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Sex-Bots auf Instagram: Das steckt dahinter
„Ich denke, meine Brüste sind zu groß und verschwitzt, bitte helfen Sie mir, mich auszuziehen“, kommentiert Userin „barbarbrlamy“ unter einem Instagram-Post zum Thema Covid-19. Der Account sieht aus wie der einer jungen Frau, die gerne Fotos von sich in Unterwäsche postet. Doch „barbarbrlamy“ ist keine junge Frau, sie ist nicht einmal ein Mensch. Sie ist ein sogenannter Sex-Bot.
Sex-Bots sind Fake-Accounts, die von einem Computerprogramm gesteuert werden. Das Programm gibt Befehle, die Bots führen sie aus. Demnach kommentieren sie Posts, schreiben Privatnachrichten an User*innen, folgen Profilen, machen Follow-Anfragen und posten Videos von halbnackten Frauen in den Storys. Damit sollen die Bots auf Instagram möglichst wie echte Nutzer*innen wirken. Zum einen, damit Instagram sie nicht löscht, zum anderen sollen so echte User*innen auf ihre Profile gelockt werden. Die Sex-Bots haben meistens das gleiche Ziel: Sie wollen Nutzer*innen dazu bringen, einen dubiosen „Link in der Bio“ anzuklicken.
Auch in Instagram-Storys zeigen die Bots Bilder halbnackter Frauen – echt sind sie nicht.
Was sich dann hinter diesen Links befindet, ist schwer zu sagen. Aus Sicherheitsgründen sollte man diese Links nicht anklicken, wenn man nicht dementsprechend geschützt ist. Der Bayerische Rundfunk hat eine Recherche mit einer sicheren virtuellen Maschine geführt und sich durchgeklickt. Das Ergebnis: Es sind oft zwielichtige Dating-Seiten, die mithilfe von Paywalls das Chatten mit „echten Frauen“ ermöglichen sollen. Die Betreiber*innen dieser Seiten würden damit dann Geld verdienen. Der Sprecher des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Joachim Wagner weiß, dass Geld der häufigste Beweggrund von Betrüger*innen im Internet ist. „Doch die Bandbreite an Menschen oder Gruppen, die womöglich dahinter stecken könnten, ist riesig und unmöglich zu definieren“, erklärt er jetzt.
Instagram weiß angeblich nicht, wie viele Bots bei dem Netzwerk angemeldet sind
Martin Fuchs ist Politikberater und Social-Media-Experte. Er vermutet die Sex-Industrie hinter der Sex-Bot-Plage auf Instagram: „Die Sex-Industrie ist am weitesten, wenn es um den Einsatz von neuen Technologien geht.“ Es gäbe, wenn man die Bot-Kategorien vergleichen würde, mehr Sex-Bots als politische Bots, so Fuchs. (Anm. der Red.: Politische Bots haben als Ziel die Beeinflussung des politischen Diskurses). Konkrete Beweise für diese These hätte er aber nicht, denn bisher sei noch kein Sex-Bot-Betreiber ausfindig gemacht worden. „Instagram arbeitet aber intensiv daran, Bots so schnell wie möglich zu entdecken und dann zu eliminieren. Dafür nutzen sie auch selbst automatisierte Systeme”, erklärt Fuchs. Instagram äußert sich dazu auf Anfrage von jetzt nicht.
Laut eigenen Angaben registriert Instagram monatlich eine Milliarde aktive Nutzer*innen. Wie viele davon Bots sind, weiß das Unternehmen angeblich nicht. Auf Instagram wimmelt es also von einer unbekannten Zahl an betrügerischen Sex-Bots und Instagram hat dieses Problem nicht unter Kontrolle. Zwar werden Bots laut Instagram mithilfe von automatisierten Systemen bereits bei der Anmeldung gelöscht oder nachdem sie von User*innen als Spam gemeldet werden, dennoch schaffen es offensichtlich viele Bots, die nicht direkt als solche zu erkennen sind und dann Scams durchführen, auf die Plattform.
Wenige Menschen melden sich bei der Polizei, wenn sie auf Bots hereinfallen – die Scham ist zu groß
Eine mögliche Begründung für das Schweigen von Instagram bezüglich der Anzahl von Bots liefert Social-Media-Experte Fuchs: „Instagram will family friendly sein, Sex-Bots gehören daher eigentlich nicht auf die Plattform. Gleichzeitig werden aber Fotos mit nackter Haut stärker beworben, wie neulich eine Analyse von AlgorithmWatch und dem European Data Journalism Network zeigte. Instagram lebt ja auch von latent sexuellen Inhalten.“ In Deutschland ist Instagram ab dem Alter von 13 Jahren freigegeben. Porno-Inhalte haben auf einer familienfreundlichen Plattform nichts zu suchen, umso weniger, wenn dahinter potentiell Cyberkriminelle stecken könnten. Wie viele User*innen auf die Masche der Instagram-Sex-Bots reinfallen und zum Opfer von Cyberkriminalität werden, weiß niemand: Nicht das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), nicht die Verbraucherzentrale und auch nicht das Cybercrime-Kompetenzzentrum des Landeskriminalamts NRW.
Trotz der unklaren Höhe der Fallzahlen warnt das BSI vor Leichtsinnigkeit: „Erfahrungsgemäß kann ich sagen, dass es Menschen gibt, die drauf reinfallen. Sonst würde sich niemand die Mühe machen, diese Bots zu programmieren.“ Zu wenige Menschen würden den Behörden solche Fälle melden, weil die Hemmschwelle bei Opfern sehr hoch sei, sie würden sich dafür schämen. „Die Zahlen der Meldungen sind deshalb nicht repräsentativ“, erklärt Wagner. Wie schwer es ist diese Bot-Programme zu unterbinden, weiß auch Martin Fuchs: „So ein Bot-Programm liegt zum Beispiel auf einem Server auf den Kaimaninseln, wurde vielleicht in Israel programmiert und bedient sich von einer thailändischen Bilddatenbank. Es ist also extrem schwer, den Ursprung festzulegen, denn er liegt oft jenseits der nationalen Grenzen.“
Dementsprechend ist das Problem aus Fuchs' Sicht derzeit auch nicht mit Gesetzen in den Griff zu kriegen: „Es bringt nichts, Gesetze zu machen, die Bots verbieten, wenn man diese dann nicht durchsetzen kann.“ Deshalb plädiert er dafür, dass wir als Gesellschaft lernen, mit diesen Problemen umzugehen, anstatt zu hoffen, dass der Staat oder internationale Organisationen uns das Problem abnehmen. Was können wir also tun, um den Umgang mit Bots zu lernen? Das BSI behandelt Sex-Bots wie Phishing-Mails – also betrügerische E-Mails, die das Ziel haben, sensible Daten von User*innen, wie zum Beispiel Kreditkartennummern, zu entnehmen. In diesen Fällen wird an den Menschenverstand appelliert, denn das sei das effizienteste Schutzmittel. „Man sollte sich immer Gedanken darüber machen, wer mich für was anschreibt: Was will die Person von mir und was schickt sie mir?“, erklärt der BSI-Sprecher.
Auf Instagram gilt grundsätzlich:
- Wenn du ein Sex-Bot siehst, melde es als Spam. Dann wird es von Instagram entfernt.
- Klicke nicht auf „Links in der Bio“ von Sex-Bots, auch wenn der Link wie der von einer „normalen“ Porno-Seite wirkt. Oft stecken dahinter Betrugsversuche oder Malware, die dir oder deinem Rechner schaden könnten. (Auf Pornoseiten solltest du übrigens generell nur via VPN-Verbindung gehen, um deine Identität zu verwischen. Sonst wirst du getrackt.)
- Spreche mit Freund*innen und Verwandten darüber und mache dich nicht über Menschen lustig, denen so etwas passiert ist. Es sind vermutlich mehr als du denkst.
- Wenn dein Profil auf „privat“ eingestellt ist, kannst du Follow-Anfragen überprüfen und niemand kann deine Posts kommentieren, abgesehen von deinen Followern.
- Überprüfe die Privacy-Einstellung für Fotoverlinkungen und stelle sie auf „Fotoverlinkungen manuell freigeben“. Sex-Bots verlinken gerne Nutzer*innen auf Fotos mit halbnackten Frauen. Das kann auf Instagram jede*r manchen – auch wenn ein Profil auf „privat“ ist.
- Privatnachrichten können nicht gesperrt werden, doch meistens landen diese in den Spam-Ordner.
- Von Links, die „Follower“, „Nacktfotos“ oder „Chatrooms“ versprechen, sollte man ebenso die Finger lassen.