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"Sport sollte man machen, nicht nur gucken"

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Opa, du hattest in deiner Vorab-Mail schon angekündigt, du seist heute grantelig. Was ist los?
Opa Gottfried: In der Politik sind momentan einfach so viele Probleme ungelöst und vieles macht keine Freude.

Aber darüber solltest du dich doch nicht so sehr ärgern. Schließlich hattest du am Wochenende gerade diamantene Hochzeit. 60 Jahre sind doch ein Grund zur Freude?
Ich weiß und das stimmt ja auch. Vielleicht ist es auch witterungsbedingt. Weil das Frühjahr noch nicht da ist und dann ist deine Oma auch noch krank, dein Vater ist krank und ich war es auch. Aber die Zeit rast einfach immer schneller und wenn man so alt ist wie ich, gewinnt man einen eigentümlichen Abstand zu allem. In deinem Alter sieht man das noch nicht aber wenn du irgendwann einmal viele alte Leute interviewt hast, verstehst du vielleicht ,was ich meine.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Dann erzähl mal, was genau dich so grantelig macht?
Die Affäre Friedrich-Oppermann. Das ist doch ein Desaster. Ein Brief, der sechs Tage braucht um den Bundestagspräsidenten Lammert zu erreichen und dann ruft Oppermann beim BKA an wo man sich minutenlang anschweigt. Also der Ziercke sagt jetzt ja, er hätte damals nichts gesagt. Und dann der ganze Geheimnisverrat...

Findest du es denn richtig, dass Friedrich als Minister zurückgetreten ist?
Ja. Zwar hat Friedrich das alles offensichtlich gut gemeint, ist dabei aber an den falschen Adressaten geraten. Oppermann und Gabriel sind mit dem Wissen zu leichtsinnig umgegangen und ab da wurde es dann peinlich. Ein Horror.

Hätte es deiner Meinung nach also auch Konsequenzen bei der SPD geben müssen?
In der großen Koalition ist das wohl schwierig, aber eigentlich sind sie so schon zu billig davongekommen. Der SPD ist mit diesem Verhalten auf jeden Fall nicht geholfen. Nun ging es dabei ja eigentlich in der ganzen Sache um Sebastian Edathy und dass der Vorwurf der Kinderpornografie im Raum steht.

Findest du mit dem Thema wurde richtig umgegangen?
Nein. Wenn man in die Richtung Ermittlungen anstellt, muss man dann auch abwarten bis es eindeutige Ergebnisse gibt. Es an die Partei rauszugeben bevor die Ergebnisse justitziabel sind, finde ich falsch.

Du hast ja noch die Zeit erlebt, in der Pornografie generell strafbar war. Wie hast du den Wandel erlebt?
Das muss in den 60er oder 70er Jahren gewesen sein. Ich weiß noch, dass wir damals mit unseren Kindern nach Dänemark gefahren sind und hinter der Grenze bekamen die immer große Augen weil dort auf einmal überall nackte Frauen abgebildet waren.

Hast du ihnen dann die Augen zugehalten?
Quatsch! So etwas darf man nicht zu ernst nehmen und muss es entkrampfen. Sonst wird das für die Kinder ja zum seelischen Knoten, sie denken dann, das ist etwas Unaussprechliches, Schreckliches.

Ich erinnere mich noch, dass ihr früher die TV Spielfilm abonniert hattet. Da waren immer halbnackte Frauen drauf und wenn wir Kinder zu Besuch kamen, hat mein älterer Bruder die oft umgedreht, damit wir Kleineren das nicht sehen.
Ja? Das habe ich gar nicht mitbekommen. Solche Bilder laufen sich alle irgendwann ab, finde ich. Man kann das natürlich appetitlich oder unappetitlich finden. Aber es stört mich nicht mehr. Ich habe die TV Spielfilm auch immer noch im Abo. Oft gebe ich die aber an deinen Vater und lese lieber den „Gong". Da entsprechen mir die Filmbewertungen mehr. Wir haben da übrigens Mittwochabend einen wunderbaren Film auf Arte, meine ich, gesehen. Da ging es auch darum wie Jugendliche ihre Sexualität entdecken und dabei Klippen umschiffen müssen. Das fand ich gut gemacht. Was mich übrigens aber noch verärgert, bevor ich es vergesse: Der Wowereit!

Warum? Wegen des Flughafens?
Ja! Wowereit hat neulich gesagt, er bräuchte nach seinem Kenntnisstand nichts zu bereuen. Er hätte alles richtig gemacht, denn sonst hätte er es wohl damals nicht so entschieden. So oder so ähnlich hat er das gesagt und derartige Dickfelligkeiten ärgern und deprimieren mich.

Hast du eigentlich die Winterspiele in Sotschi verfolgt?
Nein. Das interessiert mich nicht. Ich bin der Meinung, Sport sollte man machen und nicht nur gucken.

Darin sind wir in unserer Familie ja eher nicht so gut...
Na hör mal! Ich habe Sport an der Orgel gemacht, mein Leben lang. Kannst du dir vorstellen, was das für eine Beingymnastik ist? Darüber hinaus habe ich es aber auch nicht geschafft, das stimmt schon. (lacht)

Na, das klingt doch so als sei der grantelige Opa wieder ein bisschen fröhlicher. Und eigentlich bist du ja wirklich selten grantelig.
Das ist nett, dass du das sagst. Das freut mich. Dass sie Christian Wulff nun endlich freigesprochen haben, war ja auch eine gute Nachricht. Ich hoffe nur, da legt jetzt keiner mehr Revision ein. Und in dem Film, den wir Mittwoch auf Arte gesehen haben, war der Opa auch immer die Lichtgestalt. Vielleicht hat er mir deshalb auch so gut gefallen. 

Text: charlotte-haunhorst - Illustration: Katharina Bitzl

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