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Geheimes Gesetz (21): Der immergleiche Stadtvergleich

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Das Geheime Gesetz des Stadt-Gesprächs: Jede Unterhaltung über Deutschlands Metropolen muss den gleichen Verlauf nehmen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Ein jeder hat seine Sehnsuchtsorte. Immer ist einer gerade wo hin oder wo weg gezogen und weiß dorther zu berichten; oder wäre zumindest gerne dort gewesen, wenigstens für einen Wochenendtrip. Große Städte liefern Storys, und weil New York und Kapstadt weit weg sind, kümmern uns vor allem die deutschen Big Four namens Berlin, Hamburg, Köln und München (warum Frankfurt, ebenso groß und wichtig, meist keine Rolle in diesen Gesprächen spielt, weiß jeder, der dort schon mal länger sein musste). Diese Gemeinden scheinen uns gleichzeitig glamourös und vertraut zu sein, wie die Protagonisten einer Seifenoper. Man findet sie super oder doof oder hübsch oder hässlich. Hauptsache jeder findet sie irgendwie, obwohl diese Orte nur wirklich kennt, wer das Glück oder Pech hatte, dort aufzuwachsen.

Das übliche Halbwissen der Anderen hingegen nutzt statt Kindheitserinnerungen rare Kurzaufenthalte, deren Verlauf die Wahrnehmung der Stadt stark beeinflusst. Hat es damals nur geregnet und der besuchte Lover war plötzlich kein Lover mehr, ist die Stadt doof. Schien die Sonne und man feierte mit einer dort gestrandeten brasilianischen Emocore-Band drei Tage durch: Tolle Stadt! Und weil der Mensch umso lieber über Dinge spricht, von denen er keine Ahnung oder besser noch: ein bisschen eingebildete, anekdotische Mehrahnung als alle anderen hat, verlaufen Stadt-Gespräche nach einem Geheimen Gesetz. Die großen Vier BerlinHamburgMünchenKöln müssen abgehandelt werden, und das immer gleich.  

Gute Nachtgeschichten sind beispielsweise: In Berlin kann man das Wochenende durchfeiern, in Hamburg muss man zwischendurch auf den Fischmarkt, in Köln ist immer Karneval und München voller Polizei. Beliebter Allgemeinplatz ist auch der Wohnungsmarkt: München ist teuer, Berlin billig (aber auch nicht mehr so wie früher), Hamburg eher auch teuer, Köln mittel – dafür gibt´s da quasi keinen Altbau, Stichwort Bomben. Oder der gemeine Bewohner: Kölner sind fröhlich aber flach, Hamburger unnahbar aber ehrlich, Münchner arrogant aber hübsch. Berliner gibt es fast keine mehr, denn man trifft dort nur noch Kulturspanier und Zugezogene. Der Stil wiederum ist in Hamburg hanseatisch schick oder ganz abgefuckt, in Köln etwas prollig, in München wieder mal teuer und in Berlin überhip. In München sind die Jobs, in Berlin die Projekte, in Köln der Karneval und in Hamburg der Hafen. 

Mehr muss man nicht wissen, um in einem Gespräch nicht unangenehm aufzufallen. Irgendwann wird jemand anmerken, dass diese von allen gepflegten Klischees ja nur eben Klischees sind, es fällt ein Satz mit „auch schöne Ecken“ und „nicht verallgemeinern“. Dann nicken alle stumm, weil ihnen außer Klischees nichts einfällt. Über den Notausgang Fußballvereine (St. Pauli ist cool, die Hertha blöd, der FC Köln ein Karnevalsverein und Bayern München eine Schnöseltruppe) oder eine bestimmte Nachtlokalität (Berghain, Übel&Gefährlich, Sixpack, Hofbräuhaus) kann das Gespräch aus den deutschen Metropolen hinaus gelenkt werden. Bis es abseits der Straßen auf einsamen Pfaden frische Luft schnappt, fern der Städte und ihrem Geplapper.

Text: friedemann-karig - Illustration: Katharina Bitzl

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