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Bin ich eine schlechte Feministin, weil ich gerne Hausarbeit mache?
„Hast du das Gefühl, dass dein Freund genauso viel im Haushalt macht wie du?”, fragte mich meine Freundin Yara* (Name von der Redaktion geändert) bei einem Glas Wein eines Abends auf einer Party. Eine gute Frage, auf die ich, zu meiner eigenen Überraschung, nicht direkt eine Antwort hatte. Also ging ich die vergangenen Wochen durch und zählte die Stunden, die mein Freund und ich in den Haushalt gesteckt hatten: Wer hatte zuletzt Wäsche aufgehangen? Ich. Das Bett frisch bezogen? Ich. Staubgesaugt? Auch ich. Die Fenster hat er noch nie geputzt. Oh mein Gott!
Schließlich bezeichne ich mich als Feministin. Habe Simone de Beauvoir gelesen und weiß, dass wir nicht als Frauen zur Welt kommen, sondern zu (Haus-)Frauen gemacht werden. Und trotzdem hatte ich auf unserer gemeinsamen Autofahrt zu der Party mal wieder ganz selbstverständlich auf dem Beifahrersitz Platz genommen. Bis zu Yaras Frage hatte es mich nicht weiter gestört. Jetzt aber geriet meine Überzeugung davon, eine starke, selbstbestimmte und emanzipierte Frau zu sein, plötzlich ins Wanken.
Ich schüttelte den Kopf und antwortete ziemlich enttäuscht: „Gerade kann ich nicht behaupten, dass wir alles gleich viel machen.” Yara warf mir einen abwertenden Blick zu: „Was bist du denn für eine Feministin? Hältst Vorträge und schreibst Artikel über das Thema. Dabei heißt es doch practice what you preach!” Autsch! Das tat weh. Gehörte ich wirklich zu der Sorte Menschen, die ihre Ideale nur vortäuschen? So wie die lässigen Hipsterjungs, die so tun, als würden sie Eigentum ablehnen, dich aber böse angucken, wenn du ihr Duschgel benutzen willst?
„Ich weiß, wann ein Bad sauber ist”
Das Gespräch mit Yara brachte mich noch Wochen später zum Nachdenken: Bin ich eine Heuchlerin, weil mich nicht stört, dass ich den Staubsauger in den vergangenen Wochen häufiger angeschmissen hatte als er? Und nutzt er eigentlich seine Machtposition aus, indem er nicht putzt? Spoiler: So einfach ist es nicht.
Die Soziologin Tomke König untersucht an der Universität Bielefeld Arbeitsarrangements in Beziehungen und führte Interviews mit heterosexuellen und vereinzelt auch homosexuellen Paaren zu dem Thema. Also genau die richtige Ansprechpartnerin für meine Fragen.
„Der Soziologe Jean-Claude Kaufmann sagt, dass Frauen Gefangene ihrer persönlichen Verhaltensmuster sind. Sie sitzen sozusagen in der Falle", erklärt König. Frauen haben Kaufmann zufolge kein höheres Sauberkeitsempfinden als Männer, sie haben gelernt, dass ein Bad sauber sein muss. Dreckige Bäder können sie deshalb schlechter ertragen. Zugegeben: Blicke ich in meine eigene Kindheit zurück, war die Toleranzgrenze meiner Mutter bei meinem Bruder deutlich höher, wenn es ums Aufräumen ging. Ich musste meine Haare aus der Bürste rupfen, die Dusche abspülen und ebenfalls von Haaren befreien sowie Cremes und Schminkzeug ordentlich in den Schrank zurück räumen. Mein Bruder musste hingegen meist nur seinen Deoroller wieder ins Regal stellen.
Der Ansatz von Kaufmann wird zwar von vielen Feministinnen wie Yara vertreten, König teilt ihn allerdings nicht: „Gegen diesen Ansatz habe ich allerdings angeschrieben”, sagt sie. Schließlich würden Frauen oft erkennen, dass die Hausarbeit in der Paarbeziehung ungleich verteilt ist – wie eben auch ich mit meinem Freund. „Anders wäre es, wenn sie gar nicht hinterfragen würden, dass sie das Bad häufiger als ihr Partner putzen.” Denn dann wäre ich passiv und könnte nicht aktiv etwas an meinem Zustand ändern – hätte sowas wie ein falsches Bewusstsein, mit dem ich leben müsste. Doch ich erkenne, dass ich gerade häufiger sauge und die Fenster putze als mein Freund. Habe aber nicht das Bedürfnis, dieses Verhältnis zu verändern. Schließlich fühle ich mich weder ungerecht behandelt noch ausgenutzt.
Für den Wohnungsputz gibt es keine verbindlichen Zeiten
„Das liegt daran, dass sich beide Menschen für den Haushalt verantwortlich fühlen – auch, wenn sie tatsächlich nicht alle Aufgaben zum gleichen Anteil erfüllen”, erklärt König. Anders als bei meinen Eltern dirigiert mein Freund mich nicht direkt zum Sauger, wenn er einen Staubfussel entdeckt. Er macht es selbst. Die Krise liegt nicht in unserer Beziehung, sondern ganz offensichtlich in der Aufteilung der Care-Arbeit. „Wir führen ein erwerbsarbeitszentriertes Leben. Wir wissen, dass wir maximal 40 Stunden die Woche für ein festgelegtes Gehalt arbeiten sollen, womit wir planen können”, sagt König. Für unsere Wäsche oder den Wohnungsputz gibt es hingegen keine verbindlichen Zeiten.
Mit der Erwerbstätigkeit der Frau löste sich die bisherige Lösung, dass Frauen die Hausarbeit machen und Männer arbeiten, auf. Eine neue Aufteilung muss her. Die wenigen reichen Menschen delegieren die Hausarbeit an Dritte, meist an Frauen, was wieder zu einer Ungleichheit zwischen den Geschlechtern führt. In ihrer Studie hat König deshalb nach fairen Alternativen gesucht und ist auf ziemlich ausgefallene Möglichkeiten gestoßen. „Ein Elternpaar hat sich darauf geeinigt, dass beide jeden Morgen für die Familie einkaufen gehen. Wenn sie sich in der Eile und im Stress nicht abgesprochen haben, hatten sie dann doppelt Butter, Spaghetti und Marmelade.” Ein anderes Paar entschied, dass die Frau die Wäsche vom Wochenende und der Mann die unter der Woche übernimmt. „Auch hier kann etwas dazwischen kommen, wie eine Grippe. Dann muss der andere einspringen.” Passiert das zu oft, kann Frust aufkommen. Denn anders als Projekte auf der Arbeit, ist Hausarbeit unendlich. Wenn ich das Klo diese Woche putze, ist es in wenigen Tagen schon wieder dreckig.
Ich sitze lieber auf dem Beifahrersitz
„Vielleicht ist Fünfzig-Fünfzig, wie es die Soziologie fordert, nicht für jedes Paar ideal.“ Vielleicht reicht es ja auch, wenn mein Freund von 20 Mal nur fünf Mal den Staubsauger in die Hand nimmt – solange er weiterhin für uns kocht und den Boden wischt. Wofür ich ihm übrigens sehr dankbar bin, weil ich beides nicht besonders gerne mache. Wenn ich meinem Partner gegenüber meine Präferenzen und Wünsch äußere, tue ich das nach meinem Willen. Ich habe herausgefunden, dass ich keinen Spaß am Gemüse schnibbeln habe und auch keine Geduld dafür, hinter den Herdplatten darauf zu warten, dass die Nudeln endlich al dente sind. In der Zeit spring ich lieber unter die Dusche oder schaue meine Lieblingsserie. Während er kocht, habe ich Zeit, um mich auszuruhen.
Ganz ähnlich ist es übrigens mit dem Beifahrersitz. Obwohl ich eine gute Fahrerin bin, sitze ich lieber neben anstatt hinter dem Lenkrad. Schaue mir die Landschaft an oder lese. Eine Regel, die mir vielleicht nicht verbietet, Auto zu fahren, mich dafür aber dazu zwingt, hat wenig mit Selbstbestimmung zu tun.
Was Feminismus aber auf keinen Fall ist: ein Wettbewerb. Darüber, wer besser, schlechter oder überzeugter ist und sich mehr einsetzt. Eine Frau, die freiwillig entscheidet, zuhause bei den Kindern zu bleiben und von dem Geld ihres Mannes lebt, kann wie eine Frau, die Karriere macht, auch Feministin sein. Hinter der sozialen und akademischen feministischen Bewegung verbirgt sich nämlich der Anspruch für Menschenwürde, Gleichberechtigung und Selbstbestimmung von Frauen und gegen jeden Sexismus zu kämpfen. Und allem voran: sich gegenseitig zu empowern und nicht in Konkurrenz zu stellen. Solange ich also die Frau sein kann, die ich sein will, lebe ich selbstbestimmt – und darf mich ohne ein schlechtes Gewissen Feministin nennen!