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Alltagsschminke: ja oder nein?

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Schminken für den Alltag muss nicht sein, findet Valerie:

Ich mag Kosmetik, wirklich. Ich mag es, mir Töpfchen und Fläschchen und Tiegelchen anzuschauen, am liebsten würde ich sie alle aufdrehen und daran riechen, vielleicht sogar den Inhalt irgendwo auf meinem Körper verteilen. Aber ich mag es auch, mich am Morgen oder immer, wenn ich zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort sein oder etwas erledigen muss, nicht besonders lang im Bad und mit mir selbst aufzuhalten.

Mit dem Schminken ist es bei mir ein bisschen wie mit Klamotten. Ich hätte gerne mehr schöne Kleidungsstücke, aber ich hasse einkaufen und wünsche mir immer, sie würden einfach so in meinem Schrank aufploppen -  meinetwegen könnte dann auch der entsprechende Betrag von meinem Konto verschwinden, weil ich ja bereit bin, Geld zu investieren, aber eben keine Zeit. Ebenso wünsche ich mir manchmal, ich würde einfach aufwachen und wäre ohne eigenes Zutun ganz bezaubernd schön geschminkt. Geht aber nicht und darum muss ich mich entscheiden: Fünf bis zehn Minuten länger im Bad bleiben und Farbe in mein Gesicht bringen oder fünf bis zehn Minuten länger mit einem Tee am Frühstückstisch sitzen und extrem langsam einen Zeitungsartikel lesen. Meistens entscheide ich mich für die zweite Variante.

Es wäre schön, behaupten zu können, dass der Grund dafür eine sympathische Uneitelkeit ist. Leider bin ich nicht uneitel, ich werfe nur mir selbst gegenüber gerne schnell das Handtuch. Manchmal schaue ich morgens in den Spiegel, denke "Achdujeh" und verlasse mürrisch das Bad, nachdem ich mir einmal mit der Puderquaste über die stumpfe Haut gefahren bin. Im Kopf höre ich dann die Stimme meiner Mutter, die "Meinst du, da schaut ein Mensch drauf!" sagt, und so gehe ich dann in die Welt, in dem Bewusstsein, dass ich besser aussehen könnte, es aber auch irgendwie egal ist, wie ich aussehe. Vielleicht ist das ein Fehler, denn die meisten Mädchen und Frauen, die sich täglich schminken, sagen, dass sie das tun, weil sie sich dann schön fühlen. Vielleicht würde ich mich also morgens irgendwie besser fühlen, wenn ich jeden Tag alle Töpfchen und Tiegelchen aufdrehen und mehr Zeit in mein Gesicht investieren würde. Aber ehrlich gesagt fühle ich mich meistens wohl und auch, wenn nicht, an diesen "Achdujeh"-Morgen, vergesse ich mich selbst sehr schnell, wenn ich in den Supermarkt gehe oder arbeite. Ich fühle mich dann weder schön noch hässlich, ich fühle mich eher so gar nicht, körperlich gesehen, weil ich ja in der Masse verschwinde oder ganz arg in meinem Kopf beschäftigt bin. Ich gehe nicht in dem Bewusstsein herum, gesehen zu werden. Und das ist okay, eigentlich ist es sogar sehr angenehm, sonst würde ich es ja anders machen.

Wenn man sich für den Alltag nicht schminkt, hat man allerdings auch einen Vorteil (zumindest glaube ich, dass es einer ist): Es ist besonders schön, wenn man sich doch mal schminkt. Zum Beispiel, wenn man ausgeht. Dann ist das Schminken wie ein Initiationsritual, das die Schwelle zwischen Alltag/Arbeit/Zuhausesein und dem Rest des Lebens markiert. Man macht sich dafür bereit, gesehen zu werden und sich schön zu fühlen. Nicht, dass ich mich besonders aufbrezeln würde (eine Freundin hat mich mal ausgelacht, als ich ihr eröffnete, in meinem ganzen Leben noch kein einziges Mal Lidschatten benutzt zu haben), aber ein bisschen Puder, Abdeckstift, Maskara und Rouge machen einen ja auch schon irgendwie frischer. Dieses sich-Fertigmachen ist ein anderes als das, um zur Arbeit, zum Supermarkt oder zum Mittagessen zu gehen. Es ist ausgedehnter und bewusster. Es gehört für mich zum Ausgehen dazu wie für manche die Anreise schon zum Urlaub gehört. Und wenn ich dann am nächsten Morgen ins Bad schlurfe, begrüße ich den Alltag wieder, indem ich mir einmal mit der Puderquaste durchs Gesicht wische, um danach lieber etwas länger Tee zu trinken.

Warum man sich auch für's Büro schminkt, erfährst du auf der nächsten Seite.


Juliane fühlt sich mit Make-Up wohler - sieht sich deswegen aber unter Rechtfertigungszwang:

So. Ich bin also die Pro-Schmink-Fraktion. Ja, ich male mir (fast) jeden Morgen lieber zehn Minuten mein Gesicht an, statt noch den Leitartikel zur US-Politik zu lesen oder wenigstens gedankenversunken in einer Schale Milchkaffee zu rühren, während im Hintergrund leise irgendetwas von Belle & Sebastian läuft. Eigentlich bin ich davon überzeugt, dass das jeder halten kann, wie er mag, also ob er nun lieber zehn Minuten vorm Spiegel steht oder sie mit einer Zeitung verbringt. Und doch habe ich das Gefühl, dass die Entscheidung fürs Make-Up und gegen die kluge Analyse mich unter einen Rechtfertigungszwang setzt. Ziemlich überspitzt ausgedrückt: Zeit in einen Kajalstrich zu investieren, ist das nicht ein Ausdruck von oberflächlichem Tussitum, mangelndem Selbstbewusstsein, unsympathischem Perfektionismus und obendrein auch noch schrecklich privatistisch und irgendwie unemanzipiert?       

Wenn ich mich schminke, dann dauert es meistens nicht länger als zehn Minuten: ein bisschen Puder hier, ein bisschen Concealer da, Kajal, Wimperntusche, das war’s. Wenn ich sehr viel Muße habe, dann lackiere ich mir noch die Fingernägel und ganz ab und an benutze ich dieses mir beschämend eitel erscheinende Gerät namens Warmluftbürste, weil ich finde, dass meine Haare danach viel besser fallen (streng genommen handelt es sich dabei sicherlich nicht um Make-Up – aber es ist ein Teil meines Zurechtmachens).  

Nach dieser Prozedur sehe ich nicht „natürlich, nur besser“, also vermeintlich ungeschminkt aus, dafür sorgt allein schon der dunkle Lidstrich. Aber ich wirke auch nicht zugespachtelt oder wäre für einen entfernten Bekannten nicht wiederzuerkennen, träfe er mich ohne Make-Up. Genauso wenig handelt es sich dabei um eine hochdiffizile „Beauty-Routine“, wie sie prominente Schönheiten auf Into the Gloss schildern.

Allerdings: Wenn es mir gefallen würde,  mein Gesicht in ein Dutzend Farbtöpfe fallen zu lassen, was wäre daran eigentlich verkehrt? Andere Menschen opfern Lebenszeit fürs Zubereiten komplexer Nachtische oder schauen Fußball – und ich käme nie auf die Idee, das zu kritisieren. Gleichzeitig habe ich gelegentlich den Eindruck, dass manche konsequent ungeschminkte Frauen findet, ich sei oberflächlich, würde aus einer Solidarität unter emanzipierten Frauen ausbrechen und das für uns geltende Schönheitsdiktat verschlimmern, indem ich Make-Up benutze. Die ersten beiden Punkte halte ich für ausgemachten Quatsch, an dem dritten mag etwas dran sein.  

Denn natürlich macht man sich nie nur für sich selbst schön. Ja, ich gefalle mir besser, wenn ich mich geschminkt habe. Ich glaube aber auch, dass ich dann anderen Menschen besser gefalle. Und ich will gar nicht leugnen, dass mir das wiederum gefällt.

juliane-frisse

Text: valerie-dewitt - Foto: Susann-Städter/photocase.com

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