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Angry Kids

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Unter die aktuellen Stars des Internets,

, und

, haben sich in den vergangenen Tagen und Wochen neue Gesichter geschlichen: Kinder, die mal wütend, mal abgeklärt, mal traurig, aber immer reflektiert erklären, was auf der Welt, zumindest in ihrer, falsch läuft. Es geht um große Themen in der Weltpolitik wie Rassismus, Zwangsehen in Jemen und die Lage in Ägypten, aber auch um vermeintlich kleine Alltagsdinge wie die Entscheidung, Fleisch zu essen.  

Natürlich haben Kinder, genauso wie Tiere, von vornherein einen Niedlichkeitsbonus und bei allen Videos fragt man sich, ob die Kinder das, was sie sagen, nicht vorher von ihren Eltern eingetrichtert bekommen haben (und auch, warum bei denen zu Hause am Esstisch zufällig eine Kamera läuft, siehe Video Nummer vier). Ob nun ein bisschen, ganz oder doch gar nicht gestellt, die Videos werden millionenfach angeklickt, in Englisch und andere Sprachen übersetzt. Sie sind beliebt, vielleicht, weil sie uns daran erinnern, dass wir das, bei dem wir uns längst mit einem "Ist halt so" abgefunden haben, öfter hinterfragen sollten. Wir trauen uns das oft nicht, weil wir Angst haben, uns zu blamieren. Dabei sollten wir wissen, dass die "Sendung mit der Maus"-Besänftigung "Klingt komisch, is’ aber so" manchmal einfach nicht reicht.
Dass es sich lohnt, nachzufragen, zeigen diese fünf Filme:



"Nur zu", sagt Nada Al-Ahdal, "verheiratet mich! Dann werde ich mich umbringen." Das Mädchen aus Jemen sitzt in einem Auto und erzählt seine Geschichte, eine, die einen vor dem Computer keine Sekunde loslässt und noch lange beschäftigt: Nadas Familie wollte sie – mit elf! – zwangsverheiraten. Schon zwei älteren Männern haben ihre Eltern die Erlaubnis gegeben, sie zu heiraten. Nada lebt eigentlich bei ihrem Onkel, zu Ramadan war sie bei ihren Eltern. Als sie mitbekam, was sie mit ihr vorhaben, ist sie abgehauen. In zwei Tagen wurde das Video mehr als 6,5 Millionen Mal geklickt, es ist aber auch : unter anderem, weil es an manchen Stellen klingt, als habe sie den Text auswendig gelernt und Nadas Onkel bei einem Fernsehsender arbeiten soll. Wichtig ist das Video trotzdem: weil es uns daran erinnert, dass es in Jemen immer noch viel zu viele Kindbräute gibt.  


 

Bereits Ende 2012 wurde Ali Ahmed auf der Straße interviewt und sprach, ziemlich reflektiert, über die Lage in Ägypten und die Probleme seines Heimatlandes. Im Juli wurde das Video bei YouTube hochgeladen und seine Aussagen sind immer noch so aktuell wie vor mehr als einem halben Jahr. Er spricht über die Revolution und klagt: ]chen? (...) Die Hälfte der Menschen sind Frauen. Wie kommt es, dass nur sieben Frauen in der verfassungsgebenden Versammlung sind? Und sechs von ihnen Islamisten sind?" Fragen, die sich die erwachsenen Ägypter vermutlich schon gar nicht mehr stellen. Sehenswert, auch wenn der Zwölfjährige so eloquent ist, dass man sich fragt, wie echt die zufällige Aufnahme ist.



Die ziemlich geniale Serie "Kids react to" auf dem YouTube-Kanal

, nur dass die Kinder (und inzwischen auch Teens, Elders und YouTubers) Memes und Videos erklären und kommentieren. Das kann einfach nur lustig sein, wenn sie zum Beispiel erklären, was eigentlich der "

Cheerios musste vor einiger Zeit die Kommentarfunktion unter seinem neuen Werbespot auf YouTube abstellen. Die rassistischen Kommentare gegen die Eltern in dem Video, die Mutter ist weiß und der Vater schwarz, hatten sie irgendwann nicht mehr unter Kontrolle. In dem "Kids react to"-Video sollen die Kinder erklären, warum dieser Clip kontrovers ist. Auch nach vielen Nachfragen können sie nicht begreifen, worüber sich jemand aufregen könnte. Erst als man ihnen erklärt, dass es so etwas wie Rassismus gibt, beginnen sie zu ahnen, was das Problem ist. Zu verstehen zum Glück nicht.
 


Luiz muss drei bis fünf Jahre alt sein und aus einem Land kommen, in dem Portugiesisch gesprochen wird, mehr ist über seine Identität nicht herauszukriegen. In dem Video sitzt er vor einem Teller mit Reis, Kartoffeln und Tintenfischringen und fragt sich, was die frittierten Ringe eigentlich mit den Tintenfischen im Meer zu tun haben. "Das ist kein echter Oktopus, oder?", fragt er. "Doch", antwortet seine Mutter. Als sie ihm erklärt, dass das, was er isst, kleine zerschnittene Oktopusbeine sind, genauso wie Hühner und Kühe auch vor dem Verzehr zerteilt werden, beschließt er, nur die Kartoffeln und den Reis zu essen. "Por que?", fragt er immer wieder und wir sehen ihm zu, wie er langsam begreift, dass der Tintenfisch getötet wird, bevor er gegessen wird. Das Originalvideo wurde fast drei Millionen Mal angeklickt, es gibt Versionen unter anderem mit englischen und


  

mit deutschen Untertiteln). Damals war Birke elf Jahre alt und referierte, wenn auch ein bisschen altklug, über die Fehler der Lebensmittelindustrie. "Ich habe den Eindruck, dass die Firmen ständig versuchen, Kinder wie mich dazu zu verführen, ihre Eltern dazu zu bringen, Dinge zu kaufen, die weder für uns noch für unseren Planeten gut sind", sagt er. Er sei auch so ein Kind gewesen, das glaubte, unser Essen komme von glücklichen kleinen Bauernhöfen. Lange wollte er Fußballspieler in der Nationalmannschaft werden, damals hat er beschlossen, Öko-Bauer zu werden. Heute ist er 14, Buchautor und auf dem Weg, wirklich Biobauer zu werden. Vielleicht stimmt das mit den glücklichen Bauernhöfen bald ja doch. Zumindest ein bisschen.

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