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In Case of Emergency, bitte BH ausziehen!
Eine Atemschutzmaske bedeutet nie etwas Gutes: Sie bedeutet immer so etwas wie: Atomunfall! Giftige Gase! Seuchengefahr! Smog! Das wissen wir von den blauen Aufklebern und Schildern, die zum Beispiel in einer Fabrik anzeigen, dass man ohne Atemschutz hier nicht herumlaufen darf. Von den Bildern aus dem Jahr 2003, als zum Beispiel in Hong Kong aus Angst vor dem SARS-Virus viele nur noch mit Atemschutzmasken aus dem Haus gingen. Von den Fotos nach dem Atomunfall von Fukushima im März 2011. Bei jedem noch so kleinen Feuerwehreinsatz, sogar bei den Sicherheitshinweisen im Flugzeug, denen man höchstens mit einem Ohr zuhört, verfehlt dieses Symbol nicht seine Wirkung, weil es an eine elementare Angst appelliert: davor, keine Luft zu bekommen oder giftige einzuatmen.
Spätestens seit den Protesten in Ägypten hat das Symbol noch eine weitere Bedeutung. Überall, wo die Polizei zum Beispiel mit Tränengas gegen Demonstranten vorgeht, tauchen die Masken auf. In Istanbul werden sie auf der Straße verkauft. In Athen werden sie auf Hauswände gesprüht und gemalt. Der ägyptische Street-Art-Künstler El-Zeft klebte ein Bild von Nofretete, der Hauptgemahlin des Pharaos Echnaton, mit Gasmaske an eine Mauer in der Nähe des Tahrir-Platzes in Kairo.
Die Gasmaske ist zu einem Symbol für gewaltsam unterdrückten Protest geworden, und ein bisschen auch zu Kunst. Die Masken sind zur Zeit überall, seit ein paar Tagen verhelfen sie sogar einer drei Jahre alten Idee zu neuer Aufmerksamkeit, zumindest auf Facebook, Twitter und Blogs: dem "Emergency Bra", kurz "EBra", einem BH, den man im Notfall in zwei einfache Gasmasken umfunktionieren kann.
Seine Erfinderin, die ukrainische Medizinerin Elena Bodnar, war 1986 als Ärztin unter den Helfern bei der Reaktor-Katastrophe von Tschernobyl und behandelte vor allem Kinder mit Strahlenkrankheit. Mit billigsten Gasmasken hätten sie kein verstrahltes Jod-131 eingeatmet, davon war sie überzeugt, und begann, an einem Prototypen zu basteln.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Im Notfall ausziehen und zwei Gasmasken daraus basteln: der "Emergency Bra".
Der Büstenhalter habe sich als offensichtliche Lösung angeboten, zitiert Welt Online die Erfinderin, denn der Großteil der Frauen würde ja einen tragen. Außerdem hätten die Körbchen ohnehin die Form einer optimalen Gesichtsmaske. Der EBra funktioniert so: Jedes der beiden Körbchen kann man wie eine Atemschutzmaske über Mund und Nase halten, die BH-Träger fixieren die Maske auf dem Kopf. Ausziehen kann man ihn übrigens ohne sich zu entblößen.
Bei Feuer, einer Explosion, einem Atomunfall oder einer Naturkatastrophe kann das Leben retten, und zwar zwei. Als Bodnar mit dem "Ig-Nobelpreis" ausgezeichnet wurde, einer satirischen Auszeichnung, die wissenschaftliche Leistungen ehrt, die die "Menschen zuerst zum Lachen, dann zum Nachdenken bringen", sagte sie bei der Preisverleihung: "Ist es nicht wunderbar, dass Frauen zwei Brüste haben, nicht nur eine? Wir können nicht nur unser eigenes Leben, sondern auch noch das eines Mannes unserer Wahl retten."
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Für 29,99 US-Dollar kann man sich den original EBra bestellen, für 49,99 kriegt man das neuere Modell mit Strahlungssensor. Bisher gibt es den multifunktionalen BH nur in Rot, angeboten wird er auf einer Website, deren Ästhetik mehr auf einen drittklassigen Erotikfotografen als auf eine preisgekrönte Erfindung schließen lässt. Als ob das nicht reicht, wird auch noch mit dem Slogan "Be sexy, be safe" und einer vollbusigen Frau auf Satin-Bettwäsche und mit Rosenblättern geworben, was die eigentlich vernünftige Idee dahinter endgültig zur Nebensache macht. Auch die Fotos der aufgesetzten Maske sehen mehr wie eine Werbung für Fetischartikel aus. Den Gasmaskenfetisch gibt es sogar, "Breathcontrol" nennt sich das Ganze dann.
Sexy Protest schockiert spätestens seit den Auftritten der Oben-ohne-Aktivistinnen von Femen höchstens diejenigen, gegen die sich die Aufschrift auf ihren Brüsten richtet. In diesem Fall haben es die Webdesigner aber etwas zu gut gemeint mit der vermeintlich sexy Aufmachung. Vielleicht planen sie ja einen Relaunch angesichts der neuen Aufmerksamkeit, die der EBra genießt. Er passt auf jeden Fall viel besser ins Jahr 2013 als in sein Erscheinungsjahr. Bevor man zu einer Demo geht, bei der man damit rechnen muss, mit Tränengas beschossen zu werden, kann man sich durchaus vorstellen, den Emergency Bra anzuziehen.
Elena Bodnar hat sich ihren EBra allerdings nicht als Accessoire für besondere Anlässe vorgestellt. Fox News zitiert die Erfinderin: "You have to be prepared all the time, at any place, at any moment." Aus diesem Grund kann man ihn auch, wie einen normalen BH, bei 60 Grad waschen. Den Strahlungsmesser muss man vorher allerdings entfernen.
Bleibt nur die Frage, ob nicht eine Mini-Atemmaske für den Geldbeutel effektiver gewesen wäre als ein BH, den man in case of emergency ausziehen muss. Aber dann könnte man ja nicht so gute Werbeslogans erfinden.
Text: kathrin-hollmer - Fotos: Ebbra.com