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Einblick in unterschiedliche Facebook-Filterblasen
Rechts bleibt rechts und links bleibt links. Wir liken, posten und teilen nur noch in einem Umfeld, wo eh alle unsere Freunde die gleiche Meinung haben. Wer anders denkt, wird gelöscht. Scheuklappen statt Dialog. Die „Facebook-Bubbles“ wurden als Erklärung für Trumps Erfolg genauso hergenommen wie für den Brexit. Aber stimmt das wirklich? Wir haben einen Tag lang vier sehr unterschiedliche Menschen auf Facebook begleitet und uns ihre ganz persönlichen „Bubbles“ angeschaut.
Daniel, 25, Polizist aus Freiburg: „Was ich wirklich denke, poste ich anonym“
Freunde: 214
Facebook ist für Daniel …
… alternatives Nachrichtenportal. Was seine Freunde auf Facebook posten, interessiert Daniel nicht wirklich: „Für mich ist Facebook eine gute Alternative zum Nachrichtenmainstream. Ich glaube, dass die großen Medien vieles vertuschen. Und da suche ich mir meine Artikel eben selbst auf verschiedenen Seiten zusammen. Mich interessieren geopolitische Themen wie der Syrienkrieg oder 9/11.“
Gefällt mir-Angaben:
Neben rechten Portalen wie der Jungen Freiheit liked Daniel auch Seiten, die andere als Verschwörungstheorien abstempeln würden. Und Sahra Wagenknecht. Wie das zusammenpasst? „Kein Widerspruch“, findet Daniel. Durch seinen Beruf als Polizist sei er besonders der Flüchtlingspolitik und linker Gewalt gegenüber kritischer geworden: „Rechte Medien scheuen nicht davor zurück, linke Gewalt zu thematisieren. Und das finde ich wichtig. Ich versuche halt, mir aus möglichst vielen Perspektiven eine Meinung zu bilden.“ Ansonsten mag Daniel Fußball, Autos und Motorsport. Nächstes Jahr will er den Motorradführerschein machen.
Diskutieren oder Ignorieren?
Dass seine Meinung nicht immer erwünscht ist, hat er nach einem Kommentar auf der Seite von n-tv selbst zu spüren bekommen. Da ging es um die Krim, aber mehr möchte Daniel dazu nicht sagen. Er befürchtet, dass die Meinungsfreiheit bei Facebook zunehmend eingeschränkt würde. Deshalb hat er seine eigene Info-Seite gegründet. „Hinter den Kulissen“, heißt die. Da sei Platz für einen alternativen Blick auf die Weltpolitik, meint er. Auf der anonymisierten Seite kann Daniel schreiben, was er denkt. Auf seinem persönlichen Facebook Profil geht das nicht: „Unter meinen Freunden sind viele Studenten, die verstehen meine Ansichten nicht. Deshalb kommentiere ich auch nie Posts von anderen, selbst wenn sie mich nerven. Ich hab keine Lust, als Hetzer dargestellt zu werden. Was ich wirklich denke, teile ich in geschlossenen Gruppen mit Freunden oder anonym.“
So sieht Daniels Facebook-Timeline aus:
Hannah, 26, leitet eine Flüchtlingsunterkunft in Leipzig: „Wenn die Diskussion nicht vorankommt, gebe ich auf“
Freunde: 375
Facebook ist für Hannah …
… Veranstaltungsmanager und Vernetzung.
Gefällt mir-Angaben:
Durch ihren Job ist Hannah in der Flüchtlingshilfe rund um Leipzig gut vernetzt. Ein Thema, das auch ihre Timeline dominiert. Aktuell teilt sie hauptsächlich Artikel zum Syrienkonflikt und folgt deshalb gezielt Seiten, die sich auf diese Nachrichten spezialisiert haben. Das hilft ihr, in Alltagsdiskussionen Stellung zu beziehen: „Das Thema Flüchtlinge birgt ein hohes Konfliktpotenzial, deshalb filtere ich mir meine Nachrichten so, dass ich selbst immer auf dem aktuellen Stand bin und mitreden kann. Manche überfordert die Flut an Informationen online vielleicht. Meine Filterkünste helfen mir, im echten Leben Stellung zu beziehen.“
Diskutieren oder Ignorieren?
Hannah ist bewusst, dass sie auf Facebook in ihrer persönlichen Filterblase steckt: „Wenn jemand aus meinem Freundeskreis etwas Unpassendes postet, dann reagiere ich da schon mit einem Kommentar drauf. Allerdings nur, solange die Diskussion vorankommt. Ansonsten gebe ich auch mal stillschweigend auf.“ In ihrem engeren Freundeskreis kommt das aber selten vor. „In meiner Filterblase gingen die Meinungen noch nie so weit auseinander, dass ich Freunde löschen musste“, sagt sie. Für ihren Job hat Hannah Arabisch gelernt und postet oft bilinguale Artikel oder Veranstaltungshinweise in beiden Sprachen. Viele ihrer Facebook-Freunde sind selbst geflüchtet und können so mitdiskutieren.
So sieht Hannahs Facebook-Timeline aus:
Bernd, 67, Rentner aus Köln: „Nur einmal habe ich einen traurigen Smiley verteilt. Das war halt meine Meinung“
Freunde: 82
Facebook ist für Bernd …
… Entertainment. Die Rangordnung seiner Facebook-Nutzung: „Unterhaltung. Dann Austausch mit Freunden, dann Sport und zuletzt Nachrichten.“ Oft postet Bernd Lifehacks, die ihm seine Cousine aus Amerika schickt, oder Sprüche mit Kölner Humor. Ansonsten will er aber nicht zu viel Privates preisgeben. Seit 2011 hat er das gleiche Profilbild und das soll auch so bleiben. „Manchmal poste ich Fotos aus dem Urlaub, aber da achte ich immer drauf, dass keine Menschen mit im Bild sind“, sagt er.
Gefällt mir-Angaben:
Bernds Gefällt-mir-Angaben lesen sich wie ein Kölner Stadtführer. Als Karneval- und 1. FC-Köln-Fan verfolgt er alles rund um seine Heimatstadt. Manchmal folgt er Restaurants, die ihm gefallen haben. Politik ist eher selten dabei.
Diskutieren oder ignorieren?
Ungefähr die Hälfte seiner 82 Facebook-Freunde ist so alt wie Bernd. Nicht alle teilen die gleiche politische Meinung. Kommentieren ist ihm trotzdem zu stressig: „Meine Timeline ist sehr durchwachsen, was politische Meinungen angeht“, sagt er, „aber warum sollte ich da kommentieren? Das sind ja keine richtigen Diskussionen, die da stattfinden“. Nur einmal juckte es ihn in den Fingern, als ein Freund aus den USA nach den Wahlen ein triumphierendes Video postete. Da setzte Bernd zum ersten Mal einen traurigen Smiley unter das Video. Sofort meldete sich ein beleidigter Freund zurück. Bernd reagierte gelassen: „Das ist halt meine Meinung, dass ich das traurig finde. Das habe ich ihm auch so gesagt. Der Freund ist mir natürlich trotzdem erhalten geblieben.“
So sieht Bernds Facebook-Timeline aus:
Rebekka, 26, studiert Urban Design in Hamburg: „Diskussionen führe ich lieber Face to Face“
Freunde: 849.
Facebook ist für Rebekka …
… hauptsächlich Nachrichtendienst und Postfach. Rebekka hat schon in vielen verschiedenen Städten gewohnt, Facebook ist für sie eine Möglichkeit, mit alten Freunden in Kontakt zu bleiben. Meistens schreibt sie mit Freunden, die nicht in der gleichen Stadt wohnen oder gerade im Ausland sind. Mit dem Handy ist sie „dauer-on“, einfach weil sie keine Lust hat, sich ständig ein- und auszuloggen. „Das bedeutet aber nicht, dass ich permanent Nachrichten verfolge, ich suche mir meine Informationen gezielt aus“, sagt sie.
Gefällt mir-Angaben:
Passend zu ihrem Studiengang folgt sie vielen Architekturseiten, ansonsten viel Kunst, Kultur und Veranstaltungshinweise rund um Hamburg. An Breaking News ist sie weniger interessiert: „Ich lese lieber lange und ausführlichere Reportagen wie die von Krautreporter oder dem Zeit Magazin.“
Diskutieren oder ignorieren?
„Ich würde meine Filterblase als soziale Blase bezeichnen“, sagt sie, „meine Facebook-Kontakte kenne ich alle aus dem richtigen Leben und viele haben einen ähnlichen sozialen Hintergrund wie ich. Klar, dass da eine Blase entsteht, in der viele ähnliche Weltanschauungen teilen“. Nur beim Thema Religion kommt es manchmal zu Meinungsverschiedenheiten: „Ich bin nicht besonders religiös. Wenn Freunde etwas in die Richtung posten, stimme ich zwar nicht zu, aber ich mische mich nur sehr selten ein. Diskussionen führe ich dann doch lieber Face to Face.“
So sieht Rebekkas Facebook-Timeline aus: