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„Die Kifferin“-Kolumne Teil 3: Cannabis und die Reaktion der Familie
Zum Kiffen hat so ziemlich jede*r eine Meinung. In der öffentlichen Debatte darüber kommen die Konsument*innen aber am wenigsten zu Wort. Das sind in Deutschland rund 3,7 Millionen Menschen – und längst nicht alle kiffen aus medizinischen Gründen. Die Studentin Mia kifft seit sieben Jahren. Hier erzählt sie von ihrem Alltag mit Cannabis. In der vergangenen Folge hatte sie ihr Vater mit einem Joint im Park erwischt.
„Als wir von der Parkbank nach Hause kamen, durchwühlte mein Vater mein ganzes Zimmer. Ich fühlte mich wie eine Kriminelle, als er so vor mir meine ganzen Sachen filzte. Natürlich fand er dann auch ziemlich schnell, wonach er suchte: verschiedene Pfeifen, Bongs, Grinder und fünf Gramm Gras. Da rastete er dann völlig aus, ich weiß noch genau wie er schrie: ‚Ich schmeiß die ganze Scheiße jetzt in den Müll!‘ Ich verlor komplett die Nerven, wurde hysterisch und schrie rum. Ich war wie von Sinnen und flehte ihn an: ‚Rauch es meinetwegen selber, dann merkst du, dass es nicht so schlimm ist! Aber wirf es nicht weg!‘ Inzwischen ist mir das mega peinlich. Denn heute würde ich das lockerer sehen und einfach neues Gras holen. Aber damals war ich richtig panisch, weil man mir meinen Stoff wegnahm – wie so ein Junkie.
In der Schulzeit sah ich in Gras vor allem auch Geld. Ich habe nicht mehr in Euro, sondern in Gras gerechnet. Man kann sich das so vorstellen: Ein Gramm sind zehn Euro. Da dachte ich mir oft Dinge wie: „Shit, die CD kauf ich mir lieber nicht, die kostet zwei Gramm Gras.“ Und dann stand da plötzlich mein Vater vor mir und warf einfach 50 Euro in den Mülleimer. Dafür hatte ich zehn Stunden in der Bäckerei gearbeitet. Rückblickend war es natürlich trotzdem dämlich, so auszuflippen. Denn spätestens dann war meinen Eltern klar, dass ich exzessiv kiffe.
„Auf einmal wollten alle in meiner Familie über mein Leben sprechen, das war neu für mich“
Nach diesem Abend war die Stimmung in der Familie natürlich beschissen. Meine Eltern erzählten ziemlich schnell der restlichen Verwandtschaft von dem Vorfall. Sie dachten wohl, wenn jedes Familienmitglied auf mich einreden würde, dann würde das irgendwas ändern. Das war neu für mich: Auf einmal wollten alle in meiner Familie über mein Leben sprechen.
Meine Oma zum Beispiel fragte, woher ich mein Gras hole: „Doch nicht bei den Kanacken am Hauptbahnhof? Was sollen die Nachbarn denken, wenn das rauskommt? Und wie viel kiffst du wirklich?” Auch heute, sieben Jahre später, fragt sie immer noch die gleichen Fragen, deshalb haben wir auch ein schwieriges Verhältnis. Kiffen ist halt einfach ein großer Teil meines Lebens und meine Oma interessiert sich nur dafür, woher ich Gras bekomme, anstatt dafür, warum ich eigentlich rauche.
Das ist für mich damals wie heute das große Problem mit meiner Familie: Niemand, wirklich niemand, fragte oder fragt mich nach dem Grund für meinen Konsum. Niemand interessiert sich für meine Meinung oder checkt, dass ich nicht nur kiffte, um high zu sein. Niemand will hören, dass Gras mir extrem gegen das Chaos in meinem Kopf hilft. Sie wollen mir eigentlich nur erzählen, was ich falsch mache.
Nur meine Cousine reagierte damals einigermaßen cool, sie ist nur ein paar Jahre älter als ich. Sie erzählte, dass sie auch schon gekifft hatte, und sagte: ‚Übertreib es halt nicht, okay? Solange du ab und zu einen Joint rauchst ist alles cool, aber du musst aufhören, jeden Tag zu kiffen.‘ Das war das einzige Gespräch, nach dem ich wirklich mal über meinen Konsum nachgedacht habe. Einfach, weil sie auf Augenhöhe mit mir gesprochen hat und nicht von oben herab. Sie ist auch heute die Einzige in der Familie, mit der ich nicht direkt Streit habe, wenn es um das Thema Kiffen geht.
„Ich bin sicher, dass sie regelmäßig mein Zimmer durchwühlten“
Was aber auch sie nicht wusste: Mit meinem kleinen Bruder habe ich auch schon ein paar Mal gekifft. Ich hab ihm das angeboten, weil ich es irgendwie geil fand, eine große, coole Schwester zu sein. Ich wollte, dass er zu mir aufschaut. Er kiffte nie wirklich, er fand es zum Glück nicht so geil wie ich. Heute ist das unser kleines Geheimnis von damals, was uns zusammenschweißt. Wir haben kein arg enges Verhältnis, aber das Kiffen ist wie so eine Art Abenteuer in der Kindheit, das uns verbindet. Ziemlich bescheuert, oder? Er war damals 13.
Trotz dieser ganzen Gespräche mit der Familie habe ich natürlich weiter gekifft. Zwar wurde ich dadurch immer schlechter in der Schule, aber das war mir ziemlich egal. Ich hatte durch Gras endlich Dinge im Griff, die mir wichtiger waren als gute Noten: Kiffen half mir gegen meine Unsicherheit, meine Hibbeligkeit und meine Stimmungsschwankungen. Das ist wohl, was man psychische Abhängigkeit nennt. Ich konnte mir nicht mehr vorstellen, mein tägliches Leben ohne was zum Rauchen hinzukriegen.
Aber natürlich war das Kiffen viel stressiger als vorher. Meine Eltern rochen an mir, wenn ich nach Hause kam, an meinen Haaren und an meinen Klamotten. Ich kann es nicht beweisen, aber ich bin mir sicher, dass sie regelmäßig mein Zimmer durchwühlten. Es hat nicht lange gebraucht, bis sie gecheckt haben, dass ich weiterhin rauchte. Eines Abends, ich kam grade mega breit nach Hause, rief mich mein Vater ins Wohnzimmer. Dort saßen er und meine Mutter und sagten mir, dass ich mir ‚helfen‘ lassen müsse. Ich wehrte mich, heulte und schrie rum, aber Widerstand war zwecklos. Mit 16 musste ich also zum ersten Mal zur Drogenberatung.“