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Wie wollen wir uns erinnern?

Screenshot: Youtube ("Uploading Holocaust")

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Zugegeben: Was die jungen Israelis da machen, wirkt manchmal mindestens befremdlich. Es gibt Videos, auf denen sie sich in Auschwitz giggelnd halbnackt ausziehen, um herauszufinden, wie sich das denn damals wohl so angefühlt hat, bei den Judentransporten durch die Kälte. Videos, die später auf Youtube landen. "Was macht ihr denn da?", ruft eine Frau in einem der Videos aus dem Hintergrund. "Das ist für die Schule", antworten die jungen Israelis. Keine weitere Nachfrage.

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Screenshot Youtube "Uploading Holocaust"

Es gibt viele solcher Youtube-Filme. Für das Projekt "#Uploading Holocaust" (BR, 22.30 Uhr, auch bereits online verfügbar) haben die israelischen Regisseure Udi Nir und Sagi Bernstein rund 20.000 von ihnen gesichtet –meist Material von den obligatorischen Polen-Klassenfahrten junger Israelis – und zu einem 70-minütigen Film zusammengeschnitten. Darin sieht man junge Menschen, die an Grabsteinen posieren, tanzen, sich mit der Kamera in Güterwaggons zwängen, aber auch lachen, schreien und weinen. Über allem schwebt auch die Frage: "Darf man das?"

Aber es ist nicht nur diese ermahnende Frage, die das Projekt stellt. Auch die Gegenfrage – sinngemäß: "Ist Gedenken, egal in welcher Form, nicht zunächst mal positiv?" – durchzieht das Projekt. Denn natürlich ist das Thema "Holocaust" in Israel theoretisch allgegenwärtig. Aber wer will, dass die Schüler es auch fühlen, muss zu neuen Methoden greifen. Insbesondere jetzt, wo die Zeitzeugen aussterben.

Beide Fragen sind nicht rhetorisch zu verstehen. Sowohl die Art des maximal emotionalen Gedenkens, als auch der Film von Udi Nir und Sagi Berstein sind umstritten. Weil in dem Film niemand das Gesehene einordnet. "Der Film ist eine bloße Bilderflut. Er vermittelt keine Haltung, kein Innehalten. Dabei gäbe es so viel zu erzählen", schreibt beispielsweise SZ-Autor Thorsten Schmitz in seiner Rezension. Regisseur Udi Nir hat in einem Interview mit dem Deutschlandfunk später klargestellt, dass er viele Gedenkstrategien seines Heimatlandes kritisch sieht. Dass er das muss, zeigt wohl, dass der Film das offenbar nicht genug transportiert.

Umso besser also, dass die Macher sich entschieden haben, den Film nicht für sich stehen zu lassen. Zeitgleich mit der Premiere beim DOK Leipzig wurde das Multimedia-Projekt zur Frage "Wie geht erinnern?" gelauncht. Dort kann man Fragen zum Gedenken an den Holocaust beantworten - in Schulen auch innerhalb von Gruppen, so kann intern ermittelt werden, wie die Klasse zu dem Thema steht. Zielgruppe sind deutsche und österreichische junge Menschen – eben solche, für die der Holocaust ebenfalls die ganze Schulzeit über präsent ist, allerdings, anders als bei den Israelis, größtenteils aus der Täterperspektive.

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Screenshot: Youtube ("Uploading Holocaust")

76 Prozent der Teilnehmer haben bereits ein ehemaliges KZ besucht.

 

Roter Faden in dem Projekt ist der deutsche Youtuber Jakob alias jkb. Als einer der wenigen Deutschen hat auch er einmal versucht, ein Vlog über einen KZ-Besuch zu machen - und es am Ende gelassen. Weil es sich falsch anfühlte. Nun führt er in kleinen Videos durch den Fragebogen, dazwischen sind immer wieder Videos von israelischen Jugendlichen geschnitten, die den KZ-Besuch mit Kamera eben nicht seltsam finden.

 

Die live ausgewertete Umfrage kann die Kernfrage "Wie geht erinnern" natürlich nicht beantworten. Aber sie zeigt einem, wie erinnern aussehen könnte - und wo man selbst dabei steht. "Hast du schon einmal ein ehemaliges KZ besucht?", wird dort beispielsweise als erstes gefragt. Aktuell haben 76 Prozent der Teilnehmer diese Frage mit "Ja" beantwortet, also eine große Mehrheit. Die nächste Frage zielt darauf ab, was dieser Besuch mit einem gemacht hat. Meistgeklickteste Anwort "Hat mich bewegt". Nur zwei Prozent der Teilnehmer haben "Hat mir nichts gebracht" angeklickt. Das spricht ja beides dafür, dass wir mit der Vergangenheit nicht, wie so oft behauptet, "abgeschlossen" haben. Auch interessant ist die Frage danach, was junge Menschen genau am Holocaust interessiert: 41 Prozent gaben dort an, wissen zu wollen, ob Verwandte Verbrechen begangen haben – und diese Antwort zeigt eben doch, dass "Schuld" immer noch ein Thema ist – auch wenn bei einer späteren Frage bisher die meisten angegeben haben, sich nicht am Holocaust mitschuldig zu fühlen.

 

Auch die Frage "Wie wollen wir gedenken?", taucht auf. Auffällig ist dabei, dass viele Deutsche das, was die israelischen Jugendlichen in den Filmen tun, ablehnen. Selfies machen im KZ oder Witze sind in Deutschland ein No-Go. Was sich die Teilnehmer bisher hingegen wünschen: Gespräche mit Zeitzeugen, Fahrten zu Gedenkstätten und das Lesen von Opfergeschichten. Ersteres wird bald wohl nur noch virtuell möglich sein wird, weshalb diverse Institute an digitalen Zeitzeugen arbeiten.

 

Aber auch andere Chancen entstehen gerade erst durch digitale Innovation: So kann, wer möchte, am Ende der Studie Kontakt zu jungen Israelis aufnehmen. Ihnen Fragen stellen, sich über die ja doch miteinander eng verbundene Vergangenheit austauschen. Auch wenn es keine Zeitzeugen mehr gibt, und Filme oder Bücher vermutlich nie das Vor-Ort-Erlebnis ersetzen können – das ist dann eine vielversprechende Möglichkeit des Gedenkens, die es früher nicht gegeben hat.  So schnell werden wir also nicht damit aufhören uns mit dem Holocaust zu beschäftigen.

 

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