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Wie das Internet sich in die Baby-Diskussion einmischt
Wenn ich ein Video auf Facebook oder Youtube öffne, kann ich mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit sagen, welche Werbung da gleich bei mir kommt. Sind nämlich grob nur drei:
1) Die, die mit einer Frau und dem Satz „Ich bin schwanger!“ beginnt, woraufhin eine andere Frau anfängt zu weinen. Danach glubscht einen pausenlos ein Baby an und eine sanfte Stimme erzählt was von fruchtbaren Tagen, die man wohl erfährt, wenn man auf ein Gerät pinkelt.
2) Die, die direkt mit dem Baby beginnt. Das Baby brabbelt die meiste Zeit vor sich hin. Das Baby ist wirklich niedlich. Ich soll ihm Pampers kaufen. Ich habe gar kein Baby.
3) Die mit dem Einfrieren von Eizellen. Das ist nicht mal eine Werbung, sondern eine direkte Aufforderung. Nämlich die, an einem bestimmten Tag in Berlin zu einer Infoveranstaltung zu gehen, wo man mir dann erklärt, wie das geht mit dem Eizellen einfrieren. Für später und so.
Prinzipiell verstehe ich natürlich, was da läuft. Facebook und Youtube haben meine Eckdaten erfasst, die habe ich ja auch selbst irgendwann mal bei der Anmeldung angegeben. Weiblich, 27 Jahre alt – und deshalb sicher wild auf ein Baby oder zumindest in der Entscheidungsphase darüber. Da ist sicher auch inhaltlich was dran, weshalb diese Info irgendwann mal ins System eingefüttert wurde, es reproduziert sie jetzt nur noch fleißig. „Personalisierte Werbung halt!“, werden viele jetzt sagen, „Was ist das Problem?“
Ganz einfach: Diese Werbung ist das Gegenteil von personalisiert. Denn nach Schwangerschaftsinfos habe ich nie verlangt.
Eigentlich funktioniert personalisierte Werbung doch so: Die angehende Trauzeugin, die nach einem Kleid gegoogelt hat, bekommt auf einmal noch zwanzig andere Kleider angezeigt. Der 75-jährige Rentner hingegen einen Treppenlift, weil er sich eben darüber informiert hat. Das alles basiert auf einem Algorithmus. Menschen werden anhand von Zahlen charakterisiert. Und in dem Moment, in dem die Trauzeugin auf Opas Computer nach Kleidern sucht, kommt das durcheinander. Das ist okay, wäre ja auch gruselig, wenn das Internet in dieser Hinsicht perfekt funktionieren würde (was es sicher bald tut).
Aber nach Babys, Eizellen einfrieren und diesem Ding zum Draufpinkeln habe ich nie gesucht. Ich arbeite auch nicht bei einer Elternzeitschrift wie Nido oder Eltern und lese keine Elternblogs. Bedeutet: In diesen Momenten heißt „personalisierte Werbung“, dass ich eine Frau „im gebärfähigen Alter“ bin. Das ist ein ziemlich altertümliches Rollenbild. Und es ist verdammt unfair.
Denn genau das ist dieses ganze Babygedöns auf Facebook und Youtube am Ende: Druck auf Frauen, die zwischen 20 und 30 bitteschön mal drüber nachdenken sollen, ob sie jetzt nicht endlich mal zur Mutti werden wollen.
Wenn schon Sexismus, dann doch bitte für alle. Männer aber müssen sich diese Art von Werbung nicht anschauen. Zumindest hat eine (okay, nicht superrepräsentative) Umfrage in meinem männlichen Freundeskreis ergeben, dass keiner von denen ständig auf Facebook und Youtube ständig Videos zur Potenzsteigerung oder besseren Spermienqualität angezeigt bekommt. Denen wird nicht andauernd in das Allerprivateste, nämlich die Frage, ob und wann man Kinder möchte, hineingefunkt. Nicht mal ab und zu: Wenn sie überhaupt – nennen wir sie mal: „geschlechtspersonalisierte“ Werbung gezeigt bekommen, dann äußert sich das in Anzeigen für Grills und Bier. Auch klischeehaft. Aber sehr viel weniger persönlich.
Ist das so, weil Facebook und Youtube wissen, dass Männer noch Kinder zeugen können, wenn sie bereits parallel nach Treppenliften googlen? Lohnt es sich also aus Werbeperspektive nicht, da jetzt schon Druck auszuüben? Denn genau das ist dieses ganze Babygedöns auf Facebook und Youtube am Ende ja doch: Druck. Druck auf Frauen, die zwischen 20 und 30 bitteschön mal drüber nachdenken sollen, ob sie jetzt nicht endlich mal zur Mutti werden wollen. Was Frauen, die keine Kinder bekommen können oder vielleicht gerade eins verloren haben, sich bei dieser Dauerbeschallung fühlen, kann ich nur ansatzweise erahnen.
Das nervigste an dieser Sache ist aber, dass man sich dagegen nicht so einfach wehren kann. Die Filterbubble ist da defekt. Auf Facebook kann man zumindest noch „Hide this Ad“ auswählen und dort als Begründung „This Ad is not useful“ auswählen, was es ja auf vielen Ebenen trifft.
Aber bei Youtube ist es unmöglich, den Babys auszuweichen. Die verfolgen mich, ich kann mittlerweile diese Werbungen Satz für Satz mitsprechen – weil ich dort nicht einmal nach den obligatorischen fünf Sekunden „Skip this ad“ auswählen kann. Stattdessen muss ich diese komischen Pinkeltests bis zum Ende anschauen, um danach endlich ein Musikvideo gucken zu können. Und dadurch, dass ich für diesen Text jetzt gerade tatsächlich nach „Babys“ und „personalisierte Werbung“ gegoogelt habe, habe ich diesen Teufelskreis bestimmt nicht besser gemacht.
Die einzige Lösung ist da wohl: Ich muss dem Internet vorgaukeln, dass ich ein Mann bin. Meine Einstellungen ändern, wenn möglich konsequent im Privatmodus surfen oder – noch einfacher – nur noch „Bier“ und „Riesensteak“ googeln und auf Facebook den Kicker liken. Das ist zwar auch ein altertümliches Rollenbild – aber dann wird’s zumindest wieder einigermaßen fair.