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Brauchen wir eine Filter-Software, um effizienter arbeiten zu können?

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[b]stefan-biro meint: Filter-Software rules![/b] Ich sitze viel vorm PC, das ist mein Job. Eigentlich hasse ich Computer, viel lieber würde ich draußen Schneebälle werfen oder ein Buch lesen. Daher versuche ich meine Verweilzeit am PC so weit runter zu schrauben, wie nur möglich. Das gelingt mir mehr schlecht als recht. Denn konzentriert im Netz an einer Sache arbeiten, das ist mein Ding nicht. Zu groß sind die Parallel-Versuchungen, die allerorten herumlungern und mich zur Teilhabe nötigen. Hier ein penetrantes Messenger-Chatfenster: „Heyho, wie geht´s?“, dort der Live-Ticker vom Zweitligakick Koblenz-Carl Zeiss Jena (noch immer 0:0, hell yea!), der nach Aktualisierung giert. Und, hoppla, vielleicht noch schnell den E-Mail-Account nach neuer Postware abtasten. Ich hab da zwar erst vor zwanzig Minuten reingegriffen, aber in der zersplitterten Kurzzeitfabrik des Internets können zwanzig Minuten die Welt bedeuten. Zwanzig Minuten, in denen ich eigentlich wieder nix vorwärts gebracht habe. Zwanzig Minuten „für´n Arsch“. Ungläubig stelle ich fest: Ich war wieder mal verdammt unproduktiv. Nicht nur mir geht es so: Der volkswirtschaftliche Schaden durch die ständigen Unterbrechungen am Arbeitsplatz liegt im dreistelligen Milliardenbereich. Der US-Ökonomie gehen Jahr für Jahr 588 000 000 000 (!) Dollar durch die Lappen, weil die Wirtschaftstreibenden beim Wirtschaftstreiben vom Internet abgelenkt werden. Diese Schockzahl hat die New Yorker Technologiefirma Basex errechnet. Unterbrechen und unterbrochen werden, das ist die dominante Geisteshaltung unseres hektisch-nervösen Alltags. Mit schlimmen Folgen: Kaum ein Computer-User ist noch richtig bei der Sache.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Der Traum des effizienten Arbeiters: ein aufgeräumter Computerschreibtisch „Aufmerksamkeits-Schwächen haben sich epidemisch verbreitet“, sagt der Psychiater Edward Hallowell. Dieses zivilisatorische Grundübel muss bekämpft werden. Daher brauchen wir eine Software, die nur die Informationen durchlässt, die wir wirklich benötigen, um die leider notwendige PC-Tätigkeit effizient und schnell fertig zu bekommen. Eine Filtersoftware zur Entnetzung! Ganz anderer Meinung ist dirk-vongehlen. Auf der nächsten Seite erklärt er, warum er sich über jede Ablenkung bei der Arbeit freut.


[b]dirk-vongehlen meint: Filtersofware? Unsinn![/b] Sie schleicht sich ran, sie klingelt ohne Unterlass oder ploppt in Form einer roten Ziffer auf meinen Bildschirm auf. Doch egal, welche Verkleidung sie wählt, die Unterbrechung ist mir immer herzlich willkommen. Ich empfange sie, wie eine Gehaltserhöhung – mit offenen Armen und der vollen Überzeugung, sie verdient zu haben. Das war nicht immer so. Früher dachte ich: Mist, schon wieder eine E-Mail, die ich lesen muss, obwohl ich doch gerade konzentriert was schreiben/denken/sprechen müsste (zum Beispiel diesen Text hier). Damals hing ich der Religion des Professor Ramesh Sharda von der Oklahoma State University an. Der hatte in einem Interview erklärt, zu effizientem Arbeiten empfehle es sich, nur vier Mal am Tag seine E-Mails checken. Und gegen eiffizientes Arbeiten, so dachte ich damals, kann man ja nicht sein.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Geht doch: Trotz Chaos auf dem Computerschreibtisch entspannt arbeiten Wer häufiger als vier Mal am Tag seinen Gmail-Account öffne oder gar durch ständiges „Senden&Empfangen“sekündlich seine Mails checke, käme nicht so gut vorwärts, wie der ordentliche Computer-Arbeiter, der sich an feste Mailzeiten halte. Doch wie beim Essen sorgt auch beim Mailen jede Bürokratie für Langeweile. Deshalb steht meine Bürotür ständig auf, wie mein Posteingang durchgängig geöffnet ist. Und immer wenn auf dem merkwürdigen Symbol meines Mail-Accounts (ich benutze Mail von Apple) eine weiße Ziffer auf rotem Grund auftaucht, klicke ich drauf und schaue mir den neu befüllten Posteingang an. Anfangs mit schlechtem Gewissen (ich dachte mir, Professor Sharda wird’s schon nicht merken), mittlerweile voller guter Laune. Denn das sofortige Lesen und ebenso schnelle Beantworten von E-Mails führt dazu, dass ich keine nervige Post mehr bekomme. Jedenfalls nehme ich sie nicht mehr als nervig wahr. Bevor ich mich ärgern kann, habe ich sie bereits beantwortet bzw. gelöscht. Gleiches gilt für Besucher oder Anrufer: Kommt ein freundlicher Mensch in mein Büro (Kollegen, Praktikanten oder – ja – mein Chef), nehme ich das als kleine Freude. Besucht mich jemand mit schlechten Nachrichten, erledigen wir diese sofort und mit dem Besuch verschwindet auch die schlechte Laune. Aus dem gleichen Grund drücke ich auch keine Anrufe auf dem Handy mehr weg. Das erhöht nur die Telefonrechnung (ich muss kostenpflchtig erst meine Mailbox abhören und dann ja doch zurückrufen) und drückt – aufs Jahr gesehen – die Laune. Deshalb ist es für mich keine Frage: Ich kann auf eine Überwachungssoftware und dann auch noch von Microsoft problemfrei verzichten. Statt dessen kann ich voller Überzeugung sagen: das vermeintlich konzentrierte Arbeiten ist eh absolut überbewertet und ein Mythos, der nur deshalb Bestand hat, weil alle ihm – leider erfolglos – hinterher hecheln. Deshalb habe ich es aufgegeben – und gehe jetzt ans Telefon. Das klingelt nämlich. (Für diesen Text habe ich übrigens exakt sieben Stunden und 24 Minuten gebraucht. In dieser Zeit habe ich fünfzehn Telefonate geführt, war in zwei Besprechungen und habe 25 E-Mails gelesen und direkt beantwortet.

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