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Das ist... Alina Sonnefeld, die Jenas Partyszene revolutioniert hat

Foto: Leander Brandstädt

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Das ist... 

… Alina Sonnefeld, die es leid war, beim Feiern in ihrer Heimatstadt Jena ständig von fremden Männern angefasst oder sogar geküsst zu werden. Vor einem Jahr verfasste sie deshalb eine Mail an die Inhaber ihrer Lieblingsclubs in Jena, in der sie unter anderem schrieb:

„Es darf nicht sein, dass sechzehnjährige Mädchen, die das erste Mal mit Muttizettel ausgehen, von hinten angetanzt, angefasst und ohne ihr Zutun geküsst werden und denken, dass das normal ist. Ist es nämlich nicht. Das ist scheiße.“

Auch bei den Türstehern fand sie selten Gehör und traute sich irgendwann kaum noch, diese anzusprechen und um Hilfe zu bitten, schreibt sie im gleichen Brief. Heute erinnert die Zwanzigjährige sich: „Der Schlüsselmoment war, zu merken, dass nicht nur ich das so erfahre, sondern die meisten Frauen, mit denen ich geredet habe. Eigentlich fast alle. Das kann doch nicht normal sein, dachte ich damals.“ Sechs weitere Frauen unterzeichneten den Brief, den die damals 19-jährige Alina per Mail verschickte. Die Reaktion fielen zuerst aber eher mau aus.

Die kann... 

… ziemlich hartnäckig sein. Denn bis auf den linken Club „Kassablanca“ reagierte erst mal keiner der angeschriebenen Clubs. „Viele dachten vielleicht, man kann das einfach unter den Teppich kehren“, meint Alina heute, „aber als ich dann mit sechs anderen Frauen damit an die Presse gegangen bin, mussten sie sich doch damit auseinandersetzen.“

Die kommt... 

… also schon vor #metoo auf die Idee, sexuelle Belästigung im Alltag anzuprangern. Als ein halbes Jahr später die #metoo-Diskussion losbricht, trifft sie in Jena einen Nerv, den Alina schon viel früher freigelegt hat.

Die geht... 

… mittlerweile in Leipzig feiern, da studiert sie jetzt nämlich seit einem Semester Geschichte. Trotzdem versucht sie weiterhin, das Thema präsent zu halten. Sie findet: „Die öffentliche Debatte ist der erste Schritt, dass sich mit dem Thema sexuelle Belästigung auseinandergesetzt wird. So kompliziert ist es ja auch nicht: Das ist scheiße und das soll man nicht machen. Und wer es erlebt, muss sich wehren! Wenn er oder sie kann.“ Wenn sie heute mal in Jena ist und feiern geht, fällt ihr auf, dass sich wirklich etwas verändert hat: „Wir passen besser aufeinander auf, wenn wir feiern gehen. Viele Clubs haben Plakate aufgehängt, an wen man sich bei einem Übergriff im Club wenden kann, oder Schulungen für ihr Personal gemacht. Ich selbst habe einen Workshop in einem meiner Lieblingsclubs, dem Kassablanca, mitorganisiert, wo es darum ging, wie man feministsich feiern kann, sodass alle sich wohlfühlen.“ Wie viel sich in diesem einen Jahr getan hat, das hat der Krautreporter-Autor Christian Gesselmann im Februar in Jena getestet – und war danach sehr beeindruckt, von der Reaktion der Clubs und der Stadt.

Wir lernen daraus, dass... 

… eine E-Mail manchmal genauso wirkungsvoll sein kann wie jede Influencerin auf Instagram. Dabei hatte Alina anfangs gar nicht daran gedacht, eine größere Debatte loszutreten, sagt sie: „Ich wollte keine krasse Kampagne starten, sondern in erster Linie mit denen reden.“ Das klappte dann aber so gut, dass man sie jetzt vielleicht doch als Influencerin bezeichnen könnte. 

Nur Google weiß über sie, dass... 

… nach ihrem Brief der obligatorische Shitstorm von Rechten und Anti-Feministen ausbrach, die Flüchtlinge oder Alinas Aussehen für die Übergriffe verantwortlich machen wollten. Alina erinnert sich: „Meine Familie war mein Rückzugsort in dieser Zeit, denn es gab auch viel Hass.“ Die Hetze fiel dabei immer gleich aus: Victim Blaming, Beleidigungen bis hin zu Vergewaltigungswünschen. „Ich habe das völlig ignoriert, weil ich mich damit nicht beschäftigen wollte, ich hatte echt bessere Dinge zu tun. Besonders krass war es aber für Leute in meinem Umfeld – wie meine Mama, die online die schlimmsten Sachen über ihre Tochter lesen musste.“ Hilfe holte sich Alina von der Feministin Anne Wizoreck, die immer wieder von Shitstorms heimgesucht wird und ihr via Skype Tipps zum Umgang mit Hassnachrichten gab.  

Noch mehr mutige Frauen, die auf Sexismus reagieren:

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