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„Papa, du bist nicht lustig!“

Illustration: Federico Delfrati

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Es passiert leider immer wieder. Meistens ungefähr so: Ich bin zum Essen bei meinen Eltern. Wir unterhalten uns, sprechen über dies und das – und wenn dann zum Beispiel mein Vater etwas erzählt, was er lustig fand, lache ich. Das Problem ist: Ich finde es meistens gar nicht witzig. Ich lache, weil er es witzig findet und ich ihn nicht verletzen will.

Meine Eltern und ich teilen viel, genetisch gesehen. Auch emotional gesehen, immerhin kennen wir uns schon sehr lange und haben gemeinsam viel erlebt. Aber unseren Humor, den teilen wir leider nicht. Und manchmal, wenn mir wieder mal nicht zum Lachen zumute ist, wenn Mama oder Papa etwas Lustiges sagt, ist mir darum sogar fast zum Weinen zumute. Weil ich das Gefühl habe, dass man sich nie richtig nah sein kann, wenn man nicht über das Gleiche lachen kann.

„Humor“ wünschen sich ja auch viele von einem potenziellen Partner. Sie meinen damit aber eigentlich nicht Humor generell (denn den haben die meisten auf die eine oder andere Art), sondern „den gleichen oder einen ähnlichen Humor wie ich“. Eine Beziehung, in der man nicht gemeinsam über etwas lachen kann, oder nicht weiß, wie man den anderen erfolgreich zum Lachen bringt, ist eine traurige Beziehung. Bei Freundschaften ist das genauso. Denn geteilter Humor ist einfach ein sehr wichtiger Bestandteil emotionaler Nähe. Wenn man laut lachen muss und jemand anders auch, wenn man sich dabei anschaut, aus den lach-feuchten Augen, hinein ins Gesicht mit den geröteten Wangen und den fröhlichen Lachfalten überall, dann hat man sich gerne. Das schweißt einfach zusammen.

Wenn das mit einem Freund oder Partner nicht funktioniert, kann man zur Not immer noch sagen: „Dann passen wir eben nicht zusammen.“ Bei den eigenen Eltern geht das nicht so einfach. Ich kann Mama und Papa ja schlecht sagen, dass ich mich von ihnen trennen will, weil ich sie nicht lustig finde. Ich will mich ja auch gar nicht von ihnen trennen. 

Trotzdem wiegt der fehlende gemeinsame Humor heute viel schwerer als früher. Denn als kleines Kind war mein Humor zu großen Teilen einfach der meiner Eltern. Was sie lustig fanden, fand ich auch lustig. Genauso wie ich gut und schlecht fand, was sie gut und schlecht fanden. Aber je älter ich wurde, je mehr ich mich von ihnen abnabelte und je weniger ich von ihrer Autorität und ihrer Fürsorge abhängig war, desto wichtiger wurden in unserer Beziehung Dinge, die auch andere, selbst gewählte Beziehungen definieren: Dass man gut miteinander sprechen kann. Dass man ähnliche Interessen hat. Oder eben, dass man den Humor teilt.

Humor könnte unser kleinster gemeinsame Nenner sein. Denn tiefgehende, emotionale Gespräche finden zwischen uns nicht statt und unsere Interessen haben wenige Schnittmengen. Aber zusammen lachen, das sollte doch wohl möglich sein! Und dann sitze ich wieder da, bei einem Geburtstag, alle Freunde meines Vaters lachen schallend über einen seiner Kalauer, und mir tun die Gesichtsmuskeln weh vom So-tun-als-ob. 

Manchmal denke ich, dass es vielleicht auch mit dem Alter zu tu hat. Dass sich der Humor meiner Eltern mit den Jahren verändert und sich dadurch ein kleiner Generationenkonflikt entwickelt hat. Aber mein Bruder, der eindeutig auch zu meiner Generation gehört, findet meine Eltern lustig. Und sie finden ihn lustig. Entweder ist er ein wirklich guter Schauspieler oder er teilt einfach ihren Humor. Ich vermute Letzteres. 

Ich finde die Videos, die meine Eltern schicken, nie lustig. Aber ich antworte immer mit einem Emoji, das Tränen lacht

Das kann ich auch auf Whatsapp beobachten. Die Möglichkeit zur digitalen Kommunikation hat den Effekt nämlich verstärkt. Meine Eltern, mein Bruder und ich sind in einer gemeinsamen Gruppe. Dort posten die anderen Drei alle recht regelmäßig Videos oder Cartoons, die sie lustig finden. Das sind dann kleine Clips aus deutschen Sketch-Shows oder Karikaturen aus der Zeitung. Ich finde die nie lustig, schicke aber immer ein Emoji, das Tränen lacht. Neulich wollte ich mitmachen und habe auch ein kleines Video geschickt. Einen lustigen Monolog aus einer Late-Night-Show. Leider hat sich niemand die Mühe gemacht, ein Lach-Emoji zu schicken. Nur mein Vater hat sich gemeldet. Er habe das nicht verstanden, schrieb er. „Aber guck mal, was ich gestern gesehen hab“ – es folgten ein Cartoon mit Mäusen von Uli Stein und ein Lach-Emoji von mir. Immerhin tun mir davon nicht die Gesichtsmuskeln weh. Dafür aber das Herz.

Die Lösung des Problems ist wohl, Situationen zu vermeiden, bei denen schon feststeht, dass wir darin nicht gemeinsam lachen werden. Am tiefsten bricht der Humor-Graben zwischen uns nämlich dann auf, wenn eine Situation auf Lacher ausgelegt ist: Wenn Papa einen klassischen „Witz“ erzählt, mit Dreischritt und Pointe; wenn wir gemeinsam eine Komödie schauen; wenn Mama ein lustiges Video schickt. Natürlich kann ich diese Situationen nicht immer vermeiden. Das Witze-Erzählen zum Beispiel kann (und will) ich Papa nicht verbieten. Aber das Video muss ich ja nicht runter laden. 

Die Lösung kann aber auch sein, nach irgendetwas zu suchen, über das meine Eltern und ich doch gemeinsam lachen können. Die Geburt meiner kleinen Nichte war da der reinste Glücksfall, denn sie wächst gerade zu einer regelrechten Humor-Brücke zwischen uns heran. Wenn sie etwas Lustiges sagt oder macht, dann müssen meine Eltern lachen. Und ich auch. Weil ich wirklich lustig finde, was die Nichte gesagt hat. Aber auch, weil ich währenddessen meinen Eltern offen und ehrlich ins Gesicht schauen kann. In ihre lach-feuchten Augen mit den fröhlichen Lachfältchen drumherum.

Die Autorin dieses Textes möchte lieber anonym bleiben, damit ihre Eltern nicht genauso traurig sein müssen wie sie, dass sie einfach nicht den gleichen Humor haben. 

Mehr über die Menschen, die uns großgezogen haben: 

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