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Warum Urlaub mit den Eltern super ist

Illustration: Johannes Englmann

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Mit den Eltern verreisen? Nicht als Grundschüler oder widerwilliger Teenager, als Mitreisender qua Geburt, sondern als erwachsener Mensch mit eigenem Pass und Urlaubsbudget? Langweilig. Oder anstrengend. In jedem Fall uncool, mögen die meisten derer finden, die diesen Gedanken überhaupt zulassen. Ich finde aber: Mit den Eltern zu verreisen, kann richtig gut sein. Ein paar gemeinsame Tage, an denen man wenig aufs Smartphone starrt, und die fern von dem sind, was man sonst so macht, können sein wie Oasen. Erholsame Orte, an denen man seine Eltern neu kennenlernt – und sie einen wahrscheinlich auch.

Ist man mal von zu Hause ausgezogen, sieht man seine Eltern vor allem an großen Feiertagen, bei Familienfesten, oder wenn man einander mal besucht. Ein Vorteil vom gemeinsamen Urlaub: Man trifft sich auf neutralem Grund. Nicht an Weihnachten oder dem 80. Geburtstag der Oma, wo man vor allem die Verwandtschaft sieht, viel Kuchen isst und ziemlich häufig tief durchatmen muss. Auch nicht in der eigenen Wohnung, über deren Einrichtung und Sauberkeit man diskutieren müsste, und genauso wenig zu Hause, am Ort der Kindheit, wo man gern auch noch mit alten Freunden ein Bier trinken gehen würde. Vor allem trifft man sich eben nicht an einem Ort, wo immer einer noch Termine und Verpflichtungen hat, und wenn es nur der Rasen ist, der endlich mal wieder gemäht werden müsste, oder diese vielen ungelesenen Mails.

Man ist im Urlaub, und Urlaub bedeutet erstmal: Alle können sich entspannen. Im Urlaub ist jeder ein bisschen anders als im Alltag, spontaner, großzügiger, lässiger. Mein Vater trägt seine leichte Sommerhose und Polo-Shirts, meine Mutter ihre gemütliche Strickjacke. Man diskutiert über Themen, die im Alltag weniger zur Sprache kommen, weil sie Raum brauchen. Zukunftspläne zum Beispiel, oder gemeinsame Erinnerungen. Die Kindheit der Eltern, oder darüber, ob man eigentlich an Gott glaubt. Und man hat Zeit, auch mal zusammen zu schweigen.

Im Urlaub nebeneinander draußen zu sitzen und in die Nacht zu schauen, das verbindet. Die besten Abende mit meinen Eltern habe ich in den vergangenen Jahren im Urlaub verbracht. Schafkopf spielen, Wein trinken, sich festreden. Vor dem Schlafengehen noch mal auf die Terrasse und in die Sterne schauen, in dem Wissen, morgen wieder einen wunderbaren Tag voll Nichtstun vor sich zu haben, an dem die schwerwiegendste Entscheidung, die es zu treffen gilt, lautet: Wer geht zum Bäcker?

Wir haben einen Ort in Italien, da war ich mit meinen Eltern schon, als ich noch nicht laufen konnte. Wir sind dort fast jedes Jahr über Ostern hingefahren. Und auch heute versuchen wir noch, uns dort alle jedes Jahr für ein paar Tage zu treffen. Wir reisen zwar nicht mehr alle zusammen mit dem vollgepackten Auto an und wieder ab, aber sonst ist immer noch vieles wie früher.

Zusammen kommen wir an Orte, an denen ich mit Freunden wahrscheinlich keinen Urlaub machen würde

Mein Vater packt den Kofferraum voll leerer Weinkanister, die er auf einem Weingut aus dem Fass auffüllen lässt und damit den Familienvorrat für ein Jahr aufstockt. Aus dem italienischen Supermarkt nehmen wir alle Kekse und Risotto-Reis mit nach Deutschland. Meine Schwester und ich schlafen immer noch im gleichen, kleinen Zimmer mit Blick aufs Wasser. Man kennt sich aus, weiß, was jeder mag: Am Freitag ist Markt, im Ort ein paar Kilometer weiter gibt es das beste Eis. Man kann das spießig finden. Für mich sind diese Tage wie ein Anker im Jahr, er verspricht: Wir sehen uns wieder, und zwar an einem schönen Ort.

An diesem schönen Ort erinnern wir uns daran, wie meine Mutter uns früher beim Wandern kleine Schokoladenostereier am Wegrand versteckt hat, und meine Eltern erzählen jedes Jahr die Geschichte von dem einen Urlaub, als es so viel regnete und sie uns trotzdem in Gummistiefeln und Regenjacke an den See gepackt haben. Das verbindet. Und ich glaube, dass diese gemeinsamen Urlaube auch ein Grund sind für das gute Verhältnis, das ich zu meinen Eltern habe. Vielleicht war das bei uns schon immer anders. Meine Schwester und ich sind auch als Teenager nie ungern mit unseren Eltern weggefahren.

Zusammen kommen wir an Orte, an denen ich mit Freunden wahrscheinlich keinen Urlaub machen würde: in den Spreewald zum Beispiel, in ein touristisches, aber ziemlich schönes Städtchen am Gardasee, an einen Luftkurort an der Ostsee oder in eine kleine Ferienwohnung im Schwarzwald. Man entkommt ein bisschen der digitalisierten Mittzwanziger-Blase, in der man sonst so rumschwimmt. Lebt mal fern von Diskussionen über Tweets, von vollen Bars, von Whatsapp-Nachrichten in diversen Gruppen-Chats.

Das alles ist einfach mal ein paar Tage nicht wichtig. Man schaut im Kleinen über seinen Tellerrand, und es macht schon auch richtig Spaß, mal einen Tag lang im Windschutz eines Strandkorbs rumzuhängen  und zu picknicken, stundenlang spazieren zu gehen oder Spreewaldgurken zu probieren. Das ist super erholsam und unanstrengend. Und es ist nicht dasselbe, wie mit einer guten Freundin ein paar Tage zum Wellness zu fahren, meinetwegen auch ohne Smartphone.

Man bekommt einen erwachseneren Blick auf die eigenen Eltern. Was ist ihnen wichtig? Was mögen sie?

Was den Urlaub mit den Eltern besonders macht, ist der Mix der Generationen, die neuen Themen und Ansichten, die sich daraus ergeben. Man geht in Cafés oder Bars oder Läden, in die man mit Gleichaltrigen vielleicht nicht gehen würde. Und bei all den Unternehmungen bekommt man noch einmal einen anderen, erwachseneren Blick auf die eigenen Eltern. Was ist ihnen wichtig, was mögen sie? Wie schauen sie auf ihre Kinder? Für so etwas ist in den Ferien Zeit.

Wenn man mit seinen Eltern auch sonst keine paar Stunden verbringen kann, ohne dass die Fetzen fliegen, braucht man natürlich auch nicht zusammen wegzufahren. Ich sage nicht, dass das für alle funktioniert oder funktionieren muss. Aber, dass man dem gemeinsamen Urlaub eine Chance geben kann, wenn man glaubt, dass es funktionieren könnte.

Und: Solche Ausflüge schließen andere Urlaube ja auch nicht aus. Man kann immer noch auf Festivals fahren, durch Asien backpacken, sich ohne Auto in der südfranzösischen Pampa durchschlagen. Der Mix macht die Sache so gut. Meine Eltern machen Urlaub ohne meine Schwester und mich, und wir machen Urlaub mit anderen Menschen. Und manchmal, oft über ein langes Wochenende, verreisen wir alle gemeinsam. Und es ist schön, wenn sich unsere Wege kreuzen, um Gemeinsamkeit zu tanken für die nächsten Monate, die man wieder in verschiedenen Städten verbringt.

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