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Übersetzungssoftware soll Millionen Menschen das Leben erleichtern.
Bonaventure Dossou ist 23 Jahre alt und ziemlich genial. Er spricht nicht nur vier Sprachen, sondern hat auch zusammen mit seinem Kollegen Chris Emezue ein Tool entwickelt, das wichtiger und nützlicher ist, als man zuerst meinen könnte: eine Übersetzungssoftware für die afrikanische Sprache Fon und Französisch. Sie setzt auf künstliche Intelligenz.
Die Geschichte dazu ist ein bisschen traurig: Bonaventure, der in seinem Heimatland Benin in der Schule – und zum Teil auch daheim – vor allem die Kolonial-Sprache Französisch gesprochen hat, konnte seine Mutter nie gut verstehen – weil die vor allem die Niger-Kongo-Sprache Fon spricht. Das wurde vor sechs Jahren zu einem größeren Problem, weil die beiden nur noch über Sprachnachrichten kommunizieren konnten. Bonaventure verließ nämlich mit 17 Jahren seine Heimat und ging nach Russland, um Mathematik zu studieren. Gerade macht er seinen Master an der Uni Bremen.
Die Übersetzungssoftware soll aber längst nicht nur Bonaventure und seiner Mutter helfen – sondern hat das Potential, das Leben von Millionen Menschen in Benin und ganz Afrika zu erleichtern. Mit jetzt spricht der junge Daten-Ingenieur über die Bedeutung von Übersetzungstools in Afrika, darüber, was seine Mutter zu seinem Projekt sagt – und seine zweite geniale Erfindung.
jetzt: Und, hast du das Übersetzungsprogramm schon mit deiner Mama ausprobiert?
Bonaventure Dossou: Ja, schon oft! Sie ist meine persönliche Testperson. Und sie freut sich so, manchmal schickt sie mir etwa einfach ein Wort, von dem sie glaubt, dass es noch in unserem Datenset fehlt. Lustigerweise brauche ich die Übersetzungssoftware aber gar nicht mehr so sehr: Durch meine Arbeit daran ist mein Fon viel besser geworden. Man kann also sagen, dass das Projekt die Beziehung zu meiner Mutter und die Kommunikation mit ihr sogar auf mehreren Ebenen verbessert hat.
Wie kam es, dass du die Sprache deiner Mutter nicht sprichst?
Ich habe schon immer ein wenig Fon verstanden, halt so die wichtigsten Sachen. Aber in der Schule wurde immer Französisch gesprochen, die Tage dort waren lang, genauso wie der Heimweg. Zuhause habe ich dann mit meinen Geschwistern und meinem Vater viel Französisch gesprochen. Da bleibt nicht viel Zeit.
„Fon ist keine geschriebene, sondern eine gesprochene Sprache“
So ein Verständigungsproblem mit der eigenen Mutter muss einen als jungen Menschen sehr beeinflussen.
Ja, absolut. Ich stehe meinem Vater sehr nahe, weil er auch Mathematiker ist, und wir eben miteinander sprechen konnten. Meine Mutter war mir lange ferner. Zwar hat mir meine Schwester oft beim Übersetzen geholfen, aber es gab trotzdem oft Missverständnisse, sogar Streits, die nicht nötig gewesen wären. Am Ende geht es mir bei meiner Arbeit darum, meiner Mutter näher zu sein.
Aber nicht nur, oder?
Nein, es ist kein privates Projekt. Fon ist keine geschriebene, sondern eine gesprochene Sprache. Im Gegensatz zum Französischen, Englischen oder Deutschen haben wir kein Wörterbuch, in dem jedes Wort festgehalten ist. Aber viele Menschen in Benin könnten diese Übersetzungen gebrauchen.
Also ist es ein „normales“ Problem in Benin, dass man sich sogar innerhalb von Familien nicht richtig verständigen kann?
Das kommt auf die Familie an. Aber generell ist es schon so, dass sich die Menschen, selbst wenn sie aus derselben Stadt kommen, oft nicht komplett gegenseitig verstehen. Zum einen werden in meiner Heimat mehr als 50 Sprachen gesprochen, zum anderen haben die dann oft noch viele unterschiedliche Ausformungen: Fon allein wird in mehr als 50 verschiedenen Dialekten gesprochen.
Damit euer Tool funktioniert, habt ihr aber auch noch etwas anderes gebraucht als nur Vokabeln: eine Tastatur, auf der man etwa in Chats richtig Fon schreiben kann.
Ja, das gab es noch nicht. Und es macht einen riesen Unterschied. Das Fon-Alphabet ist zwar ähnlich wie das lateinische Alphabet, aber es gibt ein paar Buchstaben mehr, etwa Ɖ/ɖ, Ɛ/ɛ, und Ɔ/ɔ, sowie andere Diagraphen, also zwei Buchstaben, die für eine Lautung stehen.
„Eine eigene Tastatur zu haben, mit der man seine eigene Sprache auch richtig niederschreiben kann, bedeutet viel“
Ah, im Deutschen wäre etwa „ae“ ein Diagraph.
Genau. Eine eigene Tastatur zu haben, mit der man seine eigene Sprache auch richtig niederschreiben kann, bedeutet viel – und für die meisten afrikanischen Sprachen gibt es das einfach nicht.
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Du und Chris, ihr arbeitet ja zusammen an der Übersetzungssoftware. In den Medien sprichst vor allem du – woran liegt das?
Chris und ich haben uns in Russland beim Studieren kennengelernt und haben festgestellt, dass wir die gleichen Lebensvisionen und Ziele haben. Also haben wir angefangen, unsere Projekte und Ideen zu teilen. Es stört mich ein bisschen, dass der mediale Fokus so auf mir liegt. Aber es liegt mit Sicherheit auch daran, dass das Produkt so mit meiner persönlichen Geschichte verwoben ist. Chris kommt aus Nigeria und spricht kein Fon. Und er ist auch so als Typ ein bisschen introvertierter.
Es gibt mehr als 2000 afrikanische Sprachen. Glaubst du, deine Innovationen können für mehr Sprachen als Fon nützlich sein?
Die Tastatur auf jeden Fall. Sie ist zwar primär für Fon gemacht, aber viele afrikanische Sprachen sind verwandt. Tatsächlich ist die Niger-Kongo-Sprachgruppe die am dritthäufigst gesprochene Gruppe weltweit und umfasst mehr als 1500 Sprachen, darunter auch Yoruba, Igbo, Fulfulde und Zulu. Wir haben auch schon positives Feedback auf die Tastatur aus verschiedenen Ecken Afrikas bekommen.
Du bist 23 Jahre – und bekommst dank deines Daten-Ingenieuring schon jetzt viel Aufmerksamkeit. Nicht nur von den Medien, sondern auch im akademischen Kreis. Stehst du deswegen unter Druck?
Ja, vor dem Hintergrund, dass ich das Gefühl habe, dass ich den Menschen noch mehr „schulde“. Ich arbeite Tag und Nacht, damit unsere Webseite, auf der man die Software benutzen kann, vor dem neuen Jahr noch online gehen kann. Täglich versuche ich mehr Daten zu bekommen, mit denen ich das Network füttern kann, aber je größer es wird, umso komplizierter wird es auch.
Wie finanziert ihr das Ganze eigentlich – bekommt ihr Geld von einer Firma für die Entwicklung?
Nein, das nicht. Chris und ich entwickeln das in unserer freien Zeit. Und wir müssen immer mal wieder Geld abdrücken für Sachen wie Serverplatz. Das bekommen wir nicht ersetzt. Deswegen: Falls uns jemand unterstützen möchte, sind wir immer dafür offen.