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Medien lieben "Angry Young Women"

Illustration: Daniela Rudolf

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Dieser Text hat ein Problem. Er steht sich selbst im Weg. Ein bisschen zumindest. Weil ich eine Frau bin und weil hier eine Meinung vorkommen wird. Zum Glück, wie ich glaube, keine allzu provokante. Das könnte mich (und uns alle) vor Schlimmerem bewahren. Fangen wir also erst mal einfach an:

Vergangene Woche war ich bei einer Podiumsdiskussion, bei der Laurie Penny, feministische Autorin und Bloggerin aus England, und Marlene Streeruwitz, österreichische Schriftstellerin und Feministin, über den „neuen Frauenhass“ diskutierten. Internethetze, Pick-up-Artists, so was. Marlene Streeruwitz erzählt davon, wie sie in den Kommentaren unter einem ihrer Artikel online beschimpft wurde, und sagte, Frauenhasser seien rentable Leser, weil sie so lange auf der Seite blieben. Die Medien machten mit Frauenhass also Geld. Laurie Penny stimmte ihr zu und konnte noch eine Erfahrung ergänzen: „Ich habe schon mit Herausgebern zusammengearbeitet, die nicht wollten, dass ich über Wirtschaftsthemen schreibe – sie wollten lieber, dass ich darüber schreibe, ob man sich die Vagina rasieren soll oder nicht.“ Die Aufforderung an sie, sagte sie, laute oft: „Wir wollen, dass du provokant bist.“

Es bleibt das ungute Gefühl, dass junge Frauen in den Medien verheizt werden. 

Laurie Penny hat vor einiger Zeit mal einen Kommentar für den Independent geschrieben, Titel: „A woman’s opinion is the mini skirt of the internet“.  Heißt: Wenn eine Frau eine klare Meinung vertritt und wenn sie dafür beschimpft wird (mit Kommentaren wie „Du bist hässlich!“ und „Die muss nur mal einer so richtig durchficken!“), dann wird ihr gesagt, sie sei selbst Schuld. Wer eine provokante Meinung habe, müsse halt auch einstecken können. Klassisches Victim Blaming. Das ist nichts Neues. Zwischen diesem Text von Laurie Penny aus dem Jahr 2011 und der Podiumsdiskussion 2016 ist allerdings etwas passiert: Aus „Du bist provokant“ ist „Sei provokant!“ geworden.

Mal davon abgesehen, dass man darüber streiten kann, was provokant ist („Ich bin es gar nicht“, sagt Laurie Penny, „ich habe doch bloß eine Meinung!“), und auch darüber, was man von Laurie Penny halten soll – es bleibt das ungute Gefühl, dass Frauen, vor allem junge Frauen, in den Medien verheizt werden. Dass meinungsstarke Texte von Frauen sich besser verkaufen und darum gewünscht werden. Und dass diese Frauen gleichzeitig mehr Angst haben müssen, weil die organisierten Maskulinisten und andere Frauenhasser überall und immer öfter aufploppen und die Kommentarspalten zuspammen.

Ich kenne beides. Zum einen die Aufforderung zur Provokation. Eine Kolumne von mir wurde mal mit der Begründung abgelehnt, ich sei darin nicht „angry young woman“ genug, aber genau das wollten sie eben: eine wütende junge Frau. Einen wütenden jungen Mann will keiner, eine reflektierte junge Frau anscheinend aber auch nicht. Ich kenne aber auch die Beschimpfungen, wenn man seine Meinung äußert. Als ich mal eine Youtube-Serie kritisierte, deren Protagonist ein junger Mann ist, wurde in den Kommentaren sehr viel über meine angebliche Frustration geschrieben und dass ich sicher mal eine Abfuhr von dem jungen Mann bekommen hätte. Das Wort „hysterisch“ fiel mehrfach. Ein Mann, der die Sendung einer Frau nicht gut findet, ist nie frustriert. Ein Mann gilt auch nie als hysterisch.

Wer als Frau eine Meinung hat und darüber schreiben möchte, muss sich also sehr genau überlegen, ob und wie das eigene Geschlecht am Ende in der Lesart und Diskussion eine Rolle spielen könnte und sich darauf gefasst machen, dass es dreckig werden wird. Das nervt. Die Diskussionen haben dann zwei Gleise: zum einen das Thema des Textes, zum anderen Beschimpfungen der Autorin, die irgendwie mit ihrem Geschlecht zu tun haben. Das nervt auch.

Besonders nervt aber, wenn daraus Kalkül wird: wenn Frauen vorgeschickt und gebeten werden, doch bitte besonders „angry“ zu sein. Man nimmt in Kauf, dass das für sie gefährlich werden könnte. Laut einer UN-Studie zur Gewalt im Netz von 2015 wird davon ausgegangen, dass 57 Prozent der Amerikaner, die online Gewalt erfahren, Frauen sind. Vor allem für junge Frauen zwischen 18 und 24  ist das Risiko groß. Unter solche Online-Gewalt fallen zum Beispiel Stalking, aber auch Mord- und Vergewaltigungsdrohungen. Laurie Penny schreibt in ihrem Independent-Artikel über diese „amorphous mass of almost-entirely male keyboard-bashers to tell you how they’d like to rape, kill and urinate on you.“

Es ist schlimm genug, dass die Meinung einer Frau immer noch als die Meinung einer Frau gelesen wird. Und nicht einfach als Meinung.

Wie absurd das alles mittlerweile ist, das konnte man vergangenes Jahr gut beobachten, als die Welt Ronja von Rönnes berühmten Text „Warum mich der Feminismus anekelt“ veröffentlichte. Der funktionierte nach der guten alten Medienregel: „Wenn dir eine Meinung zu langweilig vorkommt, behaupte einfach das Gegenteil!“ Der Teaser der Serie, in der Ronja von Rönnes Text erschien, machte da gar keinen Hehl draus: „Die Feminismusdebatte ist langweilig geworden. Wir wollen das mit Radikalpositionen verändern.“ Nicht mal Ronja von Rönne selbst machte einen Hehl daraus, denn später sagte sie mal, sie probiere Meinungen an, wie sie Kleider anprobiere. Sie hat sich verheizen lassen. „Sei provokant!“ Sie war so provokant, dass sie einen wochenlangen Shitstorm über sich ergehen lassen musste und auch die rentablen Frauenhasser wieder auftauchten. Indem sie ihr Beifall klatschten. 

Laurie Penny hat dann auf dem Podium noch gesagt, dass sie sich heute einfach weigert, über Intimrasur zu schreiben. Das sei auch ein feministisches Statement. Sie will sich nicht verheizen lassen. Ihre Meinung will sie trotzdem sagen. Auch das kann sie und jede andere Autorin natürlich in die Gefahr bringen, dass wieder jemand damit droht, sie zu vergewaltigen. Aber so eine Drohung lässt sich leichter wegstecken, wenn man hinter dem steht, was man da geschrieben hat. Es ist ja schon schlimm genug, dass die Meinung einer Frau immer noch als die Meinung einer Frau gelesen wird. Und nicht einfach als Meinung.

Aus diesem Missstand sollte man nicht auch noch Profit schlagen, indem man sich von Autorinnen wünscht, besonders „angry“ und provokant zu sein. Darum steht sich dieser Text am Ende zum Glück doch nicht selbst im Weg. Den hat nämlich niemand in „angry“ bestellt.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Textes wurde die UN-Studie falsch wiedergegeben. Das haben wir korrigiert. Die Studie war im vergangenen Jahr generell umstritten, warum, kann man hier nachlesen.

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