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Kristina, Küchenspenderin
„Den musst du unbedingt mal kennenlernen!“ So redet man über Menschen aus dem Freundeskreis, die man für das bewundert, was sie machen oder wer sie sind. In der Kolumne „Zu Gast bei Freunden“ lernt unser Autor genau diese Menschen in München kennen – die Person, die er vorstellt, sagt, wen er als nächstes kennenlernen soll. Vorangegangene Folgen stehen hier.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Es geht doch nicht um’s Geld, sagt Kristina.
Ihr Loft zwischen Stachus und Sendlinger Tor kostet ein Monatseinkommen Miete und manchmal ist es ein zähes Unterfangen, diesen L-förmigen Raum und diese Küche an den Mann zu bringen, sagt Kristina Meder, 33. Sie schäumt die Milch, während die Espressomaschine Wasser durch das Kaffeepulver heizt. „Deswegen habe ich Berlin verlassen“, sagt Kristina, deutet auf den Milchkaffee und setzt sich im Sommerkleid.
Sie war ein Münchner Kind und durfte im Internat Kloster Wald am Bodensee zusätzlich zum Abitur eine Schreinerlehre machen. Danach bastelt sie sechs Monate gemeinsam mit einem Künstler in einer Scheune in Glonn an einem riesigen Objekt. Beide schweißen und es ist kompliziert, das Resultat zu erklären, aber es macht Spaß. Kristina mag es, wenn nicht nur der Kopf arbeitet.
1998 geht sie nach Berlin, studiert und kocht in ihrer Wohnung für Freunde, „da gingen auch mal 300 Mark für die Zutaten weg“. Irgendwann sagt eine, Kristina solle doch Geld verlangen, ein anderer bietet seine Servicekraft und gemeinsam ziehen sie in eine Wohnung in einem Hinterhof am Prenzlauer Berg eine Küche ein. Kristina öffnet ein illegales Restaurant. Viele, die nach Berlin ziehen, gefallen sich in der Suche nach dem Geheimnisvollen und Vergänglichen. Wer illegale Clubs mag, mag auch Kristinas 16 Euro-Menüs. Irgendwann stehen 500 Namen im Mailverteiler, die Mund-Propaganda funktioniert prächtig. „Tom Schilling war einer unserer Stammkunden, es war ein illustres Volk aus B-Prominenz und Versagern“, erinnert sich Kristina und lächelt der Vergangenheit zu. Wenn die Nachbarn wegen der Gäste Argwohn probten, sagte Kristina, sie sei Haubenköchin und müsse trainieren.
Dann gehen 16 Semester Kommunikationsdesign an der Berliner Hochschule der Künste und die Zeit der geheimen Bewirtung zu Ende. Kristina bezieht einen Platz in einer Münchner Agentur, wo der manchmal von Ziellosigkeit begleitete Milchkaffeekonsum á la Berlin sein Ende finden soll. Sie designt Kommunikation und plant etwa eine geschrumpfte Allianz-Arena, die am Flughafen als VIP-Bereich dient. Kristina arbeitet viel und lang und lässt ihren Kontostand wachsen. Nach einem Jahr, in dem die Freunde weniger und die Frustration mehr werden, denkt sie: ,Mir geht’s doch nicht um Geld – was mach’ ich eigentlich wirklich gern?‘ Kochen und Essen, denkt sie. Aber eine Idee ist das noch nicht, weil Kristina kein Restaurant eröffnen will.
Bald mietet sie die L-Form und nennt ihr Konzept Boque auf Croque: 90 Quadratmeter Raum, davon abzweigend eine Küche, eine große Küche. Eine mit tollem Kochblock in der Mitte, mit Platz zum Drumrumscharwenzeln, eine, aus der heraus man eine Pressekonferenz mit Häppchen oder das Ideensuchen einer Agentur mit Salat versorgen kann. Kristina, so könnte man es in ihren Worten sagen, vermietet einen Showroom und bietet Catering. Vielleicht ist es aber auch einfacher. Da war einmal die Vernissage eines Malers in ihren Räumen. Sowas dauert selten lang, weil man Bilder nicht Stunden bestarrt. Bei Kristina war es anders, weil die Gäste sich bald in die Küche verdrückten und bis Mitternacht blieben. Küche hat man immer zu wenig und Küchengespräche sind die besten. Vielleicht ist das Kristinas neuer Beruf: Küchenspenderin.
Aber so leicht und erfüllend diese Dinge klingen, so sehr können sie plagen. Kristina akquiriert, sie wirbt, sie sammelt graue Haare beim monatlich neuen Versuch, die laufenden Kosten zu decken. Ist sie glücklich? „Ja“, sagt sie direkt und weitere Fragen könnten sich erübrigen. Aber eine noch. Warum Boque auf Croque? „Einmal“, sagt Kristina, „bin ich in der Wohnung eines Freundes aufgewacht und las an der Wand, mit Kuli geschrieben: Boque auf Croque.“ Das war es schon. Es war dort, wo angeblich Dinge ihren Ursprung haben, die in München nicht beginnen könnten. In Berlin.
Nächste Woche, sagt Kristina, „solltest du unbedingt den Bernd kennenlernen“. Er stand mal in ihrer Küche am Herd und ist der tätowierteste Koch Münchens.
Text: peter-wagner - Foto: Jürgen Stein