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Schulz & Böhmermann: Bis zur Pimmelwitz-Eskalation

Foto: dpa

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Es sind etwa 50 Minuten der Sendung vergangen, als Olli Schulz Jan Böhmermann anschreit: „Halt die Klappe, ich muss das jetzt sagen dürfen!“ Er schreit das nicht ironisch, oder um lustig zu sein. Olli Schulz ist angepisst. Richtig angepisst. Weil er keinen "Pimmelwitz" machen darf.

Er streitet sich da schon zwei Minuten heftig mit dem Alt-Punk Schorsch Kamerun darüber, wie man über Sexismus diskutiert. Der vertritt die Fraktion Ernsthaftigkeit und ist gerade auf dem Höhepunkt seiner Genervtheit über das Diskussionsniveau der Sendung. Die Spaßmacher Olli Schulz und Jan Böhmermann werden seinem Anspruch nicht gerecht, weil sie vereinfachen und sich dem schwierigen Thema auch über Gags nähern wollen. Olli Schulz dagegen ist der Meinung, dass das ein Zeichen von Lockerheit sei und dass man gleichzeitig Pimmelwitze reißen und gegen Sexismus sein könne. Und das ruft er jetzt mit erhobener Stimme, ausladenden Gesten und noch mehr Schnappatmung als sonst in die Runde, so aufgebracht, dass alle sichtlich erschrocken sind.

Der Ausraster ist der Höhepunkt der Sendung, der Moment in dem endgültig klar wird: Diese Debatte führt zu nichts. Paradoxerweise ist das schlimm und toll zugleich.

Aber von vorne: In der ersten Folge der zweiten Staffel "Schulz & Böhmermann" (hier in der Mediathek anschauen) sitzen wie immer die beiden Moderatorenkumpels am Tisch mit vier Gästen, das Studio ist wieder retro, Rauchen wieder erlaubt, Hart-Alk wieder auf dem Tisch. Neu scheint zu sein, dass die Sendung diesmal ein klares Thema hat und man nicht mit vier mehr oder weniger zusammenhangslos zusammengewürfelten Menschen über dies und das redet und mal schaut, wo einen das Gespräch so hinführt. Heute in der Sendung sind alle erkennbar auf das Thema Geschlechterrollen und Sexismus hingecastet, jeder hat seine Funktion: der Uschi-Glas-Sohn und Skandalpromi Ben Tewaag soll die Machorolle geben, der Alt-Punk, Rebell und Theatermacher Schorsch Kamerun ist der sensible Intellektuelle, der Soziologe Rolf Pohl ist als Experte aus der Wissenschaft da und die Journalistin Laura Himmelreich muss wieder mal als Auslöserin der Brüderle-Aufschrei-Sexismus-Debatte auftreten.

Wer jetzt mitgezählt hat, merkt schon: Talk-Sendung über Sexismus mit einer Frau und fünf Männern? Schwierig. Es reden auch die ersten zehn Minuten nur die Männer, über die vermeintliche Verweichlichung ihres Geschlechts und darüber, wie Komplimente gehen (nicht unbedingt so, wie Ben Tewaag es bei Laura Himmelreich versucht: "Ich finde erfolgreiche Frauen attraktiv"), und Laura Himmelreich sieht aus, als würde sie am liebsten wieder gehen, bevor sie auch nur einen Satz gesagt hat.

Was übrigens der rote Faden der Sendung ist: genervte, mit der Diskussion unzufriedene Menschen. Ausnahme: der Soziologe Pohl, der einzige, der es schafft, mit seinem fundierten Wissen das Gespräch weiterzubringen.

Ansonsten:

  • Ben Tewaag, der tatsächlich die Klischeesprüche bringt, die man von ihm erwartet und ansonsten genervt davon ist, dass Böhmermann ihn durch das Zitieren von Bild-Schlagzeilen in die Sexisten-Macho-Rolle drängen will.

  • Laura Himmelreich, die Sexismus richtig als „Multiproblemkonstrukt“ definiert und auch bald das Gefühl hat, dass die Diskussion dem nicht gerecht werden kann, wegen der Zoten, der Schnoddrigkeit von Schulz und dem offensichtlich nicht gut aufs Thema vorbereiteten Böhmermann. Das geht so weit, dass sie nicht mal mehr Bock hat, mitzudiskutieren: „Das ist mir zu diffus oder zu platt. Und dann hab’ ich nicht so richtig das Bedürfnis, mich hier einzumischen“, sagt sie und fügt irgendwann noch hinzu, was für Schulz und Böhmermann wahrscheinlich noch kränkender ist: „Das ist auch nicht so witzig.“

  • Olli Schulz, der es so gerne ernsthaft und witzig zugleich hätte und es nicht wahrhaben will, dass das nicht klappt und vielleicht auch nicht klappen kann.

  • Jan Böhmermann, der oft einfach überfordert erscheint. Von seinem aufbrausenden Co-Moderator, von den klugen Ausführungen des Wissenschaftlers, bei denen sein sonst immer vorhandenes Dauer-Ironiegrinsen sich in ein konzentriertes und angestrengtes Gesicht verwandelt. Und von den Argumenten von Kamerun und Himmelreich.

  • Und dann eben Schorsch Kamerun, der sich eine Debatte auf hohem Niveau wünscht, wie es sie seiner Meinung nach in normalen Talkshows nicht gibt. Warum er sie allerdings bei Schulz & Böhmermann erwartet hat, fragt sich da nicht nur der Zuschauer sondern ganz offensichtlich auch zunehmend er selbst – bis zur bitteren Pimmelwitz-Eskalation. 

Am Ende der Sendung verlassen die Gäste wie gewohnt den Tisch und die Moderatoren lassen das Erlebte Revue passieren. Jan Böhmermann ist immer noch ein bisschen geschockt vom Wutausbruch seines Kollegen und sagt, er gehe „zerfleddert aus dieser Sendung“. Olli Schulz ist dann doch irgendwie zufrieden, weil eine Fernsehdebatte über Sexismus und Geschlechterrollen seiner Meinung nach gar nicht unbedingt zu einem Ergebnis führen muss: „Man muss das besprechen, ohne zu hoffen, eine Lösung zu finden.“

 

Und damit hat er Recht: Die Sendung hat in all ihrer ehrlichen Dysfunktionalität damit vielleicht genau das gezeigt, was das Wichtigste ist, wenn wir bei dem Thema weiterkommen wollen: Dass wir noch nicht sehr weit sind.

 

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