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Na, du kleiner Weltverbesserer
Nein, die Welt muss nicht untergehen. Nicht zwingend. Aber nur mal eine kleine Zusammenstellung an schlechten Nachrichten, zusammen gelesen in den letzten Tagen: *Das Eis der Arktis schmilzt schneller als bislang angenommen, und die alten Schätzungen waren schon schlimm – wenn es so weiter geht, wird es in 15 Jahren im Sommer kein Eis mehr geben, wo einst das Ewige Eis war. *Die Fische der Meere sterben, weil wir über Jahre und Jahre so viele gefischt haben, so viel Gift in das Wasser gekippt, die Meere so sehr ausgebeutet haben, dass sich viele Populationen schon lange nicht mehr erholen – wenn es so weiter geht, wird es um 2050 herum keine Speisefische mehr zu fangen geben. *Längs des Amazonas wurden in den letzten drei Jahren 70.000 Quadratkilometer Regenwald abgeholzt, das sind sechs Fußballfelder in der Minute, fast ein Fünftel des gesamten ursprünglichen Amazonasgebiets ist schon verschwunden – wenn es so weiter geht, wird es in wenigen Jahren ein Viertel des Regenwalds nicht mehr geben. *Die fünf wärmsten Jahre, seitdem die Menschen das Wetter aufzeichnen, lagen zwischen 1998 und 2005, und ja, 2006 wird auch nicht schlecht: Tropische Temperaturen, Jahrhundertsommer, hitzefrei – und wenn es so weiter geht, wachsen in Brandenburg Palmen. Na, schon schlechte Laune? Keine Lust mehr, so was zu lesen? Willkommen im Club. Ich habe auch keine Lust mehr, so was zu lesen. Und ich habe eine verdammt schlechte Laune.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Warum? Weil es keinen interessiert. Weil keiner einen Dreck drum gibt, was passiert. Drei Erlebnisse: *Vergangene Woche, auf einer Party, fragte eine Freundin, was nur zu tun sei, sie sorge sich. Sie hatte gerade den Film von Al Gore gesehen, „Eine unbequeme Wahrheit“, er hatte sie ziemlich mitgenommen, sie wollte darüber reden. Sie sagte: „Ich weiß, klingt so dumm: Aber man müsste wirklich was tun.“ Ein Freund antwortete: „Ach hör auf, solche Nachrichten hören wir doch schon seit Tschernobyl.“ Es ging dann über die übliche unwichtige Scheiße, Arctic Monkeys, irgendein Video auf YouTube und den Stress von XYZ mit seiner Ex. *Vor ein paar Tagen, mein großer Bruder, der tatsächlich noch Erinnerungen an Tschernobyl hat und an die miese Milchpulver-Milch, die er damals trinken musste, wir unterhielten uns über Umweltschutz. Ja, genau: Umweltschutz. Mein Bruder arbeitet bei einem großen Unternehmen, ich wollte mal wissen, wie die das sehen. Mein Bruder ist kein Depp, wirklich nicht, aber er sagte: „Weißt du was, du machst dir zu viel Sorgen.“ Ich hätte nie gedacht, dass mein Bruder mal so redet wie der Minister, der damals seine Hände in Molke tunkte. *Gestern, ich war eh schon geladen, traf ich Markus, guter Freund. Er hat schon Dinge von mir verstanden, die ich selbst noch nicht verstanden hatte. Ich erzählte ihm, was passiert war, ich erzählte ihm, wie mich das ärgert, mehr noch, wie mich das zornig macht, er sagte: „Du musst das verstehen: Es gibt schon genug schlechte Nachrichten.“ Wie bitte? Ich muss das verstehen? Wenn hier jemand etwas verstehen muss, dann sind das wir alle – wir müssen verstehen, dass die schlechte Nachricht aller schlechten Nachrichten genau eine einzige ist: Der Welt geht es schlecht. Jaja, ich weiß schon, was jetzt kommt: Moment, aber die Studien, gibt doch keine echten Beweise, ist doch alles gar nicht so schlimm, easy, compadre, easy. Sorry, Arschloch, aber jetzt ist Schluss mit easy. Der Klimawandel ist Wirklichkeit. Jeder Kittelträger zwischen hier und dem Ende der Welt, der nicht im Lohn einer Ölfirma oder George W. Bush steht, hat das inzwischen erkannt. Und wenn wir jetzt nichts machen, dann wird es erst richtig schlimm. Was machen wir also? 1. Computer-Bildschirm wirklich ausschalten beim Gehen. 2. Keine 19 Euro-Flüge nach Berlin, Prag, Madrid mehr. 3. Den Grünen schreiben, warum sie eigentlich keine Öko-Partei mehr sind (und allen anderen Parteien, warum immer noch nicht) 4. Bewusst durchs Leben gehen: Müll trennen, Heizung ausdrehen, statt zehn Minuten nur noch fünf duschen. Und, ganz wichtig, 5. auf den Spott verzichten, mit dem sonst so oft – heimlich oder offen – auf solche Ratschläge reagiert wird: Hihi, Stromsparen, wie niedlich – na, du kleiner Weltverbesserer, träumst du wirklich von ´ner besseren Welt? Ja, tue ich.