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Was wird aus meinen Daten, wenn ich sterbe?

Foto: Max Hofstetter

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Was soll mit meinen Spuren im Netz passieren, wenn ich plötzlich sterbe? Eine Frage, die in meinem Kopf noch weit hinter der Patientenverfügung, die ich schon längst schreiben wollte, rangiert. Momentan würde ich einen heillosen Wust hinterlassen. Den Überblick habe ich nach zwölf Jahren online längst verloren. Auf Anhieb denke ich an Facebook, Spotify, meine vier Mail-Accounts, meine Amazon- und Zalando-Accounts. Aber eigentlich passiert es ständig, dass ich im Netz nur weiter klicken kann, wenn ich Mailadresse und Passwort angebe: Stadt-Newsletter, Fluganbieter, Orga-Tools wie Trello und Zeitungen mit Registrier-Schranke; alle haben irgendwann einmal nach meinen Daten gefragt und ich habe sie ihnen gegeben.

Dann ist da ja der ganze Kram auf meinem Laptop, dessen Vorgänger, Festplatten, ein paar Sticks und Speicherkarten. Ordner mit dem kryptischen Namen „Fotos Januar bis Juni 2016“ - unsortiert vom Smartphone und der Kamera runtergezogen. Und was, wenn ich einen tödlichen Unfall habe und wenige Tage später bei Facebook noch unter „Kennst du vielleicht“ vorgeschlagen werde, oder Facebook-Freunde aufgefordert werden, mir zum Geburtstag zu gratulieren?

Es wäre ganz schön fies, wenn sich meine Familie durch das alles durchkämpfen müsste.

Immerhin bin ich nicht die Einzige, die sich noch nie die Frage gestellt hat, was mit all den digitalen Schnipseln passieren soll. Laut einer aktuellen Bitcom-Studie sagen 80 Prozent, dass sie ihren digitalen Nachlass noch überhaupt nicht geregelt haben. 

Wenn ich genauer darüber nachdenke, will ich eigentlich, dass das Netz mich nach meinem Tod einfach verschluckt. Aber wenn es morgen soweit wäre, würde genau das nicht passieren. Was also tun?

Dass das Thema „Digitaler Nachlass“ nicht im Trend liegt, hat auch Medienwissenschaftlerin Sabine Landes aus München vor zwei Jahren erkannt. Sie fühlt sich berufen, das zu ändern. Auf digital-danach.de hat sie gemeinsam mit ihrem Mann Praxisanleitungen zusammengetragen und organisiert bald einen Kongress in München, der Menschen vernetzt, die sich mit dem digitalen Erbe beschäftigen.

Ich treffe Frau Landes auf dem Zündfunk-Netzkongress in München, dort hält sie einen Workshop zu dem Thema. Diese eine Stunde nehme ich mir. Auf dem Tisch liegen 50 Kärtchen: Logos von Online-Diensten, W-LAN, Lupe, Weltkugel. Wir sollen ein Symbol auswählen, das wir mit unserem digitalen Leben verbinden. Obwohl ich mich zu den Leuten zähle, die beim Shoppen, Lesen oder Kalender bestücken oft den analogen Weg vorziehe, könnte ich jetzt fast zu jeder der Karten greifen.

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Aus den Karten soll die Autorin auswählen, was das eigene digitale Leben ausmacht.

Foto: Max Hofstetter

Sabine Landes rät, eine Liste anzulegen. Alle Accounts, alle Passwörter und dahinter einen Vermerk, was damit nach dem Tod geschehen soll. Alternativ empfiehlt sie einen Passwort-Manager, dort kann man alle Logins hinterlegen und bei manchen Anbietern auch eine Notiz dahinter schreiben, was im Todesfall mit dem Account passieren soll.

 

Das bringt aber nur dann etwas, wenn ich mir eine vertraute Person suche, die das Masterpasswort kennt und Zugang zum Passwortmanager hat. Bei vier Geschwistern habe ich immerhin Auswahl. Nur, wie würden die mich ansehen, wenn ich ihnen morgen mein Master-Passwort auf einem Zettel in die Hand drücke oder ihnen sage, wo sie meine Accountliste finden, für den Fall, dass ich sterbe? Ich bin die Jüngste in meiner Familie, von mir erwarten die anderen wohl am wenigsten, dass ich über Tod und Nachlass sprechen will.

 

Ich will wissen, wie das bei Facebook ist: In den Einstellungen habe ich ein Feld vor mir, in das ich einen Nachlasskontakt eintragen kann. Spontan fiele mir mein Bruder ein, der netzaffinste in unserer Familie. Weiter unten gab es auch die Möglichkeit: Account löschen. Ich bin überrascht, dass anscheinen nur ein Klick nötig ist. Ja, warum sollte ich noch jemanden damit belästigen, wenn ich hier einfach gleich regeln kann, dass alles gelöscht wird?

 

Klick. Ein Dialogfeld „Dein Konto in Zukunft löschen?" öffnet sich.

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Foto: Screenshot Facebook

Ich will straight auf den „Nach dem Tod löschen“-Button klicken. Mein Finger stoppt. Sollen meine Freunde aus dem Bachelor in Erfurt, Reisebegleitungen und liebe Menschen aus dem FSJ nicht auch erfahren, dass ich einen tödlichen Fahrradunfall hatte? Nur weil meine Familie nicht mal weiß, dass sie existieren oder Kontakt zu ihnen hat, sind sie ja nicht weniger wichtig?

 

Ich verschiebe meine Entscheidung. Sabine Landes sagt, dass es beim digitalen Nachlass nicht darauf ankäme „den hinterletzten Shopping-Account, wo man mal den lila Schrankknauf bestellt hat“, aufzulisten. Stattdessen gehe es darum, den Verbleib von Dingen, die uns im Netz wichtig sind, wie Fotos und Kommunikation, für den Notfall zu regeln.

 

Hört sich alles makaber an, aber erspart Angehörigen wohl eine Menge zusätzlichen Frust

 

Wenn ich über meine Freizeitgestaltung der nächsten Wochen nachdenke, sehe ich nicht, dass ich in zwei Wochen am Schreibtisch sitze und ein Liste meiner Logins und Passwörter erstelle und dazu notiere, was posthum damit passieren soll. Charmanter scheint mir eine Lösung, die Sabine Landes gegen Ende des Workshops vorstellt: Onlinedienstleister, wie die Firma Columba, bietet Angehörigen an, die 250 meistgenutzen Portale nach bestehenden Registrierungen zu befragen. Auf Wunsch der Angehörigen können die Columba-Mitarbeiter auch gleich die Löschung beantragen.  

 

Für mich würde das bedeuten, ich setze ein Dokument auf, dass ich „Digitale Nachlassverfügung“ nenne und schreibe dann - passt wahrscheinlich in zwei Zeilen - dass meine Familie alle meine Accounts über einen solchen Dienstleister vernichten lassen soll, wenn ich sterbe. Dem Anbieter reichen dazu Name und Mailadressen. Eventuell würde ich im Dokument noch den Satz hinzufügen, dass meine Familie, bevor sie mein Facebook-Profil löscht, bitte eine kurze Nachricht an meine Freundesliste schicken möge, dass und unter welchen Umständen ich verstorben bin.

 

Hört sich alles makaber an, aber erspart Angehörigen wohl eine Menge zusätzlichen Frust. Meinen Bruder werde ich schon mal vorwarnen, dass ich gern mit ihm über meine digitalen Überreste sprechen will. Wenn dann mal viele verregnete Herbsttage aufeinanderfolgen, gibt es meinen letzten digitalen Willen vielleicht auch bald auf Papier.

 

*Helena Ott ist Schülerin der Deutschen Journalistenschule. Dieser Text ist entstanden im Rahmen des Zündfunk-Netzkongresses, dem Digital Kongress vom Bayerischen Rundfunk und der Süddeutschen Zeitung.

 

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