Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Dieses Fotoprojekt hinterfragt klassische Konzepte von Männlichkeit

Yann und Jarryd wollten von Lisa Strautmann in femininen Kleidern fotografiert werden. Und so erforschen, was Männlichkeit eigentlich (nicht) bedeutet.
Foto: Lisa Strautmann

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Ungewohnt? Radikal? Einfach nur schön? Dass die Bilder, die die Fotografin Lisa Strautmann für ihre Serie „The Next Genderation“ aufgenommen hat, ganz unterschiedliche Assoziationen hervorrufen, ist gewollt. „Genderation“ – ein Mix aus den Worten „Gender“ und „Generation“ sagt dabei schon viel aus über das Projekt, für das die Fotografin die zwei engen Freunde Yann Mbiene und Jarryd Alexander Haynes – beide Schauspieler – in luxuriösen Kleidern inszeniert hat. Die beiden posieren eng und zärtlich. Und brechen so lässig das Bild des starken heterosexuellen Mannes, der engen Körperkontakt mit anderen Männern genauso wie einen Auftritt im Rüschenkleid besser zu vermeiden hat – zumindest, wenn es nach Teilen unserer Gesellschaft geht. 

nextgenderation galerie 7

Zärtlich wie ein Liebespaar – Strautmanns Fotos hinterfragen klassische Konzepte unserer Gesellschaft.

Foto: Lisa Strautmann
nextgenderation galerie 6

Foto: Lisa Strautmann
nextgenderation galerie 8

Foto: Lisa Strautmann
nextgenderation galerie 9

Foto: Lisa Strautmann

Dass allein dieses Einteilen von Kleidung in Mode für „Männer“ und Mode für „Frauen“ zumindest hinterfragbar, wenn nicht sogar schlicht unnötig ist, macht auch das Projekt deutlich. „Degender Fashion“, also Geschlechter-unabhängige Mode, das ist ein Schlachtruf nicht nur von der queeren Community. Denn wieso sollten Menschen nicht einfach tragen, auf was sie Lust haben, ganz ohne dabei auf Labels zu achten? Das dachten sich auch die beiden Protagonisten des Fotoprojekts. Die beiden Schauspieler hatten den ausdrücklichen Wunsch, in sehr femininer Mode fotografiert zu werden. „Sie wollten  ihre vermeintlich feminine Seite und damit das Menschsein als Ganzes erforschen“, sagt die Künstlerin im Interview mit jetzt.  

„Für mich ist die Fotografie mein Ausbruch aus einem relativ eingeschränkten, konservativen Dorfdenken“, sagt Lisa Strautmann, die in einem kleinen Ort in Niedersachsen aufgewachsen ist. In ihren Bildern setzt sie sich vor allem mit Feminismus auseinander, mit Nacktheit und Körperbildern. Sie begreife ihre Fotos als „Rebellion gegen ein eingeschränktes Denken und Fühlen.“ Sie sagt weiter: „Meine innere Motivation ist das Ausbrechen aus einer Sozialisierung, die überholt ist. Die Fotografie ermöglicht mir, Räume im Denken, Fühlen und Sein zu schaffen, die vorher nicht existierten. Das ist enorm befreiend.“

nextgenderation galerie 2

Die beiden Protagonisten sind Schauspieler – und eng befreundet.

Foto: Lisa Strautmann
nextgenderation galerie 4

Foto: Lisa Strautmann
nextgenderation galerie 3

Foto: Lisa Strautmann

Yann Mbiene und Jarryd Alexander Haynes sind heterosexuell, ihre Beziehung rein platonisch. Die Bilder zeigen, wie liebevoll und zärtlich auch eine solche Freundschaft sein kann – werden Männerfreundschaften in den Medien doch sonst eher als Kumpelei zwischen Biertisch und Bolzplatz dargestellt. Körperkontakt? Bitte lieber nicht zu viel! Lisa Strautmanns Bilder setzen unseren Sehgewohnheiten etwas entgegen. Hände legen sich auf ihren Bildern übereinander, Arme um Hüften, Münder an Wangen. „Anhand von Zärtlichkeit, von körperlicher Nähe und anhand des Kleidungsstils kann keine Aussage darüber getroffen werden, welches Geschlecht oder welche sexuelle Orientierung eine Person hat“, sagt Lisa Strautmann.

Lisa Strautmann lebt heute in Hamburg, studierte Sport in Köln und Psychologie in Zürich, aber nie Fotografie. Sie fotografiere schon seit ihrer Jugend, sagt sie, bis 2015 allerdings eher im privaten Kontext. Verändert hat das ein Auslandssemester in Toronto. „Sich unbeobachtet fühlend“, wie sie sagt, entdeckte sie dort die Kunstwelt für sich.  In Toronto waren ihre Werke auch erstmals Teil einer Gruppenausstellung. Gleichzeitig belegte sie viele Schauspielkurse – und machte eine Ausbildung zur Klinik-Clownin. 

nextgenderation galerie 13

Wer bestimmt eigentlich, wie unsere Gesellschaft aussehen soll? Lisa Strautmann will durch ihre Arbeit  zu Fragen anregen.

Foto: Lisa Strautmann
nextgenderation galerie 10

Foto: Lisa Strautmann
nextgenderation galerie 11

Foto: Lisa Strautmann
nextgenderation galerie 12

Foto: Lisa Strautmann

Mit den Bilder will Lisa Strautmann Fragen aufwerfen, mit Sehgewohnheiten brechen, unsere Gesellschaft vielleicht auch ein bisschen verändern. Eines ist ihr aber wichtig, sagt sie: „Ich will nicht belehrend sein. Ich will Fragen stellen durch Fotografie, Fragen aufwerfen, die durch die Bilder vielleicht entstehen. Ich kann  auch für mich nicht ausschließen, dass ich voller Vorurteile sozialisiert wurde, aber ich kann sie hinterfragen.“

Das Projekt ist zweigeteilt. Der erste Teil konzentriert sich auf die Beziehung der beiden Männer zueinander. Weitere Bilder wurden vor Hamburger Statuen fotografiert, die historische Führer wie Wilhelm I. und Bismarck darstellen – also Statuen von Männern, deren damalige Verherrlichung für das heute vorherrschende Männerbild wesentlich ist, so Lisa. Die beiden jungen Männer brechen mit dieser heroischen Stärke. Sie sind weich, intim. Und zeigen: Das ist nicht nur total egal. Sondern richtig gut. 

  • teilen
  • schließen