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Das erste Mal Elternbesuch im Studienort ist anstrengend

Illustration: Lucia Götz

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Wenn ich mit meinen Eltern zuhause unterwegs bin, dann weiß Papa den Weg. Als Student ist er Taxi gefahren, deshalb kennt er in unserer Stadt fast jede Straße. Und wenn wir zusammen ins Kino gehen wollen, checkt meine Mama das Kinoprogramm und präsentiert uns danach die besten Trailer, damit wir eine Auswahl haben. Wenn wir in meiner Heimatstadt etwas unternehmen, sind meine Eltern dafür verantwortlich. Das ist schon seit meiner Kindheit so, wir haben uns als Familie alle daran gewöhnt.

Als ich zum Studieren in eine andere Stadt ging und meine Eltern mich dort besuchen kamen, war ich deshalb ein bisschen aufgeregt. Zum ersten Mal war ich für die Tagesplanung verantwortlich. Was könnte ich meinen Eltern zeigen? Wo essen wir? Was unternehmen wir?

Ich konnte meinen Eltern nicht nur die Stadt, sondern auch ein Stück von mir selbst zeigen

Ein bisschen anstrengend ist das schon. Ich bin nicht ganz sicher, was meinen Eltern gefällt und ob sie meine Vorschläge doof finden könnten. Vielleicht ist ihnen ein Restaurant zu modern oder sie haben keine Lust, am Abend auf einer Sandbank am Fluss zu sitzen. Und ich bin ein bisschen gestresst, weil ich mich dafür verantwortlich fühle, dass meine Eltern einen schönen Tag haben. Auf der anderen Seite ist es aber auch wunderschön. Wenn man Eltern hat, die offen für die eigenen Vorschläge sind, kann man sie teilhaben lassen an diesem neuen Lebensabschnitt, sie hineinholen in den Alltag, der einen gerade umgibt. Wir sind dann Falafel essen gegangen. Das kannten meine Eltern so noch nicht. Und ich habe sie in mein Lieblings-Hipster-Café eingeladen. Meine Mama saß in einem riesigen Sessel, mein Papa auf einem bunten Holzstuhl und wir haben die Studenten um uns herum beobachtet. Die Rechnung habe ich übernommen, zum ersten Mal. Ich hatte das Gefühl, einmal etwas zurückgeben zu können, nach den vielen Restaurantbesuchen, bei denen immer sie gezahlt haben.

Als meine Eltern das erste Mal in meine WG kamen, musste ich den Small Talk machen. Themen suchen, damit die Runde aus Mitbewohnern und Eltern nicht in unangenehmes Schweigen verfällt. Gleichzeitig konnte ich aber auch zum ersten Mal zeigen, wie souverän und weltgewandt ich sein kann – wenn ich denn muss. 

Es ist ungewohnt, den Eltern etwas zeigen zu können. Etwas gut zu kennen, das sie noch nicht gesehen haben. Jahrelang war ich die Person in der Familie, die bei Stadt-Land-Fluss verloren hat. Die Person, die Fragen gestellt hat. Die Person, die für die Schule lernen musste und auch noch so viel fürs Leben. Plötzlich sage ich meinen Eltern, wo sie am besten parken können, zeige ihnen das Schloss und die Altstadt und habe sogar eine kluge Geschichte parat, die ich mir bei der Stadtführung in der Orientierungswoche gemerkt habe. 

Ich konnte meinen Eltern aber nicht nur die Stadt zeigen, ich konnte auch ein Stück von mir selbst zeigen. Meine Eltern sind wohl die Menschen, die mich am besten kennen. Als ich klein war, haben sie im Restaurant mein Essen für mich bestellt. Sie waren dabei, als ich mich nicht getraut habe zu fragen, ob ich auf dem Bolzplatz mit Fußballspielen darf. Sie haben mich getröstet, wenn ich eine schlechte Note geschrieben habe. Auf einmal sehen sie einen Menschen, der viel eigenständiger und selbstbewusster geworden ist – ihre Tochter, die viel dazugelernt hat, weil sie das erste Mal auf sich selbst gestellt war. 

Zu Hause holt Papa Semmeln, während ich im Schlafanzug auf die Küchenbank krieche. Nun koche ich Kaffee, lege meinen Eltern Handtücher heraus. Zum ersten Mal sind sie meine Gäste. Anfangs fühlte sich diese Konstellation komisch an. Als ich aber gemerkt habe, dass sie funktioniert, war das Gefühl umso schöner. Denn dieser Besuch meiner Eltern ist auch ein Vorgeschmack auf eine Zeit, in der ich nur noch selten bei ihnen schlafen werde. Wenn ich vielleicht selbst Kinder habe und meine Eltern öfter Besucher in meinem Alltag sind. 

Es tut gut, wenn ihnen dieser Alltag gefällt und wenn sie genießen, was ich mir für sie ausgedacht habe. Sie verbringen schöne Tage und sagen am Ende: „Das war ein toller Besuch.“ Dann bin ich  ein bisschen stolz, dass ich meine Gastgeberrolle gut gemeistert habe. Und freue mich natürlich trotzdem auf den nächsten Besuch zu Hause, bei dem ich wieder einfach Kind sein kann. 

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