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Sollte man Weihnachten traditionell feiern oder nicht?

Collage: Daniela Rudolf

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Die (Vor-)Weihnachtszeit ist voll von kleinen Ritualen und großen Traditionen. An ihnen scheiden sich jährlich die Geister: Die einen hassen den Trubel rund um das Fest, die anderen genießen nichts mehr. Folge fünf der großen Streitfragen rund um Weihnachten: Oh, du spießige oder alles anders machen?

Mercedes wünscht sich so richtig spießige Weihnachten:

Ich stehe zur Zeit oft vor den Schaufenstern eines großen Münchner Feinkostgeschäfts herum. Ich schwärme heimlich die Deko dieser Schaufenster an. Sie besteht aus verschiedenen, pompös gedeckten Festtafeln für Weihnachten. „DAS WILL ICH AUCH!“ denke ich. Kann man natürlich niemandem erzählen, ohne verächtlich angesehen zu werden. 

DU, Mercedes? Die sich einen Freigeist schimpft? Willst SOWAS?

Es ist fürchterlich en vogue, Weihnachten zu hassen. Ich kenne viele Menschen, die jedes Jahr aufs Neue abgeklärt behaupten, diesmal endlich ernst zu machen mit dem Weihnachtsstreik. Ciao Weihnachten, sagen sie, du verlogener Kitsch, du Stresskatalysator, du Konsumterror, du Sammelcontainer sämtlichen sozialen und gegenständlichen Übels! 

Und ich bin nicht d’accord! Ich will ein richtig spießiges, Alle-Jahre-wieder-Weihnachten, über das ich mich ebenfalls kokett auskotzen kann, während ich es heimlich genieße.

Leider habe ich es nicht. Zuletzt hatte ich es mit neun Jahren, oder mit acht, ich weiß nicht mehr genau, wann der Zerfall unserer Bilderbuch-Großfamilie seinen Anfang nahm. Seither ist viel passiert, nur nichts Vorhersehbares. Die einzige Konstante am Weihnachten meiner Familie besteht seit 20 Jahren darin, dass es jedes Jahr völlig anders, an unterschiedlichen Orten und mit unterschiedlichen Menschen stattfindet. 

Cool! Sagen jetzt viele. Finde ich rational gesehen eigentlich auch. Mit diesem unsteten Dasein lässt sich hervorragend kokettieren. 

Aber leider wohnt in mir ein sechsjähriges Kind, das sich nach nichts mehr sehnt, als sich bereits am 22. Dezember abends Plätzchen-überfressen ins 29 Jahre alte Daunenkissen des einstigen Kinderzimmers fallen zu lassen, den gelb-blau-roten Kassettenrekorder mit der völlig ausgeblichenen „Der kleine Wassermann“-Kassette einzuschalten und im geborgenen Wissen einzuschlafen, dass morgen pünktlich um zehn Mama oder Papa (am besten beide und zwar die ECHTEN, nix mit Stief- oder sonstwas) in der Tür stehen und damit nerven, dass ich noch das Wohnzimmer staubsaugen soll. Dass ich Nachbarsfamilie Dubberke das alljährliche Plätzchenpaket vorbeibringen soll. Und danach mit meinem Bruder zusammen auf dem Hof vom alten Hans Gans die frisch geschlachtete Weihnachtsente abholen.

Wie jedes Jahr! 

Oh, „wie jedes Jahr“! 

Musik in meinen Ohren!

Auf dem Redaktionsschreibtisch liegt derzeit ein Rezensionsexemplar des Buches „7 Kilo in 3 Tagen: Über Weihnachten nach Hause“. Angekündigt wird das Buch in der Presseinformation so: „Bastian fährt über die Weihnachtstage zu seinen Eltern, heim in die Kleinstadt, dem Ort voll trauter Tristesse, Jugenderinnerungen und des besten Biers des Planeten. Alles ist wie jedes Jahr: (…).“

Ich bin neidisch darauf. Wenn ich eines Tages eine eigene Familie habe, werde ich ein eigenes Weihnachten etablieren. Wohlwissend, wie konservativ und spießig und scheinheilig es ist. 

Es muss sein. Ich werde es durchziehen. Bis an mein Lebensende. Ohne Rücksicht auf Verluste! 

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Lara wünscht sich endlich mal ein „anderes Weihnachten“:

Vielleicht spricht das gebrannte Kind aus mir, wenn ich sage: Ich möchte nicht jedes Jahr das gleiche Weihnachtsfest feiern. Und das liegt nicht nur daran, dass Weihnachten, so wie es jetzt ist, mit all den Essens- und Bescherungsvorbereitungen vor allem Stress bedeutet. Mich nervt einfach dieses Festklammern an Traditionen, die mindestens die Hälfte der Familie gar nicht mal so gut findet.  

 

Das In-die-Kirche-Gehen zum Beispiel. Klar, Weihnachten ist ein christliches Fest. Aber wer den gesamten Rest des Jahres keinen Gedanken an Religion verschwendet und dann am 24. Dezember Vaterunser, Glaubensbekenntnis und was sonst noch so anfällt herunterbetet, kommt mir ehrlich gesagt etwas heuchlerisch vor. Ich jedenfalls fühle mich immer wieder unwohl, wenn ich an Heilig Abend die fragenden Blicke des Dorfpfarrers ertragen muss. Der hat nämlich absolut keine Ahnung, wer ich eigentlich bin. Und dann muss ich mir auch noch bei jedem Lied oder Gebet überlegen, ob ich da jetzt mitsingen oder -sprechen sollte. Ob es mich zu einem schlechteren oder besseren Menschen macht, wenn ich es lasse. 

 

In meiner Familie läuft in den Weihnachtstagen auch außerhalb der Kirche alles unter dem Motto „ruhig und besinnlich“. Die Lichter werden gedimmt, wir machen weihnachtliche Musik und beten dann noch einmal vor dem Essen. Danach werden Geschenke ausgepackt und Plätzchen gegessen. Gegen 21:30 Uhr fallen alle ins Fress-Koma. Dabei will ich nicht müde sein. Ich will endlich mal eine richtige Party. So blöd das klingt: Ich bin neidisch auf Familien, die an Heiligabend trinken und so richtig die Sau rauslassen. Noch mehr auf solche, bei denen jeder am Ende noch einmal ungefragt losziehen kann, um mit Freunden zu feiern.

 

Ich würde – wenigstens einmal, Testlauf-mäßig – am liebsten alles ändern: Ort, Menü, sogar die personale Besetzung. Seit 23 Jahren kommt die ganze große Familie im Haus meiner Eltern zusammen, es gibt Würstchen und Kartoffelsalat an Heiligabend und Weihnachtsgans mit Blaukraut und Knödeln am Tag danach. Erst am zweiten Weihnachtsfeiertag sind Reisen in die Außenwelt vorgesehen, da gibt es dann etwas Anderes. Ich fände etwas mehr Flexibilität gut. Vielleicht mal ein bisschen weniger Gedränge am Tisch, dafür mehr Zeit für echte Gespräche. Mal Fondue oder Pizza, Tiramisu als Nachtisch. Oder noch verrückter: auswärts essen, vielleicht sogar in einer anderen Stadt oder einem anderen Land. Ein ganz neues Event ausprobieren und es trotzdem noch „Weihnachten“ nennen können.

 

Aber: Immerhin. Dieses Jahr hatte der Bauer schon im September schlechte Neuigkeiten für die Traditions-Liebhaber in der Familie: Er habe dieses Jahr leider keine Gans für uns. Gute Nachrichten für mich. Es gibt jetzt Sushi am ersten Weihnachtsfeiertag. Das könnte der Beginn einer wunderbaren Abfolge von Veränderungen sein.

 

 

Über was zu Weihnachten noch gestritten wird:

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