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Das Ding der Woche: Der Lügendetektor
Vor kurzem hat das amerikanische Fernsehen nach der Wahrheit gesucht. In der Sendung „The Truth About Tony“ wurde ein Mann namens Tony mit Kabeln und Schläuchen an eine Maschine angeschlossen, die aussieht wie eine Mischung aus Plattenspieler und Seismograph: ein Lügendetektor. Hergestellt von der Firma Lafayette, der Mercedes seiner Klasse, er kostet rund 20.000 Dollar. Ein Mann mit strengem Blick und Oberlippenbart kontrolliert den Lügendetektor – und meldet, wenn Tony bei einer Frage Herzrasen bekommt, oder wenn seine Atmung schneller wird. Denn das sollen sichere Anzeichen dafür sein, dass Tony lügt. Ob Tony schon mal im Kino geweint habe, will der Moderator wissen; welche Haarpflegeprodukte er benutze und ob er fremden Frauen hinterher schaue. Wenn das Messgerät verdächtige Werte anzeigt, gibt der Schnurrbartmann Alarm. Austricksen ist unmöglich – angeblich. Denn Maschinen lügen nicht, Menschen schon. Soweit der Mythos. Die Maschine, die Wahrheit messen kann Der Traum von einer Technik, die Schwindler entlarven kann, ist fast so alt wie die Lüge selbst. In China mussten Verdächtige schon vor mehr als Tausend Jahren beim Verhör Reiskörner unter die Zunge legen. Denn wer lügt, bekommt angeblich einen trockenen Mund. Bleibt der Reis trocken, sagt der Angeklagte die Unwahrheit. Moderne Lügendetektoren sind technisch ausgereifter – sie messen Puls, Atmung und Hautwiderstand. Trotzdem muss sich das Gerät seit seiner Erfindung vor rund 80 Jahren einem Vorwurf immer wieder stellen: dass der Lügendetektor selbst eine Lüge ist. Denn es ist nicht nachgewiesen, dass eine schnellere Atmung oder ein erhöhter Puls tatsächlich Anzeichen einer Lüge sind - und nicht einfach Zeichen von Aufregung, Anspannung oder Angst. So ein mürrischer Schnurrbartmann, wie er Tony gegenübersitzt, kann schon ziemlich furchterregend wirken. Er erinnert an einen Kontrolleur in der U-Bahn. Wenn so jemand plötzlich im Zug auftaucht und eine Fahrkartenkontrolle ankündigt, steigt bei vielen der Puls. Egal ob man eine Karte hat oder nicht. Der Wissenschaftler George Maschke hat ein Buch geschrieben, das „Die Lüge hinter dem Lügendetektor“ heißt. Für ihn ist das Gerät reiner Hokus-Pokus: „Er ist etwa so glaubwürdig wie Handschriftdeutung und Schädelvermessung – eine Pseudowissenschaft. Es gibt keine Beweise, dass der Lügendetektor zuverlässig arbeitet.“ Maschke ist nicht allein mit seiner Skepsis: Seit 1988 dürfen Firmen in den USA ihre Angestellten keinen Lügendetektortests mehr unterziehen. Der Grund: Mit einfachen Atemübungen kann man die Ergebnisse verfälschen und die Maschine überlisten.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Trotzdem hat die Maschine noch Fans
Doch eigentlich geht es beim Lügendetektor gar nicht um nachweisbare Wahrheit. Es geht um Psychologie. Kann ein Mensch mithilfe einer Maschine Gedanken lesen? Oder wirkt ein Polygraph – so der offizielle Name des Lügendetektors – derart einschüchternd auf die Befragten, dass ihnen die Wahrheit einfach herausrutscht? Seit der Lügendetektor im Jahr 1935 von einem amerikanischen Gericht zum ersten Mal als Beweismittel anerkannt wurde, hat sich sein Ansehen ziemlich verändert: Im kalten Krieg galt er noch als Wunderwaffe gegen feindliche Spione, heute darf auch in Amerika niemand mehr dazu gezwungen werden, sich einem Lügendetektortest zu unterziehen.
Trotzdem hat die Maschine noch Fans: Die amerikanische Ermittlungsbehörde FBI testet auch heute noch alle ihre Job-Bewerber mit dem Lügendetektor. Und auch Verbrecher können mit einem Polygraphen befragt werden – wenn sie der Untersuchung zustimmen. Für Ralph Nieves, ein ehemaliger Detektiv der New Yorker Polizei und einer von 2500 zertifizierten Polygraphisten in den USA, hat das einen einfachen Grund: Der Lügendetektor hat Recht. Wissenschaft hin oder her. Er sagt: „Wissenschaftler haben einfach andere Standards. Die leben in einer anderen Welt“. Für ihn ist der Lügendetektor ein sinnvolles Hilfsmittel bei der Jagd nach Verbrechern: „Wissenschaftler leben nicht in der harten Realität, sie haben nichts mit dem Polizisten da draußen auf der Straße zu tun, der einfach jede Hilfe braucht, die er kriegen kann.“
Kampf um die Wahrheit
Kaum ein Land setzt die Maschine so exzessiv ein wie die USA. Hier ist der Lügendetektor nicht nur ein Symbol im Kampf um die Wahrheit, sondern auch tief in der Popkultur verwurzelt. Die Simpsons haben ihn benutzt, der schwedische Popstar Jens Lekman hat ihn besungen, im Film „The Day the Earth stood still“ werden sogar Außerirdische mit einem Lügendetektor befragt. Für George Maschke, der den Lügendetektor am liebsten abschaffen würde, hat die angebliche Wahrheitsmaschine eigentlich nur einen sinnvollen Verwendungszweck: „Ich finde, er eignet sich hervorragend als Filmkulisse – als dieser magische Kasten, der die Wahrheit über einen Menschen messen kann. Er ist Folklore geworden“. Auch die Fernsehsendung „The Truth About Tony“ ist Teil dieser Lügendetektor-Folklore. Es ist ein 45-minütiger Werbespot für eine amerikanische Fast-Food Kette. Darin soll getestet werden, ob Tony Stewart, ein berühmter Rennfahrer, auch wirklich gerne die Hamburger seines Sponsors isst. Darum lautet die letzte Frage: „Do you love the Whopper?“ Das Ergebnis kann man sich denken. Der Lügendetektor weiß eben, welche Wahrheit besonders gut ankommt.
Text: till-krause - Illustration: Katharina Bitzl