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Profs im Internet bewerten - gute Idee?
Super Idee: Diese Seite wird mit jedem Monat ihres Bestehens wertvoller werden Das Internet ist ein Hort der Hemmungslosigkeit, in dem jeder ungestraft das artikulieren darf, was ihm zwischen zwölf Uhr und Mittag in den Sinn kommt. So oder ähnlich mögen Professoren denken, die nach den Bewertungen ihrer Vorlesungen auf der Internetseite meinprof.de in der dortigen Flop-Liste landen – ausgestattet mit einer Durchschnittsnote im Vier-Komma-noch-was-Bereich. meinprof.de trägt ein Vorgehen in die Öffentlichkeit, das an vielen Hochschulen schon gang und gäbe ist: Professoren verteilen Fragebögen an Studenten und lassen ihre eigenen Vorlesungen evaluieren, also bewerten. Auf meinprof.de kann jeder seine Dozenten und deren Kurse bewerten – das Ergebnis kann jeder einsehen. Fairness, Unterstützung, Material, Spaß, Verständlichkeit und Interesse sind die Kriterien, nach denen sich die Gesamtnote ergibt. So landet Mathe-Professor Roos von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Karlsruhe mit einer Gesamtnote von 1,1 unter den deutschen Top-Professoren – und Elektrotechnik-Professor Kliem von der Universität des Saarlandes in Saarbrücken mit 86 Bewertungen und einer Durchschnittsnote von 4,7 in der Flop-Liste. meinprof.de stößt eine Debatte an, die unter Hochschulpolitikern schon lange gärt: Wäre es nicht besser, Professoren nach Leistung zu bezahlen? Eine der Leistungen ist sicher die Qualität der Lehre, und wer soll die bewerten, wenn nicht die Studenten selbst. Die Gefahr ist klar: Zu wenige Bewertungen womöglich frustrierter Studenten ergeben eine ungerechte Bewertung. Gesamtnoten, die der Benotung durch nur drei Studenten entstammen, müssen mit Vorsicht konsumiert werden. Die Herren Roos und Kliem aber sind jeweils von über 50 beziehungsweise 80 Studenten bewertet worden. Liegt im Schnitt dieser Statements denn nicht ein Stück Wahrheit verborgen? Abgesehen von den Durchschnittsnoten sind mindestens die Kommentare hilfreich, die die Bewerter abgeben. In einem Fall erhellen sich auf diese Weise die schlechten Noten: Ein Professor ließ scheinbar gut 90 Prozent seiner Vorlesungszeit von Studenten füllen. Er hatte sie zu Beginn des Semesters zu Pflichtvorträgen verdonnert. Ein weiterer Kommentator schreibt, diese Vorträge seien zudem vom Prof nicht betreut worden und eine Manöverkritik habe es auch nicht gegeben. Was sich in diesen Kommentaren spiegelt, ist weniger Notenfrust als der Wunsch nach guten Vorlesungen und mindestens solider Betreuung. Seit Öffnung der Seite Mitte November 2005 wurden über 15.000 Professoren mit über 21.000 Kursen von über 72.000 Studenten bewertet. Vielleicht drücken diese Zahlen ein Verlangen aus - nach Mitsprache, nach ernstgenommen werden. Vielleicht verblüfft die Kritiker dieser Seite allein die Vielzahl der Stellungnahmen von Studenten, die ihr Fach mögen und ernst nehmen und von ihren Dozenten das Maß an Engagement verlangen, das sie selbst in ihr Studium investieren. meinprof.de, und das ist die eigentliche Stärke der Seite, wird mit jedem Monat relevanter. Mit der Zahl der Bewertungen steigt der Wert der Seite, sie wird repräsentativer. Und: Wird ein Professor über Jahre hinweg bewertet, steht am Ende ein hochdifferenziertes Bild seiner Qualitäten, weil die Urteile aus den Vorjahren mit einfließen. Es ergeben sich ausgewogene Bewertungen, in die auch Verbesserungen einfließen, die auch notorische Nörgler nicht mehr manipulieren können. Allein eine Art Statement-Bereich für Professoren würde die Seite noch spannender machen und bereichern: Zusammen mit den Studentenkommentaren wäre sie so eine noch bessere Entscheidungshilfe vor der Wahl des Studienfaches- und ortes. Und wäre es nicht ideal, schlecht bewertete Professoren würden sich der Kommentare zu ihren Veranstaltungen annehmen und gemeinsam mit den Studenten beraten, was zur Besserung zu tun sei? Note 1,0 für Professoren, die Lust haben, auf diese Weise hinzuzulernen. peter-wagner --- Schlechte Idee: Diese Seite ist überhaupt nicht repräsentativ und der beste Weg, spontan Frust abzulassen Erst einmal die ganz subjektive Erfahrung einer Studentin eines geisteswissenschaftlichen Faches: Es gibt wesentlich mehr gute und motivierte Dozenten als Lehrer. Aber ein schlechter Dozent reicht, um die Lust am Studieren zu verlieren. Es ist ein schreckliches Gefühl, seinem Dozenten hilflos ausgeliefert zu sein, missverstanden und unterschätzt zu werden, ohne etwas dagegen tun zu können. Aber manchmal muss man sich dann eingestehen, dass nicht immer der Professor schuld ist, dass es vielleicht auch an einem selbst liegt. Vielleicht ist irgendwann für manche der Zeitpunkt gekommen, an dem sie akzeptieren müssen, dass sie nicht so gut sind, wie sie es gerne wären oder zu Schulzeiten noch waren. Diesen Schritt der Selbsterkenntnis sind einige Studenten noch nicht gegangen. Und genauso schlimm wie unfaire oder unfähige Dozenten, sind unmotivierte und unfähige Studenten (die eingangs erwähnte Studentin nimmt sich da selbst nicht unbedingt aus). Und so, wie es ist, von einem unfähigen Dozenten bewertet zu werden, so ist es, von unfähigen Studenten bewertet zu werden: unfair und nicht aussagekräftig. Was würden solche Studenten bewerten? Wie gut ihre eigene Note ausgefallen ist, ob ihnen der Dozent sympathisch war und ob sie „Spaß“, auch eine Bewertungskategorie bei meinprof.de, hatten. Das kennt man aus der Schule, da waren immer die Lehrer am beliebtesten, die alles locker gesehen haben, Witzchen (gerne auch frauenfeindlich) rissen, Brunches organisierten und die einige Schüler sogar duzen durften. Auch die Kategorie „Unterstützung“ auf meinprof.de, in der unter anderem Erreichbarkeit und die Anzahl der Sprechstunden bewertet werden sollen, ist ein bisschen fragwürdig. Ein Dozent muss nicht jeden Morgen und Abend seine Mails lesen und auch nicht jeden Tag persönlich zur Verfügung stehen. Vielmehr kann man von einem Studenten erwarten, sich rechtzeitig um zum Beispiel sein Referat zu kümmern. Es muss eine Möglichkeit geben, Dozenten zu beurteilen. Aber nicht im Internet. meinprof.de ist überhaupt nicht repräsentativ und ein wunderbarer Weg, spontan Frust abzulassen: Im Internet gibt es keine Hemmschwelle und nichts bringt die Studenten dazu, noch einmal kurz innezuhalten, bevor sie auf „Bewertung abschicken“ klicken. Da hilft auch eine vorherige Registrierung nicht viel. Wir alle haben uns im Internet schon so oft irgendwo angemeldet, haben so oft ungefiltert unseren Frust in irgendwelchen Blogs oder Foren abgelassen, dass wir ein bisschen das Maß verloren haben. Es ist nicht nur so, dass eigentlich qualifizierte, motivierte und faire Professoren einen zu großen Dämpfer abbekommen können, was sie, genauso wie die Studenten, in große Selbstzweifel stürzen kann, die nicht unbedingt gerechtfertigt sind. Es ist auch so, dass diejenigen, die einfach unmotivierte, arrogante, chauvinistische Ärsche sind, sich eine Seite wie meinprof.de sowieso nicht anschauen, weil schon das prinzipielle Interesse die Fähigkeit zur Selbstkritik und den Willen zur Verbesserung voraussetzen würde. Auch eine zentrale Seite für alle Universitäten Deutschlands ist ungünstig, denn es sollte auf jeden Fall die Möglichkeit geben, dass die Betreiber solcher Bewertungsverfahren die Professoren auch selbst kennen und sich gegebenenfalls auf fachlicher Ebene mit ihnen auseinander setzen können. So etwas über die Fachschaften zu machen, wäre möglich, schließlich kann man Mitgliedern der Fachschaft ein grundsätzliches Interesse am Studium zu Gute halten. Und wenn die Kategorien stimmen und durch ein komplizierteres Registrierungsverfahren garantiert werden kann, dass nur Studenten beteiligt sind, die den Dozenten auch wirklich kennen, kann man es auch übers Internet machen. Jetzt müssen nur noch alle Dozenten dazu verpflichtet werden, sich auch wirklich mit ihren Bewertungen auseinanderzusetzen. lisa-goldmann ---