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Wahlmüdigkeit - wer ist Schuld? Wir oder die Parteien?

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Wir, die wir zu faul sind zum Wählen, sind Schuld - sagt dirk-vongehlen Bei schwiergen Problemen helfen manchmal ganz einfache Fragen. Zum Beispiel diese hier: Willst du in einem Land leben, in dem jeder seine Meinung sagen darf? Selbst wenn dir dazu nur ein „ist mir egal“ einfällt, dann solltest du dafür etwas tun. Denn „ist mir egal“ ist, ob du’s glaubst oder nicht, auch schon eine Meinung. Und in unserem Land darf jeder eine haben und sie seine „eigene“ nennen – so dumm sie auch ist. Deshalb gibt es die so genannten Wahlen. Das sind diese uncoolen Veranstaltungen, auf die du meist keine Lust hast, weil sie sonntags sind, wenn du lieber „chillst“. Weil da keine Musik läuft und niemand vor großen Leinwänden in der Sonne steht. Trotzdem ist Wählen so was wie Public-Viewing – nur ohne Fußball. Man kann dabei nämlich auch böse verlieren; und zwar genau dann, wenn wir alle lieber „chillen“. Deshalb stecken langweilige Institutionen jede Menge Geld ins Image der Wahl. Man fragt dann Vorzeige-Promis wie Herbert Grönemeyer, warum er wählen geht, macht lustige Werbespots oder fährt – wie der DGB derzeit in Mecklenburg-Vorpommern – mit einem Bus durchs Land, auf dem „Wählen gehen“ steht. Das nervt und kostet unnötig viel Geld, weil man dich dämlichen Nichtwähler nicht animieren, sondern in den Arsch treten sollte. Denn du bist schuld, wenn verabscheuungswürdige politische Parteien in Parlamente und damit an Geldtöpfe kommen – selbst wenn dir das doch eigentlich egal ist. Denn wenn du nicht wählst, steigen die Chancen der Kleinen – und anders als beim Fußball macht das die Sache nicht gerade spannender. Im Gegenteil: es macht – wie zum Beispiel nächste Woche in Mecklenburg-Vorpommern – die Sache nur ekliger, weil dort die rechtsextreme NPD vor dem Einzug in den Landtag in Schwerin steht. Damit könnte ich ja womöglich sogar leben, wenn es passiert, weil so viele Menschen, die menschenverachtenden Ideen der Partei umgesetzt sehen wollen. Das ist aber nicht der Fall, es gibt einfach nur zu viele Leute, die, wie du, lieber mit ihrem Duftbaum-Golf in die Eisdiele ums Eck fahren als ins Wahllokal. Warum das so ist? Vielleicht weil die etablierten Parteien doof oder die Kandidaten langweilig sind. Mag sein. Ich glaube aber, der Hauptgrund ist deine Entscheidungsschwäche. In die Eisdiele fährst du doch auch nur deshalb so gerne, weil du dort schon immer Schoko gewählt hast. Da musst du die nicht lange überlegen. Das ist aber das Problem, in einem Land, in dem jeder seine Meinung sagen darf: Man muss auch mal überlegen. Schön, dass man das darf in diesem Land.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Freude oder Pflicht? Mündiger Bürger beim Vorgang der Wahl, Foto: dpa Die Parteien sind schuld, sagt caroline-vonlowtzow: Sie haben sich zu einem Problem in unserer Demokratie entwickelt: Eigentlich sollen sie die aktive Teilnahme der Bürger am politischen Leben fördern, was bei uns unter anderem bei Wahlen geschieht. Die Parteien und ihre Politiker sind dafür verantwortlich, dass die Bürger Politik attraktiv finden und an ihr mitwirken. Sie müssen deutlich machen, wofür sie stehen und was sie verändern wollen und dass es einen Unterschied macht, ob man wählen geht oder nicht. Wenn sie das nicht mehr schaffen, wie die letzten Wahlen gezeigt haben, haben die Parteien versagt und nicht wir. Seit Jahren verkünden sie über ihre Kandidaten: wenn du mich wählst, dann springt die Konjunktur wieder an, dann entstehen mehr Arbeitsplätze, dann sinken die Steuern und überhaupt wird alles viel besser. Denn die anderen können es einfach nicht und sind handwerkliche Stümper. Zuletzt wurde die Große Koalition als Allheilmittel unserer Probleme angepriesen, Angela Merkel wurde bejubelt und es hieß: jetzt wird wieder in die Hände gespuckt. Was hat sich seitdem getan? Nicht gerade viel: die Steuern gehen rauf, die geplanten großen Reformen werden verschoben, nur der Arbeitsmarkt sieht momentan etwas besser aus und vielleicht werden irgendwo anders auch noch ein paar der oft zitierten „kleinen Schritte“ gemacht. Muss man sich da wirklich wundern, dass nach solchen Erwartungen die Enttäuschung groß ist? Letztlich ist die Lage doch seit Jahren unverändert und keine Partei hat wirklich etwas bewirken können. Vor der letzten Wahl haben mehr als ein Drittel der Bundesbürger gesagt: Keine der Parteien kann unsere Probleme lösen. Aber wenn es keine Partei kann, wie sich auch jetzt wieder zeigt, warum sollten wir noch wählen gehen? Politik zieht ihre Legitimation eben nicht nur aus dem demokratischen Verfahren, sondern auch aus der Leistung. Dass es allen Parteien so schwer fällt, sichtbare Erfolge vorzuweisen, liegt natürlich auch an derart umfassenden und komplexen Problemen wie Arbeitslosigkeit, Staatsverschuldung und mangelndem Wirtschaftswachstum. Aber wenn die Politik immer so tut, als könne sie alle Probleme lösen und sie dann nicht löst, weil es vielleicht gar nicht in ihrer Macht liegt, sondern an Marktmechanismen, muss man sich nicht wundern, wenn die Politik das Versagen zugeschrieben bekommt. Wo ist denn, verflixt noch mal, die neue Ehrlichkeit, von der Frau Merkel im Wahlkampf gesprochen hat? Ach so, Herr Müntefering, verstehe, es ist unfair, die Koalition an ihren Wahlkampfaussagen zu messen. Aber wenn ich sie weder an ihren Taten noch an ihren Worten messen kann, woran dann? Warum soll ich mich dann dafür interessieren oder gar wählen gehen? Schon 1992 hat der damalige Bundespräsident Richard v. Weizäcker die Parteien in einem Artikel in der „Zeit“ scharf kritisiert. Er warf ihnen vor, das Ziel von Parteien sei nicht mehr, wie ursprünglich einmal gedacht, die langfristigen Probleme des Landes zu lösen, sondern nur noch die nächste Wahl gewinnen zu wollen und dafür temporäre Stimmungen in ihre Programme aufzunehmen. Es hat sich nichts geändert seither und das ist das Problem. Damals hat das vielleicht noch gereicht, um Wahlen zu gewinnen - heute nicht mehr. Dafür sind wir mittlerweile viel zu klug. Statt uns von Wahlversprechen täuschen zu lassen, fahren wir lieber an den See zum Baden oder gehen in den Biergarten.

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