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Drogen zum Naschen
Auf dem Selbermach-Verkaufsportal etsy.com kann man seit kurzem Drogen kaufen. Nicht irgendwelche Drogen, sondern das reinste Crystal Meth überhaupt. Ein seltenes Gut, es hat einen bläulichen Schimmer, was an einer trickreichen Rezeptur liegt, die nur einer kennt und die vor allem nur einer so genau befolgen kann, dass die Wunderdroge herauskommt, die in den Straßen von Albuquerque als „Blue Meth“ bekannt ist. Und sie ist auf etsy.com unschlagbar günstig: Für sechs Dollar ist eines der kleinen, durchsichtigen Tütchen zu haben, plus Versandkosten.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Allein, es handelt sich dabei um keine echten Drogen. Der Vater der blau schimmernden etsy-Droge ist auch nicht Walter White, in der Drogenszene besser bekannt als „Heisenberg“. Der Hersteller nennt sich „Los Pulgas Hermanos“, und er ist wohl ein großer Fan der Fernsehserie „Breaking Bad“ mit einem guten Auge für die richtige Geschäftsidee. Er hat die Wunderdroge aus der erfolgreichen Serie als Süßigkeit nachgebaut. Sie sieht genauso aus wie die Drogen, die Walter White und sein Partner Jesse Pinkman unter das fertige Junkie-Volk von New Mexiko bringen, macht aber im Gegensatz zu Crystal Meth nur die Zähne kaputt und nicht gleich den ganzen Menschen. Im Angebot von Los Pulgas Hermanos findet sich übrigens auch noch Kryptonit.
Die Geschäftsidee hat sich in den vergangenen Tagen weltweit in der Blogosphäre ausgebreitet. Erfolgreich ist sie wahrscheinlich vor allem, weil sie gleich zwei Bedürfnisse bedient: Zum einen den Effekt, in der Tasche ein Plastiksäckchen zu haben, dessen Inhalt aussieht wie etwas sehr Schlimmes und Verbotenes. Es ist wie früher mit den Schokozigaretten: Man kann Unwissende erschrecken, indem man ihnen ganz beiläufig und höflich ein bisschen von der illegalen Ware anbietet. Diesen Witz konnten sich nicht mal die Hauptdarsteller der Serie selbst verkneifen. White-Darsteller Bryan Cranston saß kürzlich in der morgendlichen TV-Talkshow „The View“ mit Whoopi Goldberg und einigen anderen Damen zusammen, als er ein paar Tütchen der vermeintlichen Droge zückte und freigiebig an seine doch leicht geschockten Gesprächspartnerinnen verteilte. Auch sein Schauspieler-Kollege Aaron Paul versucht am Set neue Schauspieler zu überraschen, indem er ihnen scheinbar Drogen anbietet.
Zum anderen ist der Drogen-Süßkram wegen des Fan-Effekts attraktiv. Fans mögen es, ihre Liebe zu einer Serie, einem Film oder auch einer Band oder Fußballmannschaft irgendwie in ihrem täglichen Leben dabei haben zu können und nach außen zu tragen. Warum sonst kritzeln sich Schüler Bandnamen auf das Federmäppchen, warum sonst schlafen kleine (und nicht mehr ganz so kleine) Jungs in FC-Bayern-Bettwäsche, warum sonst posten Fans auf Facebook begeistert das Breaking-Bad-Plakat zum Start der neuen Staffel? Und warum sonst bieten lokale Reiseanbieter inzwischen geführte Breaking-Bad-Touren durch die City von Albuquerque an? Die Stadt ist nicht gerade das, was als Must-See in jedem US-Reiseführer angepriesen wird. Aber die Tourismusbehörde und Reiseanbieter stellten fest, dass mehr und mehr Touristen die Stadt ausschließlich besuchten, um sich Drehorte wie die Waschstraße anzusehen, die die Familie White zum Geldwaschen nutzt. Wo ein Fan ist, da ist eben auch schnell jemand, der ihm etwas andrehen will. Das hat auch der Drogenboss auf etsy.com begriffen.
Text: christian-helten - Foto: Screenshot Los Pulgas Hermanos