungen. Nach der Geburt bekam ich sofort ein völlig anderes Bild.“ Insgesamt interviewte Sophie im vergangenen Jahr mehr als 20 Frauen und fotografierte sie beim Stillen ihrer Kinder. Die Bilder entstanden bei den Familien zu Hause. Natürliches Licht, kein Schnickschnack.
„Ich wollte nichts für oder gegen das Stillen schaffen, nur etwas Ehrlicheres“
Die gezeigten Frauen ließen die Fotografin sehr nah an sich heran, gaben neben ihrem Nachwuchs und ihren nackten Körpern auch Erschöpfung, Verzweiflung und Ernüchterung preis. Die Fotos zeigen geschundene Brüste und Milchflecken. Obwohl die Herausforderungen beim Stillen schonungslos offengelegt werden, ist Harris-Taylor eine Sache extrem wichtig: „Ich wollte nichts für oder gegen das Stillen schaffen, nur etwas Ehrlicheres.“
Bei den Aufnahmen seien zu den Familien teils enge Verbindungen entstanden: „Ich denke, es hat wirklich geholfen, diese Beziehung zwischen uns aufzubauen, es gab eine gemeinsame Basis und wir haben unsere Geschichten miteinander geteilt.“ Auch die Fotografin hat sich geöffnet: „Für viele der Aufnahmen habe ich mein Baby mitgebracht, so dass das Ganze in gewisser Weise ziemlich informell und oft ein bisschen chaotisch war!“ Bereits mit ihrem Projekt „Epidermis“, das 2019 Frauen mit unterschiedlichsten Hautkrankheiten zeigte, war es der Londonerin gelungen, ein sensibles Thema ästhetisch in die Öffentlichkeit zu rücken. Das Feingefühl, welches sie damals für die Porträt-Aufnahmen aufbrachte, half nun auch bei der Arbeit an „MILK“.
„Die Bilder des Stillens, die ich gesehen habe, zeigen immer, wie das Baby friedlich in den Armen der Mutter liegt und sich ruhig ernährt.“ (Aisha)
„Bei Raya ist das nicht so. Sie will immer wach und aktiv sein und sie trinkt immer nur ein paar Schlücke, hier und da, während sie über und um mich herum klettert.“ (Aisha)
„Stillen in dem Alter kann eine Herausforderung sein und ich musste Grenzen setzen. Yona kann sehr besitzergreifend werden, was meinen Körper angeht.“ (Anna)
Die fotografierten Mütter hat Sophie über Social Media und in ihrem privaten Umfeld gefunden. Schwer sei es nicht gewesen, sie von der Bedeutung des Projekts zu überzeugen, sagt sie: „Viele der beteiligten Mütter hielten es einfach für wichtig, ihre Erfahrungen zu teilen.“ Sie selbst habe dabei noch einiges gelernt. „Ich dachte, ich wüsste alles, aber jede Frau hatte wirklich ihre eigene Geschichte.“
So ist eine Sammlung extrem intimer Bilder entstanden. Die Corona-Krise nutzt Harris-Taylor nun unter anderem, um Fotos zu sichten und eine finale Auswahl zu treffen. Für die Veröffentlichung von „MILK“ hat die Fotografin einen Wunsch: „Ich würde gerne glauben, dass alle Mütter, die die Fotos sehen, sich in einem Teil der Serie wiederfinden.“
„Man kann zu jedem Vorbereitungskurs gehen, jedes Buch lesen, perfekte Brustwarzen haben und es kann immer noch verdammt schwer sein.“ (Lizzie)
„Für uns war es am Anfang sehr schwierig. Das Einzige, was uns das Stillen ermöglichte, war ein Nippelschutz. Ich habe mich am Anfang geschämt.“ (Bella)
„Fünf Monate später verwende ich ihn immer noch und ich bin so dankbar dafür, weil er mich tatsächlich zum Stillen gebracht hat.“ (Bella)
„Ich mag die Gewissheit, dass alles, was ich gegessen habe - alle Nährstoffe – jetzt an sie weitergegeben werden.“ (Elodie)
„Während meiner Schwangerschaft hatte ich Visionen, wie sehr ich es genießen würde, meine Brust in der Öffentlichkeit ohne Sorge auszupacken.“ (Thea)
„In Wirklichkeit zähle ich die Tage, bis wir mit dem Abstillen beginnen können, und ich bin mir nicht sicher, ob ich es sechs Monate schaffen werde.“ (Thea)
„Ich habe mehr als genug, alles nahrhaft. Auch wenn ich mich nicht magisch fühle, ich bin es! Das Stillen hat mir das gezeigt.“ (Chaneen)
„Mein Bild vom Stillen, bevor ich es persönlich getan hatte, war ein Bild von Einheit und Gelassenheit, etwas, das sich majestätisch entfaltet.“ (Rosie)
„Sechs Monate und unzähliges Stillen später, kann ich sagen, dass es nicht so ist!“ (Rosie)
„Ich glaube nicht, dass die Gesellschaft ausreichend öffentliche Räume zum Stillen bereitstellt. Wir haben das Gefühl, dass das Stillen eher eine öffentliche Unannehmlichkeit als eine natürliche Notwendigkeit ist.“ (Nicole)
„Ich habe das erste Mal in meinem Leben große Porno-Star-Brüste und ein Dekolleté. Das ist ein Bonus!“ (Ludavine)