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"Nicht auszuschließen, dass die Atompolitik zum Stuttgart 21 wird"
"Monatelang hat Bundeskanzlerin Merkel die scharf geführte Debatte um die Atompolitik laufen lassen. Am Sonntag vor zwei Wochen wollte sie offenbar zeigen, dass sie auch durchregieren kann - und hat ihren zerstrittenen Ministern eine Einigung abgerungen. Eine Einigung, die auch aus der Feder der Atomkonzerne stammen könnte: Um durchschnittlich zwölf Jahre will die Regierung offiziell die AKW-Laufzeiten verlängern. Noch drei Jahrzehnte sollen die Atomreaktoren uns einem tödlichen Unfallrisiko aussetzen und die Atommüllberge weiter in die Höhe wachsen. Etwa 2022 soll nach dem rot-grünen „Ausstiegsfahrplan“ das letzte Atomkraftwerk vom Netz gehen. Jetzt soll sich dieser Zeitpunkt in die 2040er oder gar 2050er Jahre verschieben. Denn de facto dürfte die Laufzeitverlängerung weit üppiger als die von der Regierung verkündeten zwölf Jahre ausfallen. Denn die Laufzeit bemisst sich nicht in Jahren, sondern in Reststrommengen, die die Betreiber noch erzeugen dürfen. Und diese werden ihnen äußerst großzügig zugeteilt – ohne dass Stillstände auf Grund von technischen Problemen oder Leistungsdrosselungen auf Grund eines Überangebots von Strom in den Netzen ausreichend berücksichtigt wären. Die Kanzlerin verkauft uns die längeren Laufzeiten als Brücke ins „Zeitalter der Erneuerbaren“. Doch die Brücke besteht schon längst. Schon jetzt erzeugen sechs bis acht Reaktoren nur Strom für den Export. Und wenn die Ausbaudynamik der Erneuerbaren Energien so verläuft, wie vor kurzem vom Bundesumweltministerium prognostiziert, steigt der Anteil der Erneuerbaren am Strommix von heute 16 Prozent bis 2020 auf über 38 Prozent. Das sind satte 22 Prozent, die so ziemlich dem heutigen Anteil der Atomkraft am Strommix entsprechen. Was es daher eigentlich bräuchte, wäre eine Diskussion über kürzere, statt über längere Laufzeiten. Einen Boom der Erneuerbaren Energien verspricht uns die Kanzlerin, da Teile der Zusatzprofite der Konzerne in Investitionen in die Netze und erneuerbare Energieträger fließen sollen. Doch abgesehen davon, dass die Summen gerade in den ersten Jahren sehr gering ausfallen: Was es zum Ausbau der Erneuerbaren braucht ist nicht zusätzliches Geld, sondern Investitionssicherheit - die Gewissheit für Investoren, dass der mit Sonne, Wind und Wasser erzeugte Strom auch wirklich abgesetzt werden kann. Und genau hier liegt eine große Gefahr der Atompläne der Kanzlerin. Atomkraftwerke verstopfen mit ihrer unflexiblen Stromerzeugung die Stromnetze. Zunehmend können Windkraftanlagen und Solaranlagen ihren Strom nicht einspeisen, wenn der Wind ordentlich weht oder die Sonne scheint – trotz des Einspeisevorrangs im Erneuerbaren Energien Gesetz. Denn Atomkraftwerke sind unflexible Dinosaurier, die ihre Stromproduktion nicht an die schwankende Erzeugung der Erneuerbaren Energien anpassen können und immer gleich viel Strom in die Netze pressen. Atomkraft – das passt nicht in eine moderne Energieversorgung im 21. Jahrhundert. Schwarz-Gelb geht es nicht um eine zukunftsfähige Energiepolitik, sondern um Klientelpolitik für Atomkonzerne, denen Hunderte Milliarden Euro winken. So dreist wie dieser Deal mit den Konzernen eingefädelt ist, so erdrückend die Fakten dagegen sprechen, ist es aber bei weitem noch nicht ausgemacht, dass die Bundesregierung am Ende wirklich längere Laufzeiten durchsetzen kann. Jetzt kommt es auf die Anti-Atom-Bewegung an, Merkels Atompläne zu durchkreuzen. Am 18. September werden zehntausende Menschen in Berlin gegen die schwarz-gelbe Atompolitik auf die Straße gehen und das Regierungsviertel symbolisch umzingeln. Und auch im Netz formiert sich der Protest: Bereits über 50.000 Menschen haben innerhalb von 48 Stunden einen Appell des Kampagnennetzwerks Campact gegen die schwarz-gelbe Atompolitik unterzeichnet. Nicht auszuschließen, dass die Atompolitik Kanzlerin Merkel noch ordentlich auf die Füße fällt – und zum Stuttgart 21 dieser Bundesregierung wird."
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Christoph Bautz, Geschäftsführer von Campact. Mehr über die Arbeit seiner NGO erfährst du hier.
Text: jetzt-Redaktion - Foto: dpa