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Dein Status nervt! Ein Fall für Zwei über die Kurzkommunikation

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140 Zeichen mieses Unterhaltungsdope Vergangene Woche stürzte ein Flugzeug in den Hudson River in New York und es gab da einen Mann, der gerade mit der Fähre fuhr. Er war bei Twitter eingeloggt und sah neben sich im Wasser das Flugzeug und die Menschen auf der Tragfläche und in den Rettungsbooten. Er fotografierte und hievte seine Bilder angeblich noch vor allen Medien ins Internet. Für die Leistung gab es Applaus und hektisch fragten ein paar Leute, ob Twitter nun doch eine Zukunft habe? Mich langweilt eine solche Diskussion, weil ich kein Körnchen mehr davon habe, zu wissen, dass irgendein Twitterer schon ein Foto von etwas gemacht hat, von dem zehn Minuten später ein Fotograf von AP ein Bild macht. Aber gut: In dem Fall konnte man der Mitteilung des Mannes noch einen gewissen Wert abgewinnen, was man von den Botschaften ganz normaler Twitteranten nicht behaupten darf. Hier drei Zufallstexte. Der erste von tsg: "hui das war ein langer tag und soo viele spaghetti ... n8". Der zweite von peternoster: "ich hätte einen keks anzubieten, auf den mir ansonsten gegangen wird". Der dritte von horatiorama: "Und jetzt schaue ich mal, ob noch etwas vom Seelachsfilet mit Broccolicreme übrig ist. Oder ein Berner Plätzli?"

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Twitter-Texte und auch Facebook-Statusmeldungen interessieren mich selbst dann nicht mehr, wenn hinter ihnen Freunde stecken. Das hat ein bisschen was mit Fremdschämen zu tun, weil ich mir manchmal vorkomme, als würde ich ihnen in den Hals schauen können, während sie alltägliche Bewegungen auf Facebook in Worte fassen und veröffentlichen. Eine wirklich nette Statusmeldung zu verfassen dauert ja in Wahrheit. Ich erinnere mich an die ersten Wochen auf jetzt.de, in denen ich täglich die Angaben meiner jetzt-Page lektorierte und sie auf ihre Standfestigkeit anderen gegenüber prüfte. Facebook aber verlangt einen höheren Ausstoß an solchen Erlebnis- oder Befindlichkeitsblasen. Da kann die Qualität nicht Schritt halten. Es berührt mich dann peinlich, von schlecht verdautem Essen, verschlafenen Tagen und quälender Langeweile anderer Menschen zu lesen. Wenn ein Post wie "heute lecker Schweinebraten" mit den Kommentaren "Hmyummi!" und "Ohhh, Schweiniiiii - schmatz" versehen ist, wird mir schwindlig und ich wundere mich, wie die Ein-Satz-Kommunikation eine seltene Form von Einfalt zur modernen Kommunikationskultur befördert. An der nehmen dann auch ganz hilflos Menschen wie Thorsten Schäfer-Gümbel oder Hubertus Heil teil und degradieren sich ganz nebenbei zur Lächerlichkeit, wie zum Beispiel hier nachzulesen ist. Das ist nicht verspielt sondern ärmlich. Ich erkläre mir die Popularität der Kurzkommunikation mit meinem Postboten, als ich Kind war. Ich schrieb viel Post und bekam gern welche, weshalb die Ankunft von Karten und Briefen zu den Highlights meiner Tage geriet. Mir ging es um den Überraschungseffekt, um das Neue, das mit den Sendungen in mein Leben trat. Das Gefühle habe ich heute noch, wenn mir mein Mailaccount sagt, dass ich neue Mails habe. 'Super', denke ich dann, 'jetzt tut sich gleich was'. Die Status-Infos sind, glaube ich, der misslungene Versuch, dieses Gefühl zu einem Dauerzustand zu machen, die News-Erregung in immer kürzeren Abständen zu erzeugen. Aber das funktioniert nicht, weil einem beim Lesen dieser Satzhappen bewusst wird, was zwischen den eigentlich erzählenswerten Geschehnissen im Leben der meisten Menschen so geschieht: Nichts. Die Sache mit Twitter und dem Flugzeug im Hudson war da nur die lange ersehnte Ausnahme. peter-wagner Auf der nächsten Seite: Dirk von Gehlen singt das hohe Lied auf die knappe Kommunikation.


140 Zeichen als Kulturleistung der Gegenwart "Eben nicht" pflegt ein mir bekannter Humorist zu sagen, wenn er seinem fehlenden Einverständnis prägnant Ausdruck verleihen will. Dieses trotzige "eben nicht" ist dabei selber schon eine Art Statuszeile, ein Twitter-Gezwitscher, ein Facebook-Satz, ein Microblogging-Event. Wie auch immer man diese Kurzkommunikation nennen will, sie ist sehr viel besser, tiefgehender und literarischer als du behauptest. Wobei ich natürlich zugestehe: Es gibt auch dämliche Statuszeilen. Geschenkt. Aber nur weil es auch schlechte Bücher gibt, stelle ich ja nicht das Genre "Roman" in Frage.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die guten Statuszeilen bringen mehrere Dinge zusammen: Sie sind kleine Meisterwerke der indirekten Botschaft, das heißt sie verraten Situationen, Zustände oder Gefühle in der Andeutung. Wobei der Grad der Andeutung umgekehrt proportional zur Qualität der Botschaft steht, soll heißen: je schwächer die Andeutung umso besser die kurze Mitteilung. Zum zweiten stellen gute Statuszeilen die gängigen Wahrnehmungsmuster auf den Kopf, sie erheben das Unwichtige in den Status einer Meldung. Eine Beiläufigkeit bekommt Gewicht, in dem sie notiert wird. So etwas gefällt mir - wenn es mit Humor, Selbstironie und Sprachgefühl geschrieben ist. So etwas gefällt mir nicht - wenn es selbstgefälliger Mist ist. Aber das habe ich ja schon mal erwähnt: Es gibt auch schlechtes Bier, trotzdem trinke ich dann und wann gerne ein gutes Pils. Mein drittes Argument "pro" Status-Zeile möchte ich mit dem Wikipedia-Eintrag über Small Talk begründen. Dieser wird dort als Alltagsgespräch, als "natürlichste Form der gesprochenen Sprache" beschrieben. Ich glaube, dass das Online-Gezwitscher die digitale Entsprechung dieses Small Talks ist, das heißt: Ja, sie ist oberflächlich und auch einfältig, wird sie aber von jemandem betrieben, der den gepflegten Small Talk beherrscht, kann sie sehr unterhaltsam sein. Deshalb komme ich - als Antwort auf deine Vorrede - zu dem Schluß, der da lautet: Eben nicht! dirk-vongehlen Ja, auch jetzt.de ist auf Twitter. Einmal kann man dort den Texten aus der Redaktion folgen und einmal derselben beim Smalltalk-Üben zuschauen

Text: peter-wagner - und Dirk von Gehlen; Fotos: Screenshots

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