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"Im Urlaub will ich nicht mehr über Geld nachdenken."
Mein letzter richtiger Urlaub ist einige Jahre her. Vier Wochen bin ich damals in Hong Kong gewesen, und ich habe nichts gearbeitet. Für manche mag sich das selbstverständlich anhören aber als Freiberufler ist es schwer, das durchzuziehen. Denn wenn man schon Luft hat, um an (meist nicht besonders lukrativen) Lieblingsprojekten zu arbeiten, nutzt man sie auch.
Zum Glück bringt mich mein Job manchmal außer Landes. Ein paar Monate Krakau oder Rumänien, Dänemark oder sonstwo. Nicht die ganz weite Welt, aber immerhin, das Fernweh hält sich dadurch in erträglichen Grenzen. Nicht aber der Wunsch nach Urlaub. Für nächstes Jahr habe ich mir das fest vorgenommen. Der Zielort ist noch unklar - es gibt so viel, was ich noch nicht gesehen habe.
Sehr gern besuche ich Freunde in der Ferne. Das ist etwas billiger, weil man vielleicht nicht die ganze Zeit im Ho(s)tel wohnt, man kann von deren Ortskenntnis profitieren und gemeinsam losziehen, oder sich abkapseln und alleine die Gegend erkunden. Und dazu noch die Freundschaft auffrischen.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Für ein Hotel mit Vollpension gebe ich ungern Geld aus. Denn dort gibt es meist dasselbe zu essen, egal, auf welchem Kontinent man sich befindet. Da koche ich lieber selbst (an den sparsamen Tagen) und gehe einheimisch essen, so oft ich es mir eben leisten kann.
Im Urlaub möchte ich mir möglichst keine Gedanken um Geld machen.
Klar, dass ich nicht plötzlich haufenweise Geld verprasse, das ich nicht habe. Aber wenn ich woanders bin, will ich gut essen und trinken gehen, ich will mal aus reiner Bequemlichkeit mit dem Taxi fahren oder je nach Verkehrssystem mit Fähre, Rikscha, oder Hundeschlitten. Ich will zehn Euro am Roulettetisch setzen und sagen: "Alles auf Rot!"
Auf keinen Fall will ich mich darüber grämen, dass der Kaffee schlechter, die Butter teurer, das Brot trockener ist als zu Hause. Und schon gar nicht will ich mir das von anderen anhören. Die Legenden, dass man am Urlaubsziel ganz besonders über den Tisch gezogen wird, sind immer dieselben. Die Einheimischen sind überall gleich, selbst im eigenen Land hat man bereits als Kind mit dem Brustbeutel gelernt, dass man sein Geld am besten nah am Körper trägt, sonst nimmt es einem einer weg.
Ich will mir im Urlaub nicht meine Kreditkarte mit Gaffa-Tape am Körper festkleben. Ich will keine Schilder, die mich auffordern, argwöhnisch zu sein. Ich will nicht immerzu den Geldbeutel umklammern und misstrauisch aufmerken, wenn mich in der Fremde jemand Fremdes anspricht. Schließlich gehört sich das für die Fremde doch so. (Methusalix sagte einmal: "Ich habe nichts gegen Fremde. Aber diese Fremden da sind nicht von hier." Mit dem wäre ich nicht gern verreist.)
Wenn man doch mal über den Tisch gezogen wird, aber glimpflich davonkommt, hat man immerhin was zu erzählen, wirft ein Klischee mit in den großen Gesellschaftstopf, in dem die Vorurteile aufgekocht werden.
Kontraproduktiv finde ich, sich in der Fremde zusammenzurotten, nur weil man dieselbe Sprache spricht. Dann hätte man ja auch zu Hause bleiben können. Sicher, manchmal ist es hilfreich, aber ich will mich auch unters Volk mischen und mal kein Wort verstehen. Ich will Fremde ansprechen und dabei Hände und Füße benutzen.
Dieses Jahr stand ich in einem polnischen Supermarkt, zeigte auf ein Stück Fleisch und grunzte fragend. Die Verkäuferin sah mich ängstlich an, wegen meiner seltsamen Geräusche. Bis sie begriff, dass ich von ihr wissen wollte, ob das Schweinefleisch war. Da grunzte sie zurück und wir haben zusammen Sturzbäche an Tränen gelacht und in der restlichen Zeit meines Aufenthalts konnte ich immer mal wieder etwas aus der Auslage probieren.
Wenn man des Jobs wegen in der Fremde ist, kann ich diese Zusammenrottungen besser verstehen. Dass man auch mal in der eigenen Sprache sprechen will, wenn man abends ausgeht. In Hong Kong trafen sich die Kollegen meiner Freundin gern im "Schnurrbart" - seit den 80ern bekommt man dort gute Wiener Schnitzel, Haxen, Sauerbraten, Rotkohl, Klöße und Bier.
Ein Stück Heimat in der Fremde - super, wenn man länger dort lebt. Im Urlaub braucht es das für mich aber nicht unbedingt, denn ich fahre ja früh genug wieder nach Hause. Zwei Wochen (oder auch drei oder vier) sind einfach nicht lang genug, um Alltägliches richtig schlimm zu vermissen. Und so ein bisschen Heimweh tut ja ganz gut, es macht das Zurückkommen umso schöner.
Natürlich gibt es viele Möglichkeiten, den Urlaub günstiger zu gestalten. Und manchmal sind es gerade Notsituationen, die einem die schönsten Urlaubserlebnisse bescheren. In Venedig konnten eine Freundin und ich uns einmal ein klassisches Konzert nicht leisten, das wir gerne gehört hätten. Der freundliche ältere Herr am Einlass in seinem Brokatkostüm bekam das mit und schleuste uns umsonst durch einen Seiteneingang hinein.
Trotzdem hat mein mitunter relativ sorgloses Urlaubsverhalten natürlich seinen Preis. Deshalb fahre ich nicht so oft in Urlaub, sondern spare immer eine Weile dafür. Wenn das Geld ganz knapp ist, bleibe ich lieber zu Hause und unternehme dort ein paar schöne Dinge, vielleicht auch mal einen Wochenendausflug ins vielgerühmte Umland. Bis das Geld wieder für eine größere Reise reicht, bei der ich nicht zu sehr knausern muss.
In einer Bäckerei in Hong Kong gab es Brötchen surprise. Das "surprise" ergab sich automatisch durch mein Unvermögen, die Schilder zu lesen. Da konnte es schon mal passieren, dass Schweinefleisch im Innern versteckt war oder Rote-Bohnen-Paste. Ich mochte die morgendliche Tombola. Zurück in Berlin hingegen freute ich mich, dass die Schrippen traditionell mit Nichts gefüllt waren.
Die Abwechslung zwischen nah und fern, zwischen Daheim und weiter Welt ist wohl das Schönste. Weil man eben Heim- und Fernweh kennt. Jede Welt hat Vor- und Nachteile. Manchmal glaube ich, dass erst durch den Vergleich mit der einen die andere ihr Gewicht bekommt. Ohne die Fremde gäbe es die Heimat nicht.
Text: anne-koehler - Illustration: katharina-bitzl