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Politische Frauenmagazine müssen in den Mainstream
Stolz streckt die Frau in dem wadenlangen schwarzen Kleid einen brennenden Bengalo in die Höhe. Ob sie für den Aufruf zum politischen Engagement, die Rebellion gegen verknöcherte Strukturen oder für die Emanzipation der Frau (oder das alles gleichzeitig) steht, bleibt der Interpretation des Betrachters überlassen. Die Frau ziert das Cover der allerersten Ausgabe des F Mag. Das Magazin für junge Frauen von Anfang 20 bis Ende 30 ist ein Projekt von Absolventinnen der Journalistenschule Henri-Nannen in Hamburg, das zunächst einmalig am Weltfrauentag, erschienen ist.
Ein Frauenmagazin, nun gut, mag man sich da denken. Wer schon einmal beim Arzt war – und wir waren alle schon mal beim Arzt – der hat auch schon ein Frauenmagazin in der Hand gehabt. Meistens sollen Frauen dort etwas über schöne Menschen, schöne Mode, schönes Essen lernen. Abenteuerlich wird es auf den Reiseseiten, wo die komfortabelsten Spas in der Schweiz vorgestellt werden. Und damit man den Blättern keine Verklemmtheit unterstellen kann, ist natürlich auch ein bisschen Sex dabei. Dabei unterstellen mir die meisten Frauenzeitschriften, dass ich irgendwas verbessern möchte oder müsste: "So bekommen Sie Ihr Bauchfett weg", "Diese Sexstellungen machen ihn verliebt", "Diese Kleidungsstücke machen Sie attraktiver".
Zum Zeitvertreib ja ganz nett, okay. Aber von langfristiger Beschäftigung kann man nicht wirklich sprechen: Ein typisches Frauenmagazin ist in einer halben Stunde durchgelesen. Sind ja meistens auch mehr Bilder als Text. Mein Hang zum Überfliegen der Texte könnte aber auch an den im Jahresturnus wiederkehrenden Themen liegen. Kann ich wirklich auch dieses Jahr noch etwas Neues über Heuschnupfen lernen? Außerdem wundere ich mich beim Lesen schnell, ob all die gesellschaftlichen Probleme in den Nachrichten überhaupt real sind. Politik? Gesellschaftskritik? Finde ich in Frauenzeitschriften selten bis nie.
Genau diese Nische wollen die jungen Blattmacherinnen von F Mag ausfüllen. Die sechs Frauen zwischen 26 und 32 eint das Interesse an "Politik, Sex und Lametta", so der Untertitel des Magazins. Das wird – paradoxerweise – erstmal in der Brigitte-Gruppe erscheinen, der etablierten, doch sehr klassischen Frauenzeitschrift des Gruner + Jahr-Verlags, der die Henri-Nannen-Schule mitfinanziert. Inspiration für F Mag boten neuere Formate für Frauen wie das Blonde Magazin, Missy und Fräulein, aber auch Edition F und Broadly, erzählt Chefredakteurin Sara Schurmann am Telefon. "Allerdings fehlte uns bisher der Fokus auf Politik und Gesellschaft. Wir sind überzeugt, die Zeit ist reif für ein Frauenmagazin, in dem Politik einen hohen Stellenwert hat. Wir wollten daher ein emanzipiertes und trotzdem irgendwie mainstreamiges Magazin machen, das viele anspricht."
Als Sara von der Inspiration für das F Mag erzählt, fällt mir eines sofort auf: Vom Blonde Magazine habe ich noch nie gehört. Bei Missy und Fräulein tut sich zwar was in den Tiefen meines Gedächtnisses, in der Hand gehabt habe ich die aber auch noch nicht. In meiner trüben Erinnerung stehen die für eine Verbindung von Feminismus mit aktueller Popkultur, für Selbstbestimmtheit, die Begeisterung für Modeaccessoires nicht ausschließt.
Diese "anderen" Frauenmagazine kann man nicht bei Lidl in der Zeitschriftenecke finden
Wie ist das möglich, dass ich die nicht schon regelmäßig kaufe? Ich bin doch jung, weiblich, Studentin und habe einen Internetzugang, den ich nicht bloß nutze, um Katzenvideos zu schauen, sondern durchaus auch, um mich zu informieren. Trotzdem habe ich von keiner einzigen meiner Freundinnen jemals einen Link zu einem Artikel von Edition F oder Broadly bekommen, obwohl wir allesamt Publizistik, Politik- und Sozialwissenschaften studieren und gerne mal über Alltagssexismus diskutieren. Wie bin ich bisher an den Magazinen vorbeigekommen, die für Frauen auch über gesellschaftlich relevante Themen schreiben?
Scheinbar liegt genau hier ein grundlegendes Problem der Frauenmagazin-Landschaft. Diese "anderen" Frauenmagazine kann man nicht bei Lidl in der Zeitschriftenecke finden, sie liegen nicht im Wartezimmer aus. Sie sind Underdogs, die nur die Leserinnen erreicht, die sowieso schon emanzipiert, politisch gebildet und Feministinnen sind.
Dabei ist es gar nicht so, dass die Nachfrage für solche Frauenmagazine bei mir und in meinem Freundeskreis nicht vorhanden wäre. Wir haben nur nicht auf dem Schirm, dass es sie gibt. Wahrscheinlich auch deswegen, weil sie nicht in den großen Verlagen erscheinen, sondern in Mini-Verlagen oder wie Missy im Selbstverlag. Da ist die Reichweite natürlich nicht besonders hoch. Kein Wunder also, dass viele Blattmacher glauben, die politisch interessierte Frau sei keine Zielgruppe. "Als wir vor knapp eineinhalb Jahren die Idee zu F Mag hatten, war einer der Haupteinwände von Bekannten der Redaktion, dass Frauen doch gar kein politisches Interesse besäßen", erzählt Sara. In einem Land, an dessen Spitze seit mehr als einem Jahrzehnt eine Bundeskanzlerin steht, schockiert mich diese Einschätzung.
Ein weiteres Problem der Underground-Frauenzeitschriften ist, dass ihr feministischer Anstrich die Normalo-Frau durchaus abschrecken kann. Aus unbestimmten Gründen verbinden selbst viele Frauen Feminismus mit einer ärgerlichen Überreaktion männerhassender Egozentrikerinnen, die längst überflüssig geworden ist. "Fünf von uns sechs Redakteurinnen haben erst bei der Arbeit an F Mag gemerkt, dass sie eigentlich Feministinnen sind. Genau diesen Zugang zum Feminismus wollten wir den Lesern und Leserinnen schaffen, indem wir ganz unverklemmt und humorvoll an das Thema rangehen", sagt Sara.
Beim Feminismus geht es um Themen, die jede Frau interessieren müssten
Das macht das F Mag dann auch, in "31 Fragen an den Feminismus" zum Beispiel. Beim Lesen merkt man schnell, dass es da doch eigentlich um Themen geht, die jede Frau interessieren müssten, nicht nur die, die gemeinhin als feministische Aktivistinnen gelten. Es geht um ein gleichberechtigtes Zusammenleben, Liebe und politische Mitbestimmung. Nicht darum, Plakate zu schwenken, die die Abschaffung der Männer fordern.
"Wir wollten ein Magazin machen, das man der kleinen Schwester in die Hand geben kann, ohne dass sie sich nach dem Lesen hässlich fühlt oder eine Diät machen will", sagt Sara. Ich selbst habe nach meinem letztwöchigen "Germany’s Next Topmodel"-Mädelsabend irgendwie doch ein bisschen frustriert in den Spiegel geschaut, obwohl ich das Alter der Selbstzweifel über mein Aussehen schon längst hinter mir gelassen haben sollte. Klassische Frauenmagazine bieten diesen Frauenbildern Raum – und deprimieren mich bisweilen genauso.
Und deswegen brauchen wir ein Frauenmagazin wie F Mag. Und diese Frauenmagazine müssen auch in Wartezimmern ausliegen und dürfen nicht nur über Plattformen im Internet gefunden werden, wenn man "politisches Frauenmagazin" googelt. Damit auch eine Durchschnittsfrau zufällig darauf stößt und erkennt, dass sie vielleicht doch eine Feministin ist, obwohl sie beim Sex gerne unten liegt. Weil sie durch das neue Themenangebot vielleicht erst erkennt, dass sie sich auch für Politik interessiert, wenn verständlich und lebensnah damit umgegangen wird.
Wenn Magazine wie das F Mag im Mainstream angekommen sind, wenn zum Leben der modernen Frau eine politische Frauenzeitschrift gehört und zum Leben des modernen Mannes Frauen, die politische Frauenzeitschriften lesen – dann besteht die Chance, dass eine politisch interessierte Frau irgendwann niemanden mehr überrascht. Und eine Frauenzeitschrift wird nicht mehr etwas ist, das ich verstohlen im Wartezimmer lese, weil ich mit der Autobild nichts anfangen kann.