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Leonhard Dobusch will das ZDF vor dem Internet retten

Foto: privat

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Ein Horrorszenario der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender geht so: Das Internet ersetzt das Fernsehen. Alle schauen nur noch Youtube und Snapchat-Stories. Bald erinnert sich niemand mehr an ARD und ZDF. Es gibt keinen Grund mehr für den Rundfunkbeitrag. Die öffentlich-rechtlichen Sender verschwinden.

Das Szenario ist nicht neu, aber Leonhard Dobusch beschäftigt es derzeit sehr. Dobusch macht sich seit einem Jahr Gedanken, wie es verhindert werden könnte: Seit einem Jahr vertritt er im ZDF-Fernsehrat die Gebührenzahler gegenüber dem Sender —  als dessen erster Internet-Experte.

Als er 2016 berufen wurde, fanden das manche lustig. "Das ZDF hat jetzt Internet", witzelte die SZ. Bisschen spät, nicht? 

Leonhard Dobusch schlägt da einen ernsteren Ton an. Er sagt: "Dass es beim ZDF jemanden gibt, der für Internet zuständig ist, sagt viel über den Zustand der öffentlich-rechtlichen Sender aus". Und er meint: Wer einen einzelnen Internet-Experten engagiert, der sieht das Internet wohl als ein Fachgebiet von vielen. Das hält er für ein Problem: Denn in den Augen des 36-jährigen Dobusch ist es für einen Sender wie das ZDF viel mehr: große Bedrohung, Möglichkeit zum Austausch – und letzte Überlebenschance.

Dobusch glaubt, dass nur das Internet selbst das ZDF vor dem Verschwinden bewahren kann. Er spricht vom Segelschiff-Effekt: "Die größten Innovationen in der Segelschifffahrt gab es, als die die Dampfschiffe kamen."

Das Internet kann nur bezwungen werden, wenn das ZDF dort mitmacht? "Der Sender muss in der neuen digitalen Öfffentlichkeit eine starke Stellung beziehen", sagt Dobusch, "nur so lassen sich in Zukunft sieben Milliarden Euro Rundfunkgebühren rechtfertigen". 

 

Klar: Wenn niemand mehr ZDF schaut, will auch niemand mehr dafür zahlen. Kann Leonhard Dobusch das überhaupt verhindern? 

 

Seine größte Idee klingt erstmal absurd – aber sie ist genial

 

Seit zehn Jahren forscht er über Urheberrecht. Er bloggt für Netzpolitik.org. Er ist nicht nur Internetoptimist, sondern auch Fachmann. Wenn er dann mit rasender Stimme seine Ideen erzählt, wie das ZDF im Internet gerettet werden kann, will man ihn am liebsten sofort machen lassen. 

 

Dabei klingt seine größte Idee erst mal absurd – aber sie ist genial: die Vereinigung von ZDF und Wikipedia. Für Dobusch ein "Match, made in Heaven“. 

 

Dann erklärt er. "Es gibt zu jeder Landtagswahl einen großen Wikipedia-Artikel. Was wäre naheliegender, als die Diskussionen, die Elefantenrunde, die Bilder vom Wahlabend in diese Artikel einzubinden?"

 

Ein Sender, den alle finanzieren, würde seine Inhalte für alle frei zur Verfügung stellen — das ginge, unter der freien Creative-Common-Lizenz, die auch für alle Wikipedia-Inhalte gilt. Dobusch findet das nur logisch: "Das ZDF würde dadurch seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag erfüllen."

 

Es wäre nicht nur die Pflicht des ZDF, sagt der Forscher Dobusch, es wäre auch seine Rettung: "Wir müssen dorthin gehen, wo unsere Beitragszahlenden sind: Unter den 13 bis 18-Jährigen nutzen 85% regelmäßig Wikipedia, die gucken da jede Woche rein."

 

Wikipedia könnte auch dem Journalismus helfen. "Die haben die umfassendsten Erfahrungen in Sachen Fake News", setzt Dobusch an, "die sind seit Tag eins damit konfrontiert, dass Leute bei ihnen falsche Sachen reinschreiben." 

 

Privataccounts laden ZDF-Sendungen auf YouTube. Dobusch findet, die Leute tun dem Fernsehen einen Gefallen

 

Mit Wikipedia zu kooperieren fände er auch besser, als auf kommerziellen Plattformen zu senden: Facebook, YouTube. Dobusch geht noch weiter, er fragt: "Warum schaufelt das ZDF seine Inhalte einfach so zur Konkurrenz rüber?"

 

Schon jetzt laden Privataccounts manche ZDF-Sendungen auf Youtube, zum Beispiel die "heute-show". Das gefällt Dobusch: "Die Leute tun dem Fernsehen einen Gefallen", meint er, "weil sie zur Verbreitung der Inhalte beitragen." Dobusch findet, dass der Sender "so breit wie möglich zugänglich sein sollte." 

 

Klar: Das Urheberrecht steht dem Forscher Dobusch im Weg. Er, der sich bestens auskennt, sagt heute: "Wenn wir das Urheberrecht wörtlich nehmen würden, dann gäbe es keine Remixes, keine Mash-Ups, keine Memes." Er sei kein Freund von Reinheitsgeboten und Purismus.

 

Leonhard Dobuschs Leidenschaft für freie Fluktuation im Internet ist auch ein Kampf gegen alte Regeln und falsche Vorstellungen: "Es gibt beim ZDF Leute, die sagen: Ein öffentlich-rechtliches Archiv, das ist Minderheitenkram, wir brauchen das nicht. An denen scheitert es derzeit." 

 

Doch Dobuschs Kritiker haben Argumente. Wikipedia mit ZDF-Videos zu durchsetzen würde bedeuten, dass keine Filme und Sendungen mehr wiederholt würden – was die Filmemacher um Einnahmen brächte. Diese werden jedes Mal vergütet, wenn eine Wiederholung läuft. Dobusch hat dafür Verständnis, er fordert: "Da müssen neue Modelle her." 

Der Traum vom großen öffentlich-rechtlichen Archiv lässt Dobusch euphorisch werden: "Was für ein hypermegageiles Nachrichtenarchiv wäre das, wenn alle Beiträge der letzten zehn Jahre verfügbar wären!"

 

Nostalgische Fußballspiele, wie das 7:1 zwischen Deutschland und Brasilien. Historische Nachrichtensendungen, wie jene über Trumps Wahlsieg. "Das wäre so toll", sagt Dobusch, "das macht mich wirklich wahnsinnig. Dass alles verschwindet, das ist zum Weinen."

 

Drei Jahre hat Dobusch noch Zeit, dann läuft sein Amt im Fernsehrat erst mal aus. Im Kampf gegen das Verschwinden ist die Zeit nicht auf seiner Seite. "Die größte Gefahr ist, dass die das aussitzen", sagt er über das ZDF. Dagegen hat er eine Strategie: "Immer wieder nachbohren, Druck machen und nerven."

 

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