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Heuchler oder Rebell: Ein Fall für Zwei über Michael Moore
Michael Moore ist ein Heuchler, sagt michael-moorstedt Seine Lesereisen waren monatelang im Vorfeld ausverkauft. Fragte man Bekannte, die ihm dort beiwohnen durften, sah man sich oft mit einem leicht debilen Gesichtsausdruck höchster Verzückung konfrontiert. So ähnlich, wie es vielleicht sonst nur bei den Veranstaltungen der Pfingstkirchen der Fall ist. Den Zenit der Verklärung erreichte Michael Moore dann im Vorfeld des Irakkriegs 2003. Man erinnere sich - damals haben sich Schulmädchen Peacezeichen auf ihre gerade aufblühenden Ausschnitte gemalt, es wurde protestiert gegen dumme weiße Männer im Allgemeinen und George W. im Besonderen. Der Protest führte zu schulfreien Tagen und bunten „No War“-Parties, über die darauffolgenden Monate verkam er letztlich zum Selbstzweck. Im Jahr 2007 sind Moores Streitschriften schon lange Zeit aus den Bestsellerlisten des alten Europa verschwunden, der Aktionismus von damals jedoch blieb in vielen Köpfen verankert. Im Verlauf der Jahre ist er dort zu einem dumpfen Brummen geworden, das die Betroffenen in Sachen transatlantischer Politik noch immer recht schnell zu einem unreflektierten antiamerikanischen Beißreflex verleitet.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Michael Moore platzte in eine Zeit, die geprägt war von stumpfsinnigem Patriotismus, in eine Zeit, in der die Demokratische Partei zu beschäftigt war, zu salutieren, um handlungsfähig zu sein. Damals war er die dicke, schnaufende Opposition im schlecht sitzendem Anzug, die daran erinnerte, dass nicht alle Amerikaner mit dem Status Quo einverstanden sind. Spätestens mit dem Wahlerfolg der Demokraten im vergangenen Herbst haben sich diese Zeiten jedoch geändert. Washington hat wieder eine Linke, die sich nicht nur durch glitzernden Budenzauber und allerlei Special Effects definiert. Heutzutage ist Moore nur noch ein Brontosaurus der Gegenkultur. Argumentativ ungelenk und evolutionär überholt. Der ewig verstaubte Dokumentarfilm - von Michael Moore wurde er mit schnellen Schnitten und animierten Trickszenen bunt bemalt wie eine billige Varietétänzerin. Es klingt komisch, doch dafür muss man ihm wohl dankbar sein. Man darf nicht vergessen: Ohne diese Zäsur wären Filme wie Super Size Me oder An inconvenient truth schwer vorstellbar. Schwer vorstellbar wäre ohne seine Vorarbeit, dass diese die Säle der Multiplexkinos füllen können. Man darf jedoch auch nicht vergessen, dass Dokumentationen selten Objektivität bewahren, deswegen aber nicht zu den platten Polemiken werden dürfen, welche die Filme von Michael Moore nun mal waren. Ein öffentliches Anprangern der Missstände ist selbstverständlich nicht falsch, die notwendigen klärenden Diskussionen, die darauf folgen müssten, wurden durch seine Werke nicht provoziert. Zu oft blieb der Spott des Publikums über die beschränkten Amerikaner das einzige Resultat nach dem Kinobesuch. Michael Moore - ist er einer der Guten? Ereignisse wie seine Oscarrede 2003 (Shame on you, Mr. Bush) erfordern vielleicht Mut, vielleicht aber auch nur ein großes Ego. Wahrscheinlich beides. Der Zwang zur Selbstdarstellung macht ihn nicht unbedingt sympathisch, ist aber vernachlässigbar im Hinblick auf seine Arbeitsmethoden, die ihn dann endgültig für den diskursiven Gnadenschuss qualifizieren: Interviewausschnitte werden in falschen Kontexten dargestellt oder unterschlagen, die verwendeten Zahlen und Statistiken sind teilweise gefälscht oder aufgehübscht. Damit bedarf es keiner weiteren Diskussion. Es ist zu einfach die alte Weisheit zu bemühen, wonach der Zweck die Mittel heiligt. Denn es gibt keinen Unterschied zwischen linker und rechter Heuchelei. Auf der nächsten Seite erklärt stefan-winter, warum er Michael Moore trotz allem dankbar ist.
Ich bin Michael Moore dankbar, sagt stefan-winter Ob Michael Moore einer der Guten ist, ist mir ehrlich gesagt egal. Diese Fragestellung deutet allerdings auf einen gedanklichen Missgriff hin: auf die Unterscheidung von Gut und Böse. Meines Erachtens kann es darum bei Dokumentarfilmen gar nicht gehen. Vielmehr sollte ein Dokumentarfilmer dokumentarisch eine Welt oder ein Thema darstellen, auf das ich anschließend einen anderen (hoffentlich besseren) Blick habe. Das hat Michael Moore getan. Wenn ich jetzt in der Agentur diese Kritik an ihm lese, muss ich nur müde schmunzeln:
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
In der Dokumentation wird Moore der Selbstverherrlichung bezichtigt und als Mann dargestellt, der keine Kritik ertragen kann und unfähig zur Teamarbeit ist. Moore benutze Menschen nur für die von ihm benötigten Aussagen vor seiner Kamera und schneide diese dann auch noch geschickt zurecht, werfen die Kanadier ihrem berühmten Kollegen vor. Dass dieser sich wiederum nicht zu einem Wort vor ihrer Kamera bewegen ließ, wurmt Melnyk und Caine ganz besonders.
Die Vorwürfe (und ihre direkte Entkräftung) im einzelnen:
Michael Moore verherrlicht sich selbst. Stimmt, allerdings nicht mehr und nicht weniger als Frau Will oder Herr Wickert. Menschen, die sich vor Kameras setzen, legen oder stellen, sind eitel.
Er kann keine Kritik ertragen. Muss er das? Wäre sympathischer, stimmt. Und wenn man ihn zu den Guten zählen wollen würde, müsste er das. Er soll aber nicht zu den Guten zählen, sondern Filme machen.
Er ist unfähig zur Teamarbeit. Mir wurscht, ob er seine Filme allein oder im Team macht. Mir wurscht, ob die vorher alles kollegial diskutieren oder er entscheidet. Hauptsache, das Ergebnis ist gut.
Moore benutzt Menschen nur für die Aussagen vor der Kamera. Ach so, und was ist dann ein Interview im heute-journal? Eben der feine Herr Kleber benutzt die Leute dort auch nur für Aussagen vor der Kamera.
Er redet nicht mit den Dokumentarfilmern, die über ihn berichten. Hier haben wir also das Hauptargument. Moore hat keine Lust, irgendwelchen Leuten, die sich in seinem Ruhm sonnen und ihm an den Karren fahren wollen, Interviews zu geben. Wenn das der Hauptvorwurf ist, würde ich sagen: Michael Moore hat Recht.
So uncool der "Dicke" mittlerweile in manchen Kreise ist - eins muss man ihm lassen: Er hat die berechtigte Kritik an Bush und der amerikanischen Regierung in den Mainstream gebracht. Dass Moore damit Mainstream wurde, kann man ihm also nicht vorwerfen. Es ist seine Leistung!
Text: michael-moorstedt - und STEFAN-WINTER