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Genervt sein wie 1998

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An „Clippy”, hierzulande auch bekannt als „Karl Klammer”, erinnert sich jeder, der die Microsoft Office Versionen 97 bis 2003 genutzt hat. Clippy war der gutgemeinte Office-Assistent in Form einer Büroklammer, der als Fahrrad angefahren kam, auffällige Augenbrauen hatten und an den Bildschirm klopfte, um „Anscheinend wollen Sie”-Mutmaßungen anzustellen. Wenn man ihm als Teenager bei den ersten Experimenten mit einem Computer begegnete, fand man ihn vielleicht ganz lustig und niedlich. Immerhin konnte er sich in einen Strudel, in eine Box oder in einen Drucker verwandeln und manchmal nickte er sogar ein. Aber wer ernsthaft arbeiten wollte, für den war Clippy nichts als eine Nervensäge, weil er Tipps gab, die keiner brauchte und wirkliche Probleme nicht lösen konnte. Er war so sinnlos, dass die „Time” ihn 2010 sogar unter die „50 Worst Inventions” wählte. Und trotzdem hat ihn das Team des Webdesign-Startups „Smore” jetzt wieder zum Leben erweckt: Als „Clippy.js”, eine Javascript-Anwendung für die Homepage.

Clippy hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Der Assistent war derart unbeliebt, dass Microsoft den Beschwerden der Nutzer nachgeben und ihn mit der Version XP wieder abschaffen musste. Es heißt, sogar die Micrsoft-Mitarbeiter selbst konnten ihn nicht ertragen. Der Kommunikationswissenschaftler Clifford Nass nannte in einem Interview als Begründung Clippys Indifferenz und fehlende Lernfähigkeit: „If I met you twenty times and treated you like as if I just met you, you'd be absolutely infuriated.” Clifford betreute bereits die wissenschaftliche Arbeit eines Stanford-Studenten zum Thema „Why People Hate the Paperclip”.

Der besagte Hass auf den Assistenten schaukelte sich hoch, sodass der längste Abschnitt im Wikipedia-Artikel „Office Assistant” heute der zu „Criticism and Parodies” ist. Es gibt einen Comic-Strip , in dem Clippy exekutiert wird, und ein Clippy-Prank , das man installieren kann – der Doppelgänger der Klammer ploppt dann auf und sagt Sätze wie „I have detected a mouse move, this was normal” oder „Sometimes I just popup for no particular reason, like now.” Microsoft versuchte, sich mit einer Humoroffensive aus der Nummer zu retten und die Häme für sich zu nutzen: Die Kampagne für „Micrsosoft Office XP”, das 2001 startete, warb mit Clippys Ende – die Benutzerfreundlichkeit des Programms mache ihn überflüssig. Er verabschiedete sich mit dem Song „It Looks Like You're Writing a Letter”. Die Nutzer wurden aufgerufen, über die Zukunft der Klammer abzustimmen („President of the United States”, „Lead Singer for Metal Band”, „Paper Clip”), oder konnten im „Clippy Game” den Assistenten mit Bürogegenständen abschießen. Vor einem Jahr wurde er ein erstes Mal wiedergeboren. Da trat er im Office-Lernspiel „Ribbon Hero 2 – Clippy's Second Chance” auf.

Nun also folgt das dritte Leben der Büroklammer. Die Idee von „Smore”, Clippy auf Webseiten einzusetzen, ist einem Gefühl geschuldet, das irgendwann wohl gegenüber jeder noch so sinnlosen Erfindung empfunden wird: Nostalgie. Das Entwicklerteam beschreibt die Sache als „weekend Project”, bei dessen Konzipierung sie viel gelacht haben und dessen Ergebnis die Menschen daran erinnern soll „risky and silly things” auzuprobieren. Vor allem ist „Clippy.js” wohl eine PR-Aktion, denn „Smore”, auf Web- und Flyerdesign spezialisiert, befindet sich noch in der Beta-Phase und möchte natürlich auf sich aufmerksam machen.

PR, Nostalgie und Sinnlosigkeit hin oder her, der Assistenten-Unfug macht schon ein bisschen Spaß. Denn wo Microsoft noch ganz ernsthaft Nutzen und Niedlichkeit verbinden wollte, baut „Smore” einfach nur auf Niedlichkeit und darauf, dass man über Ärgernisse aus alten Tagen irgendwann herzlich lachen kann. Clippy.js kann alle Bewegungen und Verwandlungen vollziehen, die der echte Clippy auch konnte, ist sonst aber zu nichts Nutze (und versucht auch nicht, es zu sein). Man kann übrigens auch einen anderen Assistenten für seine Homepage wählen. Denn – man erinnere sich kurz – es gab ja nicht nur Clippy! Da waren auch noch Merlin, der Zauberer, Rover, der Hund, und Links, die Katze (die heute, in Zeiten des überschäumenden Katzencontents, mit ihren niedlichen Gurrgeräuschen für die nötige Portion Flausch auf der Seite sorgen könnte). „Smore” bietet sogar die Option, mehrere Assistenten gleichzeitig zu verwenden, die als Fahrrad rumfahren, Pfotenabdrücke auf den Bildschirm machen oder eine Fanfare blasen – für das ultimative „genervt sein wie 1998”-Gefühl!

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