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Slither.io: Der Snake-Nachfolger stürmt die App-Charts
Sebastian war damals unser Held. Er stand am Fuß des Klettergerüsts direkt neben der Tischtennisplatte. Den Grund für sein Heldentum hielt er lässig in der linken Hand: Ein Nokia 3210. Mit Snake. Niemand kletterte an diesem Tag, keiner interessierte sich für eine Runde Tischtennis.
Stattdessen wurde Sebastians Handy im Kreis herumgegeben. Jeder wollte mal das Spiel mit der schwarzen Schlange auf dem grünleuchtenden Hintergrund ausprobieren. Die rechteckige Pixel-Wurst mit knarzenden Tasten zu schwarzem Pixel-Futter lotsen. Wer die längste Schlange hat, gewinnt.
Seitdem ist einiges passiert: Die Bildschirme wurden größer und bunter. Genau wie die Spiele. Candy Crush – welch öder Scheiß! Angry Birds – für’n Arsch! Vermisste denn niemand die herrliche Monotonie der schwarzen und grünen Pixel?
Zwei Millionen Downloads in der ersten Woche
Doch. Neben zahlreichen anderen Versionen gab es da mal ein Easteregg auf Youtube, das den Ladekreis mit Hilfe der Pfeiltasten zur Snake-Schlange werden ließ. Auch Snake-Schöpfer Taneli Armanto versuchte im vergangenen Jahr, die Neunziger zurückzuholen und seinen Coup zu wiederholen. Alle erfolglos.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Das Warten ist nun endlich vorbei. Denn seit ein paar Wochen gibt es “Slither.io”. Allein in der ersten Woche soll das Game mehr als zwei Millionen mal heruntergeladen worden sein, schreiben die Entwickler in ihrem Blog. Im Google Play Store steht Slither.io an der Eins der Download-Charts. Bei iTunes ist es die drittbeliebteste kostenlose App hinter Whatsapp und Snapchat. “Slither.io” gibt es für Android- und Apple-Smartphones und für den Browser.
Was schafft „Slither.io“, was alle anderen Snake-Nachbildungen versäumt haben?
Das „neue“ Snake ist kein Eigenbrödler-Spiel mehr, bei dem man das Handy weiterreicht, wenn man verloren hat. Sebastians Sandkastenfreunde können heute alle gleichzeitig spielen. Nach dem Vorbild von "Agar.io", einem ganz ähnlichem Spiel, bei dem man eine Zelle steuert, gibt es ein Spielfeld über das mehrere hundert Spieler ihre Schlangen kriechen lassen. Der Spieler steuert seine virtuelle Schlange je nach Gerät mit dem Finger, der Maus oder der Tastatur. Die Schlange wächst, wenn man die leuchtenden Punkte einsammelt, die überall herumliegen, ganz nach dem Snake-Prinzip. Die zehn längsten Schlangen schaffen es aufs Leaderboard und zu weltweit anerkanntem – wenn auch temporär sehr begrenztem – Ruhm.
Kontakt mit fremden Schlangen = Game over
Das Spielfeld von „Slither.io“ ist um einiges größer, als es vor 15 Jahren auf dem Bildschirm des Nokia 3210 war. Dadurch geht ein Spielprinzip des originalen Snake verloren: Bei „Slither.io“ ist es kein Problem, sich selbst in den Schwanz zu beißen oder sich anderweitig zu verknoten. Die neue Challenge: den Körperkontakt zu den anderen Schlangen vermeiden: Berührt der eigene Kopf eine fremde Schlange, löst sich die Schlange – egal wie kurz oder lang – in einen Haufen leuchtender Punkte auf, den die gegnerische Schlange meist ratzfatz auffrisst. Game over.
Vielleicht ist es der Ansporn, es in die Bestenliste zu schaffen, der das Spiel so erfolgreich macht. Vielleicht ist es die Tatsache, dass durch eine falsche Bewegung die mühsam erkämpfte Länge schnell wieder vorbei sein kann, selbst für die längste Schlange der Welt. Vermutlich eine Mischung aus beidem. Gleichzeitig geht das grundlegende Snake-Prinzip nicht verloren.
Aus Sebastian würde heute jedenfalls kein Held mehr - die Zeiten, in denen nur ein einziges Kind auf dem Spielplatz ein Handy besessen hat, sind vorbei. Klettergerüst und Tischtennisplatte stehen trotzdem verlassen da, während alle auf ihr Smartphone starren, um nicht gefressen zu werden. Ein würdiger Snake-Nachfolger ist gefunden. Endlich!