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Wer steckt hinter den Fake-Veranstaltungen auf Facebook?

Grafik Jessy Asmus

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Eigentlich, heißt es zumindest, ist Facebook ja tot. Also klar, der Gewinn des Unternehmens explodiert weiterhin, aber die Ursprungsidee, nämlich ein soziales Netzwerk zu schaffen, auf dem Menschen ihre Verlobung verkünden und Fotos vom letzten Urlaub teilen, die ist längst überholt. Wer heute Facebook öffnet, will meistens nur das Postfach checken oder die im Stream bereits vorgefilterten Nachrichten und lustigsten Videos anschauen. Aber sich möglichst nicht öffentlich zu irgendetwas sozial verhalten.  

Umso seltsamer ist, was derzeit mit den Facebook-Veranstaltungen passiert. Die scheinen nämlich, entgegen dem Trend, ein Eigenleben entwickelt zu haben. Da sagen Zehntausende Menschen für Veranstaltungen zu, die sie nie besuchen werden ("Beelitzer Spargelparty") und die dann vom Veranstalter aus Angst vor einem Zusammenbruch der Infrastruktur abgesagt werden müssen. Oder sie interessieren sich für Events, die so definitiv nicht stattfinden werden ("Enten mit Geld füttern bis sie untergehen", zum Beispiel, oder "Tattoos entfernen mit Kärcher" – hier ein interessantes Interview von den Kollegen von ze.tt, was dahintersteckt).

Neben all dem gezielten Quatsch ist in letzter Zeit allerdings auch noch ein dritter Veranstaltungstyp virulent – und problematisch: die Fake-Veranstaltung. Heißt: entweder werden andere Veranstaltungen dreist kopiert, um Geld zu machen (so zum Beispiel geschehen mit dem Münchner Hinterhof-Festival im Mai), oder sie werden zwar angekündigt, dann aber nie umgesetzt.

So ploppte bei Facebook in den vergangenen Wochen verdächtig häufig eine Veranstaltung namens „Ice Cream Festival“ auf, für das sich stets auch irgendjemand aus dem Freundeskreis interessiert – zumindest in Berlin hatten diese Option knapp 40.000 Menschen geklickt, 7000 wollten auf jeden Fall hingehen. Eine ziemlich gute Quote bei 6000 eingeladenen Gästen.

Dabei war der Veranstaltungstext selbst eher vage, von einem Festival nach dem "heiß-beliebten" Vorbild in den USA ist da die Rede, und dass es, nun ja, eben Eis geben soll. Gleichzeitig werden von dem Veranstalter, der ebenfalls "Ice Cream Festival" heißt, zukünftige Events in Konstanz, Saarbrücken und Augsburg angekündigt, jeweils mit eigenen Facebookseiten. Auf der Seite des Veranstalters rief man im Mai sogar dazu auf, dass interessierte Teilnehmer doch bitte ihre Infos an eine Mailadresse schicken sollten, nur so könne man alles weitere organisieren.

Das Problem: Keines der bisherigen Ice-Cream-Festivals hat stattgefunden und das wird es wohl auch in Zukunft nicht tun. Wie die "Badische Zeitung" recherchierte, ist der Veranstalter nicht auffindbar.

Was, zur Hölle, soll das?

Der in der Badischen Zeitung zitierte Social-Media-Experte Jan Stranghöner vermutet dahinter Werbestrategien. Denn natürlich erhielten Veranstalter über die Facebook-Zusagen Informationen über mögliche Interessenten in Form der Facebook-IDs und das, ohne dafür bezahlen zu müssen. Veranstaltungen bei Facebook erstellen ist nämlich kostenlos.

Darüber hinaus erhalten Personen, die "Zusagen" geklickt haben, theoretisch auch nach Ablauf der Veranstaltung weiterhin Updates vom Veranstalter - allerdings nur über dessen Pinnwand, nicht über private Nachrichten. Über eine öffentliche Facebook-Veranstaltung Massennachrichten zu schreiben sei nicht möglich, versichert ein Sprecher einer PR-Argentur, die für Facebook arbeitet.  Also geht es am Ende bei diesen Fake-Veranstaltungen – wie in der Badischen Zeitung angedeutet –  um dreisten Datenklau für Werbezwecke?

Facebook verneint das. Allein auf Basis von Facebook-IDs, also einer jedem Facebook-Profil zugeordneten Nummernabfolge, könne man noch keine sogenannte "Custom Audience" erschaffen. Der Begriff bezeichnet eine quasi maßgeschneiderte Personengruppe, an die Unternehmen ihre Werbung ausspielen möchten –  in diesem Fall zum Beispiel an alle Menschen, die sich für Eis interessieren. Bis zum Herbst 2014 gab es hier regelmäßig Missbrauch durch sogenanntes "Facebook User ID Scraping", bei dem mit Hilfe externer Tools beispielsweise aus Veranstaltungen besagte IDs herausgelesen und für Werbezwecke missbraucht wurden.

Mittlerweile sei dies nicht mehr möglich, erklärt der Agentursprecher. Zwar bietet Facebook weiterhin das Erstellen einer Custom-Audience an, dafür müssen die Werbetreibenden allerdings bereits einen Datensatz über die von ihnen angepeilte Zielgruppe vorliegen haben, der dann verschlüsselt mit der Facebook-Datenbank abgeglichen wird. Dafür kassiert Facebook dann auch Geld. 

Um beim Eiscreme-Beispiel zu bleiben: Theoretisch müsste der Veranstalter hier Informationen wie zum Beispiel die Mailadressen oder Telefonnummern vorliegen haben, die dann mit den Zusagenden ihrer Veranstaltung abgeglichen werden. Erst danach könnten diese Menschen auch mit Eiscreme-Werbung zugeschüttet werden. Faktisch kursieren im Netz immer noch Gerüchte über Möglichkeiten, die Facebook IDs illegal rauszufischen. Seriös ist das allerdings nicht.

Das bestätigt auch noch einmal Diana Degraa, Geschäftsführerin der Digital-Kommunikationsagentur Plan.net. Sie schreibt auf Anfrage: "Aus Werber- bzw. Markenpositionierungsgesichtspunkten gibt es definitiv keinen Grund, solche Fake-Veranstaltungen zu erstellen. Ein seriöser Background ist hier definitiv nicht anzunehmen." Natürlich könne man mit Fake-Veranstaltung über einen kurzen Zeitraum eine große Menge an Menschen erreichen – dies sei dann aber nur sehr kurzfristig nutzbar und natürlich auch nur im Falle eines konkreten Produktes oder einer Markenbotschaft, die beworben werden sollen. Allein die Nachricht "In Berlin gibt es Eis", sei da wenig sinnvoll.

Wem schaden also am Ende die falschen Facebook-Events? Zum einen natürlich der Glaubwürdigkeit des Veranstalters und Produktes. Auf der Seite des "Ice Cream Festivals" machen bereits diverse Links die Runde, in denen von "Betrug" und "Fake" die Rede ist. Die Leute sind frustriert, obwohl ja bisher niemand von ihnen irgendetwas dafür bezahlt hat. Dazwischen mischen sich bereits kuriose Spamnachrichten.

Und noch jemand anders ist bereits jetzt ganz konkret geschädigt: Das Ice-Cream-Festival in München. Dieses trägt einen ähnlichen Namen, wird, anders als die anderen Facebook-Veranstaltungen, allerdings von der G.R.A.L.-GmbH veranstaltet. Und soll tatsächlich am 13. August stattfinden. Nur, dass das fast keiner mehr glaubt: "Wir haben zahlreiche Eisbuden, werben für das Festival und sind etwas genervt, dass wir offensichtlich von Facebook-'Trollen' in anderen Städten kopiert werden – teilweise wohl ohne jede Aussicht und Fähigkeit, das Event jemals durchzuführen", schreibt Geschäftsführer Alexander Wolfrum. "Hier zeigt sich Segen und Fluch des ganz ganz ganz freien Internets."

Der Veranstalter des Fake-Festivals hat hingegen weiterhin auf keine unserer Anfragen  reagiert. Das Ice Cream Festival wird uns also wahrscheinlich weiterhin auf Facebook erhalten bleiben. Nur stattfinden wird es eben nicht. Dagegen kann Facebook auch schlecht etwas machen: Einen Filter, der Fake-Veranstaltungen erkennnt, gibt es nicht. Im Zweifelsfall sollte allerdings jeder selbst achtsam sein. Nicht an jede Mailadresse schreiben, bei denen man angeblich weitere Informationen über Facebook-Veranstaltungen bekommt und vor allem: Keine Eintrittsgelder irgendwohin überweisen. Danach nämlich zu sagen: "Aber es gab doch eine offizielle Veranstaltung auf Facebook" wird am Ende im Falle eines Betrugs niemandem helfen.

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