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Lara Croft kommt zurück. Auweh! Au ja!
michael-moorstedt sagt: Lara Croft ist Simulation aber deshalb nicht weniger zeitgemäß. 1. Lara Croft ist ein Mittel zur Verständigung Computer- und Videospiele haben sich mittlerweile weit von den simplen Reiz-Reaktionstests ihrer Anfangszeit emanzipiert. Heute sind sie ein etablierter Teil der Popkultur. Mancher Beobachter spricht sogar vom „Leitmedium der Gegenwart.“ Früher gab es Videospiel-Versionen von Filmen, heute macht man Filme über Videospiele. Die Games-Industrie verdient mehr Geld als Hollywood. Allein diese Fakten zeigen die Relevanz des Themas. So sind selbst Menschen über diese Figur informiert, die nie mit einem Computerspiel in Kontakt gekommen sind. Und das Reden über Lara Croft vermittelt einem die Sicherheit, dass man dazu gehört. Lara Croft ist demnach eine Art Schmiermittel zwischenmenschlicher Verständigung. 2. Lara, take the force of the blow Startum beruht auf einer permanent inszenierten Körperlichkeit. Dies gilt insbesondere für weibliche Stars, seien sie nun echt oder virtuell. „No nude patch, no game“, so oder so ähnlich lautete dann auch der Tenor in den mannigfaltigen Internetforen zum Thema Croft, in denen dann gleich noch die entschärfte Körbchengröße der Protagonistin kritisiert wird. Ja, ein derartiges „Ausleben“ von Sexualität ist natürlich mehr als seltsam - aber immer noch besser als echte Frauen zu erniedrigen. 3. Virtualität, na und? Ursprünglich war Lara Croft eine Computerspielfigur wie viele andere. Was die Heldin des Videospiels von anderen unterschied, war ihr Geschlecht und eine bessere Grafik. Irgendwann gab es dann einen so genannten Kult: Sie bekam Fanpost, eine Biographie und Bademode. Daraufhin äußerten echte Menschen Verdrängungsängste in Bezug auf den digitalen Homunculus. Bleibt zu bedenken, dass Lara Croft nicht der erste virtuelle Star ist. Da sich Computerspiele nur in Relevanz zu anderen Medien verstehen lassen, muss man auch Tomb Raider im Zusammenhang mit Comics, Film oder Fernsehen betrachten. Hier steht Lara Croft durchaus in der Tradition anderer attraktiver Heldinnen vorausgegangener und paralleler Medien. Begonnen hat diese Tradition 1932 mit der Zeichentrickfigur Betty Boo, Wonder Woman führt sie 1941 fort, 1968 war es Barbarella. Und Minnie Mouse sollten wir auch nicht vergessen. 4. Alice Schwarzer nickt dazu Dass immerhin 20 Prozent der Teilnehmer einer Umfrage der Gesellschaft für erfahrungswissenschaftliche Sozialforschung nichts dagegen hätten, unter Ms. Croft die alltägliche Haushaltsarbeit zu verrichten, ist natürlich nicht mehr als marketingeffektiver Quatsch. Trotzdem ist Lara Croft laut den meisten Gendertheoretikern nicht nur Objekt präpubertären männlichen Begehrens, sondern auch die erste positive weibliche Identifikationsfigur auf dem Computerspielemarkt. Sie eröffnete den Mädchen die virtuelle Spielewelt, sagt man. Die Medienwissenschaftlerin Randi Gunzenhäuser gab sogar der Vermutung Ausdruck, daß Frauen „Lara als Ermächtigungsphantasie persönlicher nehmen als Männer.“ Daraus zog eine Emma-Redakteurin die Konsequenz: Das Geschenk einer weiblichen Heldin sei in unserer visuellen Wachstumswelt so groß, daß man Laras überdimensionierte weibliche Attribute als Tribut an die Männerwelt eben in Kauf nehmen müsse. moritz-baumstieger sagt: Lara Croft ist ein Artefakt aus den Neunzigern 1. Gewalt ist keine Lösung Lara, schon mal was von „Reden“ gehört? Konflikte löst man heute nicht mehr mit 9mm-Pistolen. Als du erschaffen wurdest, regierte der dicke, alte Kohl das Land. Damals stellte man sich eine Power-Frau so vor wie dich. Heute sitzt das einstige „Mädchen“ Angela im Kanzleramt. Auf ihrem Weg zur Macht hat sie ähnlich viele fiese Typen aus dem Weg geräumt, wie du auf der „Suche nach dem verlorenen Schatz“. Aber Merkel hat das im Hosenanzug geschafft, ganz leise und perfide, ohne Geschrei und ohne Waffen. Glaube ich zumindest. 2. Kauf dir was zum Anziehen! Gut, in der neuen Folge hat Lara Croft auch mal einen blauen Strick-Pullunder oder das „kleine Schwarze“ an. Aber wenn es zur Sache geht, werden wieder Hotpants und das alberne Tank-Top ausgepackt. Entschuldigung, aber: So läuft doch keiner mehr rum! Mit dem Love-Parade-Stil der Neunziger wird man heute sogar in ostdeutschen Provinz-Techno-Diskos ausgelacht. Ach so, die weiblichen Reize? Selbst die 13-jährigen Jungs, die sich an Laras Kurven und Kung-Fu aufgegeilt haben, sind inzwischen erwachsen. Und die 13-jährigen von heute? Die schminken sich wieder die Augen und hören „Tokio Hotel“. 3. Wohin, Lara? Die Absicht der Croft-Entwickler, Sonnen-entwöhnten Zockern die große weite Welt näher zu bringen, ist ehrenhaft. Doch nachdem sämtliche Inka-Tempel, die chinesische Mauer, Venedig, die Tempel von Ankor Wat und das antike Griechenland schon Handlungsort in „Tomb Raider“ waren, sind alle Einträge der UNESCO-Weltkulturerbe-Liste abgefrühstückt. Es sei denn, Lara begibt sich das nächste Mal nach Dessau-Wörlitz. Das dortige Gartenreich gilt als „außergewöhnliches Beispiel für die Umsetzung philosophischer Prinzipien der Aufklärung in einer Landschaftsgestaltung, die Kunst, Erziehung und Wirtschaft harmonisch miteinander verbindet". Wenn das mal nicht nach Action klingt. 4. „Legend“? Nicht nur die Handlungsorte, auch die Titel gehen den „Tomb Raider“-Machern aus: „Legend“ ist das siebte Abenteuer der Lara Croft. Kennen wir den Titel nicht irgendwoher? Ja, nicht nur eines der letzten Alben von Roger Whittaker, auch ungefähr jede zweite „Time-Life“-Compilation heißt so. „Legends of Stone Rock“, „Legend of Classic Rock“, „Legends of Kuschel-Rock”. Was hat nun Lara Croft mit Musik von „Time Life“ zu tun? Beides ist lange vorbei, allein: den einen oder anderen Euro kann man noch mit machen. 5. Die Lara Croft der Gebäudereinigung Die Lara Croft von heute wird weder als „cool“ noch als „sexy“ wahrgenommen. Ein kurzer Blick ins Internet gefällig? Das Hamburger Abendblatt stellt „die "Lara Croft" der Staatsbibliothek“ vor, meint aber eigentlich einen virtuellen Bibliotheks-Führer. Ein Zivi-Forum schwärmt von „Giselle Brack“ der „Lara Croft der Gebäudereinigung“, die nach einer WG-Party das Erbrochene aufgewischt hat. Sarah Wagenknecht ist die „Lara Croft der PDS“. Das Wiener Straßenbahner-Blatt „vormagazin“ kennt die „Lara Croft der österreichischen Innenausstatter-Szene“ und auf einer Multiple Sklerose-Selbsthilfe-Seite wird die „Lara Croft des wahren Lebens“ gepriesen, die einen 1,8 Tonnen schweren Imbisswagen fährt. Imbisswagen? Wagenknecht? Österreichische Innenausstatter? Lara, merkst du was? Es ist Zeit zu gehen. 6. Viel Spaß mit Robert T. Die neue Lara Croft sieht besser aus als ihre Vorgängerinnen, das gebe ich zu. Die alberne Sonnenbrille ist verschwunden, das Gesicht ist feiner gezeichnet, ihre Haarpracht wäre in jeder L`Oreal-Werbung gut aufgehoben. Sie ist der perfekte virtuelle Mensch. Doch wollen wir perfekte Menschen? Nein, Lara, es macht keinen Spaß mehr, die eigenen körperlichen Unzulänglichkeiten in deiner Hochglanz-Oberfläche gespiegelt zu sehen. Und wollen wir virtuelle Menschen? Eigentlich auch nicht mehr. Das war vielleicht ganz spannend, als Computer und Cyber-Welt noch relativ neu für uns waren. Aber jetzt ist 2006, Frühling 2006. Wir wollen nach draußen. Wir wollen echte Menschen, mit denen man echt Knutschen kann. Lara, du warst ein Star, ein Großer. Aber es gibt nichts Traurigeres als einen Star, der nicht loslassen kann. Lass dir doch ein schönes Häuschen im Grünen programmieren. So wie wir uns jetzt echte Menschen suchen, die zu uns passen, so suche du dir doch einen virtuellen, der zu dir passt. Ich wüsste da einen: sein Name ist Robert T. Online. Das wäre doch perfekt: Du und Robert, später mal ein paar Kinder. Und ab und zu kommen Brad und Angelina Pitt mit ihren Kindern zum Grillen vorbei. Klingt das nicht wunderschön, Lara? Steck doch die Waffe weg. Werde altersmilde, Lara.